Kommentar Landtagswahlen: Sie kippen – nicht
Misstrauen, Angst und die Profillosigkeit der etablierten Parteien machen es der AfD leicht. Das ist die Lektion des Wahltages.
![Ein Pfeil zeigt nach rechts, eine Hand gestikuliert ein Stop Ein Pfeil zeigt nach rechts, eine Hand gestikuliert ein Stop](https://taz.de/picture/1064064/14/ovokuro_photocase8m4c5dz256161231.jpeg)
D ie Sieger dieser Wahlen vom 13. März 2016 sind die Angst, die Ausgrenzung und das Autoritäre. Die AfD als Senkrechtstarterin ist der Grund für dieses Ergebnis, die Ursache ist sie nicht.
Die Ursache ist, dass viele politische Spitzenkräfte den Glauben an sich und ihre Programmatik verloren haben. Sie misstrauen ihrer Parteibasis, sie misstrauen ihren Anhängern, sie misstrauen der Bevölkerung. Im Grunde misstrauen sie Deutschland. Den ganzen Wahlkampf lang glaubten sie nicht mehr an die Hilfsbereitschaft gegenüber Schutzsuchenden, an den Ehrgeiz und an die Geduld der Mehrheit. Stattdessen haben sie sich von morgens bis abends eingeredet, dass die Stimmung im Land kippt.
Dabei hat zusammengerechnet nicht mal ein Fünftel der Menschen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die AfD gewählt. Sie kippen nicht, sie stehen.
Aber statt zu begreifen, dass diese starke Mehrheit kein anderes System will, haben Vertreter des Staates auch noch das Geschäft der Gegner befördert. Als Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von der Herrschaft des Unrechts redete und Bundesinnenminister Thomas de Maizière von einer Schweigespirale, da drückten sie ihre Amtssiegel auf die Argumentationen der Rechtspopulisten.
Merkels Probleme wachsen
Noch verheerender war, dass keine echten Auseinandersetzungen geführt wurden. Die einzige für diese drei Bundesländer relevante Konfliktlinie verlief zwischen der AfD und allen anderen. So macht man seine Gegner groß.
Für die CDU steht noch nicht fest, ob sie aus diesem Wahltag mit Getriebeschaden oder nur einer zerbeulten Karosserie herauskommt. Angela Merkels interne Probleme werden von jetzt an jedenfalls noch größer. Die Paniker in der Union sehen in ihr die Mutter des Misserfolgs und sie werden sie als solche attackieren.
Die Grünen haben in Winfried Kretschmann immerhin einen Politiker, dem die Menschen vertrauen. Das ist viel. Das sensationelle Resultat des Superstars wird bei den Grünen auch die bundesweite Auseinandersetzung um den richtigen Kurs beeinflussen. Kretschmann wird mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 als unangreifbares Erfolgsbeispiel verkauft werden. Der Preis dafür ist hoch: das Verschwimmen der Differenzen zur CDU. Niemand hat etwas davon, wenn Grün und Schwarz zur dunkelgrünen Entengrütze zusammenflössen.
Denn die Abgrenzung darf eben nicht allein gegenüber der AfD stattfinden. Vielmehr müssen auch zwischen den anderen Parteien klare inhaltliche Linien verlaufen.
Sozialdemokratische Miniatur
Huch, und die SPD gibt es ja auch noch. Die haben wir ganz vergessen. Was offenkundig vielen an diesem Sonntag so gegangen ist.
Die SPD in Baden-Württemberg, einst stolze Partei mit Politikern wie dem Verfassungsvater Carlo Schmid, dem Nachdenker Erhard Eppler oder dem Energievisionär Hermann Scheer: kaum mehr Volkspartei. Die SPD in Sachsen-Anhalt, viele Jahre an der Landesregierung: eine Miniatur.
Die gelungene Aufholjagd von Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz kann nicht darüber hinwegtäuschen, das die Sozialdemokraten unter Sigmar Gabriel das Fiasko der Berliner Regierungsparteien komplettieren. Der SPD fehlt nicht nur gutes Personal. Ihr fehlen klare Konturen: in einem Wort die Unterscheidbarkeit.
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