Kommentar Linke und die Kriegsfrage: Jenseits der Rechthaberei
Der Protest der Partei ist groß. Kaum jemand unterstützt Gysis Vorschlag, irakischen Kurden Waffen zu liefern. Mit dem Vorstoß hat er ein Ziel erreicht.
E igentlich verfügt Gregor Gysi über ein untrügliches Gespür, was der Linkspartei zumutbar ist. Er ist ein Virtuose des Konsens, der zusammenhält, was nicht unbedingt zusammengehört: sozialdemokratische Realos und linke Fundis zum Beispiel. Anscheinend hat nun sein Radarsystem versagt: Von Ausnahmen wie Jan Korte abgesehen, steht die Partei von rechts bis links gegen die große Integrationsfigur. Das ist neu.
Denn Gysi hat gleich zwei eherne und im Prinzip richtige Überzeugungen ins Wanken gebracht – nämlich strikt und immer gegen Waffenexporte aus Deutschland zu sein und grundsätzlich gegen jeden Krieg, der vage mit Imperialismus assoziiert wird. Angesichts des bestialischen Terrors der ISIS-Milizen möchte Gysi eine Ausnahme machen und, wenn es sonst niemand tut, unter anderem kurdische Verbände mit Waffen versorgen.
Angesichts der Welle der Empörung zieht der Fraktionschef es nun vor, diese Idee nicht zu wiederholen. Denn Frieden ist der letzte Identifiktionskern der Linkspartei. Die sozialen Themen – Hartz IV und Mindestlohn – haben an Strahlkraft verloren. Umso entschlossener wird bei Ost- und Westlinken mit der Friedensfahne gewunken. Man verteidigt den letzten Markenkern.
Hat Gysi verloren? Wankt gar sein Status, unverzichtbar für die Partei zu sein? Das mag so scheinen – aber zweimal nein. Vielmehr hat Gysi ein Ziel erreicht: nämlich die Debatte aufzubrechen. Angesichts des ISIS Terrors ist es etwas dürftig, Presseerklärungen zu verschicken, in denen routiniert die US-Bomben auf ISIS-Ziele verurteilt werden oder an die UN appelliert wird, bitte etwas zu tun.
Gysis Botschaft hingegen lautet: Es gibt moralisch zwiespältige Grenzsituationen, gegen die kein Parteiprogramm hilft. Und: Es reicht nicht, immer bloß Recht gehabt zu haben. Diese Idee ist aus der Flasche.
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