piwik no script img

Kommentar Linke und die KriegsfrageJenseits der Rechthaberei

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Der Protest der Partei ist groß. Kaum jemand unterstützt Gysis Vorschlag, irakischen Kurden Waffen zu liefern. Mit dem Vorstoß hat er ein Ziel erreicht.

Zieht viel Kritik auf sich: Gregor Gysi Bild: dpa

E igentlich verfügt Gregor Gysi über ein untrügliches Gespür, was der Linkspartei zumutbar ist. Er ist ein Virtuose des Konsens, der zusammenhält, was nicht unbedingt zusammengehört: sozialdemokratische Realos und linke Fundis zum Beispiel. Anscheinend hat nun sein Radarsystem versagt: Von Ausnahmen wie Jan Korte abgesehen, steht die Partei von rechts bis links gegen die große Integrationsfigur. Das ist neu.

Denn Gysi hat gleich zwei eherne und im Prinzip richtige Überzeugungen ins Wanken gebracht – nämlich strikt und immer gegen Waffenexporte aus Deutschland zu sein und grundsätzlich gegen jeden Krieg, der vage mit Imperialismus assoziiert wird. Angesichts des bestialischen Terrors der ISIS-Milizen möchte Gysi eine Ausnahme machen und, wenn es sonst niemand tut, unter anderem kurdische Verbände mit Waffen versorgen.

Angesichts der Welle der Empörung zieht der Fraktionschef es nun vor, diese Idee nicht zu wiederholen. Denn Frieden ist der letzte Identifiktionskern der Linkspartei. Die sozialen Themen – Hartz IV und Mindestlohn – haben an Strahlkraft verloren. Umso entschlossener wird bei Ost- und Westlinken mit der Friedensfahne gewunken. Man verteidigt den letzten Markenkern.

Hat Gysi verloren? Wankt gar sein Status, unverzichtbar für die Partei zu sein? Das mag so scheinen – aber zweimal nein. Vielmehr hat Gysi ein Ziel erreicht: nämlich die Debatte aufzubrechen. Angesichts des ISIS Terrors ist es etwas dürftig, Presseerklärungen zu verschicken, in denen routiniert die US-Bomben auf ISIS-Ziele verurteilt werden oder an die UN appelliert wird, bitte etwas zu tun.

Gysis Botschaft hingegen lautet: Es gibt moralisch zwiespältige Grenzsituationen, gegen die kein Parteiprogramm hilft. Und: Es reicht nicht, immer bloß Recht gehabt zu haben. Diese Idee ist aus der Flasche.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

46 Kommentare

 / 
  • Deutschland verfügt zB über teure Kampf-Hubschrauber namens Tiger, die in geringem Umfang in Afghanistan eingesetzt wurden. Man könnte sie in einen Airbus verladen und die IS zurückdrängen. Stellt sich natürlich die Frage, wieso Deutschland? Aber wenn es die USA machen, heißt es , immer diese Imperialisten. Die Türken bauen wohl nur noch Einkaufszentren bzw haben ein Kurdenproblem. Löst Krieg Konflikte? Wahrscheinlich muss man das strategisch-pragmatisch sehen. Könnte eine vereinigte USA /EU /Russland /Afrikanische Union /Pazifische Union mit einer harmonisierten Einsatzkraft alle diese dummen Konflikte aus der Welt schaffen? Einige vielleicht.

  • Herr Gysi hat sich von seinen Gefühlen verleiten lassen. Genau in so einem Sinne hat Herr Gauck über mehr Bundeswereinsätze auf der Welt gesprochen. Die beiden Männer haben so gesprochen, weil sie die verfolgten Menschen schützen wollen.

     

    Es ist viel schlimmer, wenn man überhaupt nichts sagt, als würde z.B. in Irak gar nichts schlimmes passieren. Einige Menschen tuen so, als würden sie nichts wissen.

     

    Es ist ein Dilemma: Krieg und Waffenexporte sind schlecht, aber man weiss ja nicht, was soll man denn tun, um die verfolgten Menschen zu retten.

  • 13.08.14

     

    ... und zum mauerbau vor 53 jahren "verliert" die linkspartei bzw. ex-sed-partei natürlich kein wort!!

    • @joHnny Ente:

      Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Gysi sollte sich zur Ruhe setzen.

  • Ist Gysi wirklich ein Linker? Für meine Begriffe nicht. Er ist nur ein ganz alltäglicher Machtmensch, der nur endlich "regierungsfähig" werden will. Die einzige Person, die ich für links, also im engen Sinne für sozial halte, ist Frau Wagenknecht. Und die wurde abgesägt, weil sie Gysi`s Ministerträume gefährdete.

    Wer A sagt muss auch B sagen!

    Wer "Waffen" sagt wird bald auch "Krieg" und "Soldaten" sagen müssen.

     

    Wer unsere Gründungsverfassung erst nimmt müsste auch zwingend zum Wohle ALLER Menschen, mindesten in unserem Lande handeln.

    In den ersten 12 bis 16 Jahren war das auch so. Eine Merkel und ein Gauck wären, sogar von der ganzen Presse, davon gejagt worden. Das Ergebniss war das "deutsche Wirtschaftswunder".

     

    "Es war einmal ...., und wenn sie nicht gestorben sind ..."

    Sie sind alle gestorben, auch die Linken sind ausgestorben am Drang zur Macht.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Wie konnte es eigentlich zu diesem Machtzuwachs der ISIS-Milizen kommen? Sind deren Waffen von Allah gesandt worden?

  • anderwo war´s euch zu Gysi-flapsig;-)

     

    ok - dann mal was elaborierter -

     

    "…„Bei der Stabilisierung von Staaten darf man sich nicht hinter Vorschriften oder Ideologien verstecken“, sagt der CSU-Abgeordnete Henning Otte, Mitglied des Verteidigungsausschusses, zur taz.…"

     

    mit Verlaub -

    wenn Vertreter der Exekutive, aber auch die Vorreiter des Parlaments,

    ja Herr Gysi - und etwas verschwurbelt Herr Reinecke so oder ähnlich reden -

     

    und unsere Kriegsminsterin La Tuffa

    von - sie muß es ablesen!! -

    nichtletalem Kriegsgerät schwadroniert -

     

    dann - ja dann haben mich

    40 Jahre Jura und von der Exekutive belogen werden beim

    Mitentscheiden über die

    Teilnahme der Bundeswehr an der Kosovo-Bombardierung -

    gelehrt -

     

    wer so redet - gar nie wieder Ausschwitz faselt, einen Völkermord -

    einen erlogenen Hufeisenplan beschwört -

     

    der - ja der/die - wollen außerhalb der Gesetze, außerhalb des Völkerrechts handeln.

     

    Nur zur Erinnerung -

    die nunja klandestine Teilnahme der Bundesrepublik via Schröder/Fischer am Irakkrieg -

    Logistik/Flug-Drehscheibe etc -

    hat das Bundesverwaltunsgericht

    auf 150 Seiten der Bundesrepublik um die Ohren gehauen -

     

    als verfassungs- und völkerrechtswidrig.

    (Angie weiß das sehr genau -

    mußte doch der Herr Berichterstatter

    zweimal im tet-a-tet "vorturnen";-)

     

    Um Mißverständnissen vorzubeugen -

    die Jesiden sind höchst gefähdet -

    sind sie für Sunniten ja doppelte Häretiker - nicht nur, daß sie ihre Gebete " in den Wind sprechen" -

    wie die Aleviten, also die meisten Kurden, sondern als Teufelsanbeter angesehen werden;

    weshalb sie für die Türkei nach Wegfall des Schutzes der Christen im

    Wege der Gruppenverfolgung Asyl in der BRD erhielten.

     

    D.h. Ausloten, was rechtlich zulässig ist - das ja ;

    aber schwadronieren wie oben -

    ein klares NEIN!

  • D
    D.J.

    Hier ein interessanter Beitrag auf den Ruhrbaronen:

     

    http://www.ruhrbarone.de/islamischer-staat-der-widerstand-muss-so-schnell-wie-moeglich-organisiert-werden/86040

     

    In einem irrt Herr Yildiz allerding: Die VERMISST-Aktion ist keineswegs nur von Islam-Verbänden kritisiert worden, sondern auch von taz, Grünen, ja selbst von der SPD. Wobei die Argumentation teils hanebüchen war. Man würde pauschalisieren. Als ob etwa ein Plakat, das vor dem Abgleiten in Rechtsextremismus warnt, alle Deutschen unter Pauschalverdacht stellen würde. Albern - zumal auch mindestens ein "Biodeutscher" gezeigt wurde.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @D.J.:

      Was ist denn ein "Biodeutscher"?

    • @D.J.:

      Kurden sind hauptsächlich Moslems übrigens

  • Was die Linkspartei zur Frage der Waffenlieferung von sich gibt, ist nun wirklich belanglos. Das sind Sektenkonflikte.

    Zentral ist hingegen die in der verantwortlichen Politik Deutschlands wachsende Einsicht, daß man sich nicht aus allen ernsthaften Weltkonflikten heraushalten bzw. mit Zahlungen herauskaufen kann. Eine ernsthafte Weltpolitik bedarf eines miltärischen Potentials, sonst ist sie lachhaft. Hier liegen in Deutschland allerdings mentale Probleme, die nicht leicht zu lösen sein dürften. Sie zeigen sich u. a. daran, daß so selbstverständliche Äußerungen wie die des offenbar restvernünftigen Herrn Gysi alsbald öffentliche Erregung erzeugen.

  • Gibt es eigentlich von jenen, die Gysi nun kritisieren, alternative Vorschläge, was getan werden kann, um etwas gegen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dort von IS begangen werden, zu tun? Oder sitzt man bequem auf dem Sofa, und findet es einfach "echt nicht gut", wenn die Kurden in die Lage versetzt werden, sich und die Jesiden zu schützen?

    • @Kaboom:

      Danke für den Bericht von der Stoßfront. Ich geb´s an die Hauptstelle weiter. Gefreiter, Abtreten!

    • @Kaboom:

      Laut Uno 2086 Tote in Ostukraine. Laut UNHCR 117000 Binnenflüchtlinge in Ukraine. Da unterstützt du die, die auf eigene Leute schießen. Was willst du?

      • @Gegge:

        Ich unterstütze nicht die, die auf die russischen Invasoren schiessen, sondern ich lehne die russische Aggression ab. Das ist etwas völlig anderes.

        • @Kaboom:

          Aggression vom Westen lehnst du nicht ab. Nicht in Ukraine, nicht hier.

    • @Kaboom:

      Und sie schreiben ihren Leserkommentar direkt von der Front nehme ich an? Da waren sie schon und haben protestiert, während der Irakkrieg der Koalition der Willigen 650 000 Menschen getötet hat? Nato-Staaten (USA, Türkei) bildeten/bilden die syrischen Rebellen aus und bewaffnen sie zum Teil, zum Beispiel mit Panzerabwehrwaffen. Nun stellen Sie sich mal vor, die Kurden würden mit ihren neuen Waffen demnächst in die Türkei oder den Iran einfallen. Wen wollen sie dann bewaffnen?

      • @Matthias Haider:

        Gääähn. Also Sie zumindest haben keine Alternative. Ist notiert.

        • @Kaboom:

          Sag Westen, er kann sich Umgestaltungspläne vom Mittleren Osten mit seinen Terrobanden in seinen dreckigen verlogenen Arsch schieben!

           

          Sag dem Westen, die Menschen lassen sich das nicht gefallen, niemals!

        • @Kaboom:

          Was hast du anzubieten? Nicht mehr als Waffenlieferungen!

          • @Gegge:

            Derart billige Retourkutschen sind Kindergarten-Niveau. Also geh wieder spielen.

            • @Kaboom:

              Kindergarten-Niveau, sprich nur weiter über dich!

    • @Kaboom:

      Stimmt. Die Welt ist schwarz-weiß. Sofa oder Waffen. Andere Möglichkeiten, etwa Waffenlieferungen in die Region zu stopppen, das PKK Verbot aufzuheben, KurdInnen mit Geld zu unterstützen, auf den Nato-Partner Türkei einwirken, dass er doch die ISIS nicht mehr supporten sollte oder auf den festen Handelspartner Saudi Arabien einwirken, dass der die ISIS nicht mehr unterstützt. Aber das wäre zu kompliziert. Lieber Waffen...

      • @Revenge:

        Aha. Waffenlieferungen in die Region stoppen.etc. Und - nur mal so gefragt: Das rettet Ihrer Meinung nach die Jesiden?

        • @Kaboom:

          Sag Obama, er soll seinem Kumpel Erdogan sagen, die Lager an türkisch-syrischer Grenze für AL Quaida und AL Nusra müssen aufgegeben werden.

           

          Sag Erdogan, er soll keine Terroranschläge auf eigenes Volk organisieren, wie Reyhanli um Grund zu haben Assad die Schuld zu geben.

           

          Sag dem Westen, er soll keine Islamisten mit Waffen unterstützen um Assad zu stürzen.

           

          Sag PKK, die sollen Eltern keine Kinder wegnehmen

        • D
          D.J.
          @Kaboom:

          Uninteressant. Wir machen einfach in 20 Jahren eine nette Gedenkfeier für die Jesiden. Kann man auch mit der Gedenkfeier des 40. Jahrestages zum Genozid in Ruanda zusammenlegen. Deutsche lieben Opfer, die nicht mehr stören. Und den Spruch "nie wieder darf..."

    • @Kaboom:

      Bei der LINKEN bedarf es keiner Vorschläge. Man hat einfach Recht. Das reicht. Denn die Partei hat immer Recht.

      • @JC Kay:

        Wie wärs, wenn sie ihren Nick in Platitüden-Experte umbenennen?

  • D
    D.J.

    Es scheint mir dringend nötig, den "Gewalt-erzeugt-immer-Gegengewalt"-Käßmann-Verstehern, die sich in den Kommentarspalten derzeit tummeln, etwas zu erklären. Nämlich das traditionelle schariatische Kriegsrecht, wie es im Laufe des 8./9. Jh. endgültig ausgeformt wurde (und für Interessierte in den Quellen der vier sunnitischen Rechtsschulen auch in Übersetzung nachzulesen ist). Wer wenn nicht ISIS richtet sich danach? Es besagt nicht, leg deine Waffen nieder, wenn der andere sich nicht wehrt. Es besagt, wenn sich der andere nicht wehrt, lassen wir ihm Leben und eine gewisse Freiheit, wenn wir weiterziehen, um die Dar al-Isam zu verbreiten. Gilt allerdings nur für Christen und Juden, nicht aber für angebliche Götzendiener wie Jesiden usw.. Was ist eigentlich daran so schwer zu verstehen?

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @D.J.:

      Gähn. Sie werden langweilig.

       

      Nachdem es grad mal 100 Jahre her ist, daß Deutschland zweimal hintereinander die halbe Welt ins Kriegschaos gestürzt und nebenbei noch 10 Millionen Juden, Sinti, Roma, Schwule, Behinderte, Kommunisten und andere systematisch ermordet hat, sollte man nicht unbedingt anderen Dinge vorwerfen, die schon 1000 Jahre alt sind und in der ganzen Zeit nicht annähernd so monströse Auswirkungen zur Folge hatten.

  • Die Position der LInkspartei, die nicht Waffen liefern wollen, ist interessant, denn es werden Waffen geliefert. Der Bundestag besteht aus einer 80-Prozent-Mehrheit, die nicht mal mit den Linken darüber debatieren müssen, wenn sie wollen. Deswegen tut die die Partei keinen Gefallen damit, eine Debatte zu führen, die ohne echte Relevanz ist.

     

    Dazu kommt noch, dass die Linkspartei gute Kontakte in die kurdische Szene verfügt und mit ihrem harten Friedensdiskurs dort für Erstaunen sorgen wird, sterben doch täglich Yesiden in den Bergen, bedroht von einer durchgeknallten, ultra-brutalen ISIS.

     

    Ich glaube, dass die Linkspartei eine problematische Zusammensetzung hat. Wer so viele ultra-idealistische und sonderbare Mitglieder hat, der hat immer viel zu tun - mit sich selbst.

     

    P.S. Ulla Jellpke ist auch für Waffenlieferungen an die Kurden. Ganz alleine ist Gysi nicht.

  • "Doch mit dem Vorstoß hat er ein wichtiges Ziel erreicht." - Nun ja, ob es ein erstrebenswertes Ziel war und ist, von Herrn Reinecke gelobt zu werden, steht ziemlich sicher dahin.