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Kommentar Kredite für GriechenlandHilfen, die nicht helfen

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Der Umgang mit Athen bezeugt den Rückfall in nationale Narrative. Dabei ist Syriza eine echte Chance. Doch Europa und der Bundestag werfen sie weg.

Regen- oder Rettungsschirm? Bild: dpa

E uropa, das sollte einmal ein Kontinent werden, in dem unterschiedliche Kulturen zwar nicht verschmelzen, aber doch zusammenwachsen. Dahinter stand der Traum von der Abkehr vom alten Nationalismus hin zu einer europäischen Identität, in der jeder nach seiner Fasson glücklich werden sollte. Wenn wir uns Europa heute anschauen, dann ist davon nur wenig übrig geblieben. Der Umgang mit der griechischen Krise ist beispielhaft für den Rückfall in nationale Narrative.

Wenn der Bundestag am Freitag über die Griechenland-Hilfen abstimmt, ist ein mehrheitliches Ja sicher. Zugleich aber findet dort eine unterschwellige Abstimmung darüber statt, ob die bittere Medizin, die diesem verarmten Land verabreicht wird, auch in ausreichend schwarz-rot-golden geschmückten Flaschen verabreicht wird und ob der Athener Patient auch zur Genüge Dankbarkeit dafür zeigt. Ob der Kranke damit auch eine Chance zur Genesung hat, steht nicht zur Debatte. Eine Diskussion über supranationale Solidarität aller Europäer findet gar nicht erst statt. Es geht einzig um die Frage, ob die Griechen „ihre Hausaufgaben gemacht haben“, auf dass der Oberlehrer die Versetzung genehmigt.

Nein, hier wird keine bedingungslose Gießkannen-Solidarität verlangt. Selbstverständlich kann die Syriza-Regierung nicht einfach mit dem Eurokredit tun, was ihr gerade einfällt.

Aber so, wie diese Hilfsleistung verabreicht wird, ist ihr späteres Scheitern gewiss. Schon in wenigen Monaten wird Griechenland wieder klamm sein. Wie soll eine Regierung in dieser kurzen Zeit einen Plan entwickeln, mit dem sie die Korruption bekämpft, die Armut mindert, für neue Investitionen sorgt und auch noch Altkredite pünktlich zurückzahlt? Das wird nicht möglich sein. Und so ist absehbar, dass in wenigen Monaten der Bundestag erneut zusammentritt, um über neue Hilfen zu beraten, ohne dass sich die Strukturen in Athen verbessert hätten.

Man muss Syriza nicht mögen, aber die neue Regierung in Athen bietet eine große Chance. Mit ihr wäre es nach Jahrzehnten endlich möglich, das kriminelle Klientelsystem aufzubrechen und wenigstens für gutbürgerlich-kapitalistische Verhältnisse im Südosten Europas zu sorgen. Und was macht Europa, was treibt der Bundestag? Sie werfen diese Chance weg. Ihr Ja zu den Krediten ist in Wahrheit ein Nein zu einem Griechenland mit europäischer Perspektive.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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26 Kommentare

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  • In Griechenland scheint es ziemlich zu rumoren wegen dem Einknicken (müssen) Syrizas. Ob das gut ist wage ich zu bezweifeln. Die Morgenröte steht in den Startlöchern und sonst ist ja niemand mehr da dem die Leute ihr Vertrauen schenken

    • @fornax [alias flex/alias flux]:

      ..Ja..! Das schlimme ist, das die morgenröte sich aus `Antideutschen´ Ressentiments nährt... eben aus dem Zynismus/Arroganz der EU/BRD Kapitalverwalter...

      hmm.. kann ja sein das die Tragik sich in eine tragische Komödie hineinrettet...

  • Wer wollte eigentlich den EURO ? Das deutsche Volk hat ihn abgelehnt-, aber es wurde nicht gefragt. Unsere Wirtschaftsfunktionäre wollten ihn-, Kohl wollte ihn. Jetzt büßen die Völker für den Schwachsinn der Politik. Natürlch, wie immer hat die Politik keinen Ausweg, die haben stets nur einen "Einweg". Was soll man eigentlich von diesen Traumtänzern halten, die jetzt mit deutschen Überschüssen, die Defizite, der europäischen Nachbarländer bezahlen? Sind die eigentlich nur blöd,weil sie sich von den Oligarchen vor den Karren spannen lassen oder sahnen sie so nebenbei mit ab.

    • @Frost:

      Stimmt! Zumeist nur die PDS, Nachfolgepartei der SED und Vorgängerpartei der "DIE LINKE" meinte schon lange vor der AfD Stimmung gegen den Euro machen zu müssen und hat seinerzeit bei der Abstimmung für die Einführung des Euros dagegen gestimmt.

  • Wer sich diese Doku von Arte anschaut, hat hinterher einen klaren Blick auf die Misere:

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-02/griechenland-yanis-varoufakis-reformplaene-unbestimmt?commentstart=17#cid-4516352

      • @Friedrich Zoller:

        Ähm ... Das Video "Macht ohne Kontrolle Die Troika" ... Sie wissen schon darüber Bescheid, das heute im Bundestag darüber abgestimmt wird? Manchmal ist es auch so das ein Bürger einfach keinen Plan hat.

        • @Arcy Shtoink:

          Die heutige Abstimmung ist nichts, was irgendwie im Widerspruch zum Inhalt des Videos stünde.

          • @Friedrich Zoller:

            Ich hab mir das Zeug schon aufgrund des bescheuerten Titels nicht rein gepfiffen.

            • @Arcy Shtoink:

              Das ist ihr gutes Recht. Niemand ist gezwungen, sich über das staatlich verordnete Minimum hinaus zu bilden.

  • Ach ja, wir wollten ja auch über Syriza als Chance reden. Ja, Syriza ist eine Chance. Weil sie der Linken die Gelegenheit gibt, ihre neoliberale Vergangenheit zu hinterfragen. Nun, wo es endlich wieder eine Regierung gibt, die zu Gunsten der Verlierer handeln will, könnte man sich auch als Linker womöglich wieder etwas mehr anfreunden mit der Nation als solcher. Dass Griechenland erst mit einem Fuß über dem Abgrund stehen musste, damit die Linke merkt, dass ihre Pauschalverurteilung der Nation womöglich nicht zielführend war, ist schade aber nun nicht mehr zu ändern. Wir sollten wenigstens versuchen, das beste zu machen aus den Fehlern der Vergangenheit. Den Rechten das brachliegende Feld zu überlassen, ist jedenfalls auch keine Lösung.

    • @mowgli:

      Die Rechten sind bereits in der Regierung

  • Rückfall? Welcher Rückfall?

     

    Europa ist eine "Wirtschafts- und Währungsunion". Die Wirtschaft und die Währung aber sind nicht alles, was eine Nation ausmachen. Es war ein sogenannter Geburtsfehler der EU, dass sie den Fokus verengt hat auf zwei Einzelthemen. Nationale Unterschiede gab es schließlich nicht nur in Bezug auf die Kultur, sondern auch in Bezug auf die Interpretation des Begriffes Demokratie. Unter anderem.

     

    Ich denke, man kann die EU-Problematik vergleichen mit dem Phänomen Gender-Mainstreaming. Frauen und Männer gleichzustellen ohne sie gleich zu machen, ist bis heute nicht gelungen. Genau so wenig sind die europäischen Nationen gleichgestellt. Was man versucht hat ist, sie ökonomisch und finanziell gleich zu machen. Das musste nach hinten losgehen.

     

    Man hat, denke ich, das Pferd mal wieder von hinten aufgezäumt. In dem Bestreben, möglichst schnell zwei einzelne Ziele zu erreichen (es war damals, erinnere ich mich, viel von der "Gunst der Stunde" die Rede, die man unbedingt zu nutzen hätte), hätte man zunächst erst einmal darüber nachdenken müssen, was eine europäische Union eigentlich meinen muss abseits offener Märkte für Geld und Waren - und hermetisch abgeschlossener Grenzen für Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Rest der Welt). Das ist damals nicht passiert. Nicht, weil bereits "nationale Narrative" existiert hätten. Diese Narrative gab es gar nicht mehr. Der Neoliberalismus hatte nämlich gerade Hochkonjunktur. Mit der Folge, dass Nationen auf ihre Wirtschaft und ihre Währung reduziert wurden.

  • Wo bliebt der große Erklär-Bär in der Politik, der die Menschen mitnimmt in ein humanes besseres Europa???

    Unsere Politiker hecheln nur noch den BILD-Meinungen hinterher, statt selbst Meinung zu schaffen und zerstören dadurch das wohl größte, bislang erfolgreichste Friedensprojekt der Menschheit.

  • Die Demut der gegenwärtigen griechischen Regierung ist nicht entscheidend (wiewohl der Ton schon nervt). Ob sie werden ihre Reeder besteuern interessiert mich. Da sieht Varoufakis aber schon Schwierigkeiten und unterscheidet sich insofern nicht von den bisherigen Regierungsfamilien. Und nun droht er eben, nach ihm kämen nur noch die Faschisten, dabei koaliert er ja schon mit Rechtspopulisten, nicht vergessen.

  • "Wie soll eine Regierung in dieser kurzen Zeit einen Plan entwickeln, mit dem sie die Korruption bekämpft, die Armut mindert, für neue Investitionen sorgt und auch noch Altkredite pünktlich zurückzahlt?"

     

    Die Partei hinter der griechische Regierung hat vor der Wahl Zeit genug - Jahre! - gehabt um über Pläne zur Korruptionsbekämpfung nachzudenken. Schließlich war die Bekämpfung der Korruption ein zentrales Element der ach so neuen Politik.

     

    Wer erst nur labert und nach der Wahl erst anfängt über konkrete Umsetzungen nachzudenken hat Wählerverarschung betrieben.

  • Volle Zustimmung. Hinzu kommt: wenn die Syriza-Regierung scheitert, kommt danach in Griechenland nur noch die "Goldene Morgenröte", die dann wirklich den Beginn des "Untergangs des Abendlandes" einleiten könnte. Aber Schäuble & Co. denken eher: "keine Stimme der AfD", als wirklich auch nur ansatzweise an Griechenland und Eurpa zu denken. Ein Trauerspiel!!!

    • @Markus Maria Strobl:

      ja ein Trauerspiel oder Tragödie ein Volk von 10.000.000 Einwohner diktiert ein €uropa mit c300.000.000 Menschen jeder Grieche hat bis jetzt 20.000 € an Hilfe bekommen es ist ein schwacher Trost dass man jetzt sagte ja einigen Griechen gehts gut aber den meisten gehts schelcht da wird sich auch nix ändern wenn man weitere Milliarden ins Loch stopft die jetzige Regierung wird geradso scheiteren , wie dei letzte Sprüche nur Sprüche, jetzt mal neues Geld Im Sommer wieder un dich wette im Herbts hat sich nix geändert derweil steigt die Steuerlast der Deutschen von Jahr zu Jahr letztes Jahr musste der deutschen Arbeitnehmer m/W 2 Tage länger arbeiten um seine Abgabenlast zu tragen Rentenkürzung statt Wohlstandwahrung darüber sollte man mal nachdenken

      • @Georg Schmidt:

        Wäre ja eine gute Gelegenheit in Deutschland mal über gerechtere Steuern nachzudenken, statt über Griechen zu lästern.

        Denn es verhält sich mitnichten so dass unsere Steuerlast immer mehr steigt. Gerade die oberen Einkommen wurden in den Jahren unter rot-grün massiv entlastet und das vollkommen grund- und wirkungslos.