Kommentar Klimastudie und Erneuerbare: Der blinde Fleck
Eine neue Klimastudie macht Hoffnung. Doch eine Energiewende wird nur erreicht, wenn mehr Öko-Energie auch bedeutet: weniger dreckige Energie.
M an wird ja wohl noch träumen dürfen. So liest sich die Studie, die die Agentur für erneuerbare Energien (Irena) für die Bundesregierung zur jährlichen Konferenz zum „Energiewendedialog“ erstellt hat. Die globalen Klimaziele sind demnach noch zu erreichen – wir müssen uns nur alle richtig anstrengen: Wind- und Sonnenenergie sechsmal (!) so schnell ausbauen wie bisher, die Häuser dreimal schneller renovieren, weltweit den Ökostrom-Anteil von 25 auf 85 Prozent hieven, ein Drittel mehr Geld investieren.
Nichts gegen Träume. Gerade in der Klimapolitik gilt: Wer keine Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Aber fragwürdig an der Studie ist, dass mit ihr die globale Energiewende auf den gleichen gefährlichen Kurs gerät wie in Deutschland: Die Chancen werden betont, die „Win-win-Optionen“ und der Zubau der Öko-Energien, der ein gutes Geschäft ist.
Schamhaft verschwiegen wird dagegen, dass eine Energiewende nur dann etwas für den Klimaschutz erreicht, wenn mehr Öko-Energie bedeutet: weniger dreckige Energie. Wenn also klar gesagt wird, wann und wie Kohle, Öl und Gas verschwinden müssen. In Deutschland entwertet dieses Paradox die Energiewende: Milliarden für Windräder ausgeben, aber die Emissionen trotzdem nicht senken, weil weiter viel Kohle verbrannt wird.
Im Irena-Gutachten ist dieser Zusammenhang sogar gut versteckt erwähnt. Thematisiert wird er nicht. Denn er würde die Bundesregierung bei ihrer Selbstdarstellung stören, internationaler Vorreiter bei Energiewende und Klimaschutz zu sein. Aber diese Koalition schafft es nicht einmal, ihre Klimaziele für 2020 zu erreichen, weil sie sich nicht traut, den Autofahrern und der Kohlelobby auf den Schlips zu treten – und fordert dann einen weltweiten Aufstand? Das sollte sie Ländern überlassen, die mit Revolutionen Erfahrung haben. Großbritannien hat angekündigt, es wolle prüfen, ob es einen ernsthaften Klimaschutz in Richtung 1,5 Grad Erderwärmung gesetzlich festschreibt. So geht Energiewende.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!