piwik no script img

Kommentar KohlekommissionDieser Konsens ist Nonsens

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Wenn die Regierung die Kohlekommission länger tagen lässt, sollten die Umweltverbände aussteigen. Und für das Kohle-Aus auf der Straße kämpfen.

Sich von den Ost-Bundesländern erpressen lassen? Nö. Lieber auf die Straße! Foto: dpa

D ie „Kohlekommission“ ist tot. Oder besser: Sie hat nie gelebt. Eigentlich wollte das Gremium der Bundesregierung schon nächste Woche einen Plan für den Kohleausstieg vorlegen. Jetzt soll sie länger tagen – darauf drängen die ostdeutschen Ministerpräsidenten. Wenn die Regierung dem jetzt nachgibt, dann begräbt sie damit die Hoffnung auf einen vernünftigen Kompromiss zum Ausstieg aus der Braunkohle.

Deshalb sollten die Umweltverbände, die beteiligten WissenschaftlerInnen und alle, denen der Klimaschutz wichtig ist, in diesem Fall die Kommission verlassen.

Es geht dabei um mehr als zwei Monate Verlängerung. Und auch um mehr als die nächste Peinlichkeit für Deutschland auf der anstehenden Klimakonferenz in Kattowitz, wo der Ausstiegs-Konsens vor der staunenden Welt verkündet werden sollte. Es geht um das Signal: Erst Jobs, dann Wachstum, dann lange nichts und vielleicht irgendwann als grüne Garnitur ein bisschen Klimaschutz.

Die Bundesregierung, das muss man ihr lassen, hat daran nie einen Zweifel gelassen. Von Beginn an hat sie von einer „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ gesprochen. Der Titel „Kohlekommission“ war Wunschdenken aus der Öko-Ecke.

Nächstes Jahr sind Wahlen in Brandenburg und Sachsen

Die Forderungen der ostdeutschen Länderchefs sind überzogen. Sie wollen 60 Milliarden Euro als Strukturhilfen, haben aber keine gute Idee, wofür. Straßen bauen, auf denen niemand fährt? Betriebe ansiedeln, die nicht von selbst kommen? Jetzt Jobs in 15 oder 20 Jahren garantieren, ehe über das Kohle-Aus geredet werden darf?

Manche ostdeutschen Regionen wie die Lausitz brauchen (wie andere arme Gegenden auch) dringend neue Investitionen, neue Ideen und milliardenschwere Strukturhilfen, keine Frage

Sie tun so, als müsse die Bundesregierung für alle Strukturprobleme ihrer Regionen gerade stehen. Das ist falsch. Die Kommission soll nur einen Ausgleich dafür finden, wenn Kohlekraftwerke früher als geplant vom Netz gehen. Aber in Sachsen-Anhalt zum Beispiel laufen die Tagebaue ohnehin 2035 aus, bis dahin wird es keinen Ausstieg geben. Wie kommt das Land also dazu, nach Finanzhilfen wegen eines vorgezogenen Kohle-Ausstiegs zu rufen?

Manche ostdeutschen Regionen wie die Lausitz brauchen (wie andere arme Gegenden auch) dringend neue Investitionen, neue Ideen und milliardenschwere Strukturhilfen, keine Frage. Auch ist nachvollziehbar, dass die Länderchefs diesen Hebel nicht aus der Hand geben wollen. Nächstes Jahr sind Wahlen in Brandenburg und Sachsen, da wollen sie punkten, vor allem auch gegen die AfD. Da stört ein Umweltthema nur. Und die Bundesregierung schiebt wieder mal eine Entscheidung beim Klimaschutz auf die lange Bank.

Das ist ihr schlechtes Recht. Aber alle Kommissionsmitglieder, die an eine gute Zukunft jenseits der Kohle glauben, sollten sich dafür nicht hergeben. Sondern die Ostdeutschen mit der Regierung ihren Kuhhandel machen lassen. Und dann auf der Straße, vor Gericht, durch Druck auf die Unternehmen und in den Parlamenten dafür sorgen, dass neben den Strukturmilliarden auch der Kohleausstieg kommt. Und zwar deutlich schneller, als ihn ein fauler Kompromiss in der Kommission bringen würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Siehe auch www.klimareporter....-nach-dem-dezember Bericht vom DNR Podium (26.11.18) + www.klimaretter.in...ukturwandeldebatte "Bitte keine Alibi-Veranstaltung!" (19.04.18)

    Energie-Wende & Klima-Schutz haben trotz öffentlich wortreicher Bekundungen in der GroKo Regierung de.wikipedia.org/w...Kabinett_Merkel_IV faktisch keine Lobby und selbst der Bundestagsausschuss f. Wirtschaft & Energie www.bundestag.de/wirtschaft ist ein zahnloser Tiger, solange man progressive Vorschläge dort einfach überstimmt. Gegen privat-ökonomisch fundierte Interessen dieser Lobbykratie kann eine zügige, konsequente Energie-Wende ohnehin nur von einer mutig engagierten Zivilgesellschaft mit den Medien und der Macht der Strasse durchgesetzt werden:



    www.klima-allianz....n-koeln-und-berlin "Kohle stoppen: Klimaschutz jetzt!" Doppel-Demo Köln + Berlin (01.12.18)



    www.klima-allianz....emen/kohleausstieg "COP 24: Deutschland aus dem Klimaabseits holen" (8S. 19.10.18) + "WANN, wenn nicht jetzt: Maßnahmenprogramm Klimaschutz 2030" (60S. 15.11.18)

    Wenden Sie sich an Wahlkreis-Vertreter + schreiben Sie an Ministerien & Abgeordnete; konfrontieren & verunsichern Sie v.a. notorische Bremser sowie Vertreter von IG-BCE u.a. Gewerkschaften, die so viele Arbeitsplätze in jenen Branchen verspielen, die künftig verteilte BHKW + Nahwärme-Netze, Erdwärme-Speicher, Wärmepumpen, Wechselrichter, Windkraft- & Biogasanlagen uvm. herstellen & warten möchten.

    Vielleicht lässt sich ja sogar Frau Merkel gewinnen, zum Ende Ihrer Amtszeit noch einmal mit Richtlinienkompetenz und einem entschlossenen "Wir schaffen das!" für den Kohle-Ausstieg einzutreten, um doch noch als Klima-Kanzlerin in die Geschichte einzugehen ? -- Das wäre doch was !

  • Statt einen lauen Konsens zu suchen, über den sich unsere von der Kohle-Lobby am Nasenring geführte Regierung sowieso hinwegsetzen wird, ist Kohle-Kommission wohl besser als Forum zu nutzen, um auch ambitionierte Ziele & progressive Vorschläge auf die Agenda zu setzen und die Politik zu entschlossenerem Handeln anzutreiben, z.B. konfrontiert mit striktem Minderheits-Votum der Umweltverbände für eine überfällige CO2-Abgabe zur Entlastung der EEG-Umlage, wie im Vorschlag des WWF:



    -> www.wwf.de/2018/ma...-den-kohleausstieg WWF-Studie CO2-Mindestpreise (19.03.18)



    -> www.wwf.de/2018/ju...ische-energiewende WWF-Positionspapier europäische Energiewende (18.06.18)



    -> co2abgabe.de Videos + CO2-Abgabe Rechner + Online-Petition



    -> www.klimaretter.info/24090 sozialverträgliche CO2-Abgabe (07.01.18 + weiterführende Links)



    -> www.energybrainpoo...CO2-Steuer_BEE.pdf "Wirkungsweise einer CO2-Steuer im Strommarkt" (42S. 21.11.17 Energy Brainpool)

  • "Betriebe ansiedeln, die nicht von selbst kommen" war in der Vergangenheit ein probates Mittel Strukturwandel herbeizuführen. Genau genommen, sind die einzigen Beispiele für einen erfolgreichen Strukturwandel (Stichwort Bayern) genau mit diesem Ansatz herbeigeführt worden.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Aron Gabriel:

      ...Strukturwandel, Stichwort Bayern: Rodenstock und Schott hatten Betriebe im Bayerischen Wald, waren dort die Hauptarbeitgeber, mit mehreren tausend Beschäftigten. Nach dem Fall des sog. Eisernen Vorhangs und dem damit verbundenen Wegfall der sog. Grenzlandförderung, verabschiedeten sich auch die beiden Firmen und produzieren seither in Tschechien oder Ungarn.



      Was allerdings in Bayern gut funktioniert, die Ansiedlung von Firmen im Raum München.