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Kommentar Klimaschutz und LuftverkehrZahnlose Grüne

Dass die Grünen sich beim Hamburger Luftverkehr in Koalitions-Geiselhaft nehmen ließen, zeigt die Machtlosigkeit der Ökopartei bei zentralen Themen.

Klimaschädlich und den Reichen vorbehalten: Der Kerosinverbrauch durch das Fliegen Foto: dpa

Es ist ein Tabuthema. Der – auch in Hamburg – ständig wachsende Flugverkehr und seine Auswirkungen auf das Klima werden in den klimapolitischen Debatten der Hamburger Landesregierung komplett ausgeblendet. Das hat zwei Gründe: Die Eingriffsmöglichkeiten einer Landesregierung auf das Flugaufkommen sind klein, groß ist aber die Angst, man könne Axt an die Leistungsfähigkeit der Hamburger Wirtschaft legen, wenn man das Fliegen einschränke oder teurer mache.

Doch wo ökologisch verträgliches Flugbenzin noch fernab von jeder Marktreife ist, schließen sich ein Weiter-so-Wachstum und die Rettung des Weltklimas aus. Dieser Erkenntnis muss sich die Politik stellen. Und sie muss danach handeln. Im Klartext: Gelingt es Hamburg nicht, die Flugverkehrs-Emissionen spürbar zu reduzieren, kann die Stadt ihre Klimaziele gleich in der Elbe versenken.

Dass neben CDU, FDP und AfD auch die SPD beim Thema Einbeziehung der Luftfahrt in die Klimapolitik alle Vorstöße der Linken, so unzureichend sie auch sind, ohne Ausschuss-Debatte vom Tisch wischte, ist kaum nachvollziehbar.

Dass sie das tat, ohne einen eigenen Vorschlag auf den Tisch zu packen, bietet Anschauung dafür, warum nach Umfragen nur noch zwei Prozent der WählerInnen glauben, diese Partei habe die besten Zukunftslösungen.

Dass auch die Grünen keine Lösungen parat haben und sich bei der Abschmetterung des Antrages in Koalitions-Geiselhaft nehmen ließen, zeigt die Zahn- und Machtlosigkeit der Ökopartei auch bei zentralen Themen. Der Vorgang bietet so einen Vorblick darauf, dass sie viele der ihr gerade in Scharen zulaufenden WählerInnen auch in Zukunft immer wieder enttäuschen wird.

Fakt ist: Fliegen muss teurer werden, etwa durch eine CO2- oder eine Kerosinsteuer. Die so entstehenden Mehreinnahmen müssen vollständig in Klimaprojekte fließen, die die Luftverkehrs-Emissionen komplett kompensieren und sonst nicht finanzierbar wären.

Wer behauptet, Fliegen zu verteuern sei unsozial, unterschlägt, wie asozial die gegenwärtige Flugpraxis ist: Zwar ist der Flugverkehr weltweit für nur etwa drei Prozent der Treib­hausgase verantwortlich – aber auch nur etwa drei Prozent der Menschheit sind im vergangenen Jahr geflogen.

Würden nicht 97 Prozent auf dem Boden bleiben, wäre der Klimakollaps schon längst Realität. Denn an einer wissenschaftlich unbestrittenen Tatsache führt keine Debatte vorbei: Fliegen ist und bleibt die klimaschädlichste, aber auch die elitärste Transportform des Menschen.

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9 Kommentare

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  • Ja, Fliegen ist maximal umweltschädlich. Leider gibt es keine CO2 neutrale Form des Reisens. Selbst die Bahn verursacht riesige Mengen CO2. Im aktuellen Spiegel erklärt der Eisenbahnexperte Karlheinz Rößler warum das so ist. Z.B. verursachte der Bau der Tunnelanlagen auf der Neubaustrecke Nürnberg – Erfurt 30.000 Tonnen CO2 pro Kilometer Tunnel. Um diese Emissionen wieder gutzumachen, muss auf dieser Strecke 30 Jahre lang vom Flugzeug auf die Bahn umgestiegen werden. Bahn ja. Aber bitte ohne diese irren Hochgeschwindgkeitsstrecken.

  • Wieder mal typisch: Alle Parteien außer den Linken sind sich einig - das ist schlimm. Aber eingeprügelt wird in diesem Forum ausschließlich auf die Grünen, die halt - als Koalitionspartner - an Kompromissentscheidungen nicht vorbeikommen.

    Sie könnten natürlich auch die Koalition platzen lassen. Und dann?

  • 8G
    80537 (Profil gelöscht)

    Da braucht es nicht erst Hamburg. In Berlin könnte schon längst das Skandalprojekt BER eingestellt und zu Wohnraum umgewidmet sein, wenn es jemand von Rot-Rot-Grün ernst meinen würde mit der Verkehrswende.

    • @80537 (Profil gelöscht):

      Das Tempelhofer Feld wird ja auch nicht zu Wohnraum... Weil die Typen, die sich über steigende Mieten beschweren, dort lieber Drachen steigen lassen...

  • FFF wird den Grünen Beine machen - Grüne müssen nun liefern!

  • Das Problem der Grünen, Anspruch und Wirklichkeit miteinander zu vereinbaren ist so alt, wie die Partei selbst. In der Opposition werden radikale Ideen als Lösung verkauft, sobald sie jedoch Regierungsverantwortung übernehmen wird eine Politik betrieben, die merklich konservative Merkmale aufweist. Die Schuld haben dann immer die Koalitionspartner und wenn das nicht geht, wird halt auf die eigenen Leute (Palmer, Kretschmann etc.) medienwirksam eingeprügelt. Echte Glaubwürdigkeit geht anders...

  • Tja.

    Liebe Grüne -- wenn Ihr nicht mal in Eurer Kernkompetenz die Klauen zeigen könnt, dann ist das schon enttäuschend.

    Dankt der Linkspartei, dass die den Job für Euch tut. Solange das so ist, ist's klar, wen ich wähle und wen nicht.

    Anders ausgedrückt: bei der Transformation, die wie *jetzt* anpacken müssen stehen einige unbequeme Entscheidungen an, die wir mit viel Augenmass und Sorgfalt gerade in Hinblick auf die Schwächsten unter uns treffen müssen.

    Besser jetzt mit einer der leichteren Übungen (Flugverkehr) anzufangen. Die schwierigeren Übungen stehen noch bevor!

  • Das ist die Wirklichkeit der Habeck-Baerbockschen Grünen. Den HH Grünen jetzt vorzuwerfen, sie seien Zahnlos ist lächerlich. Die Grünen der Hansestadt haben sich vor langen Jahren - gefördert durch die taz - ihre Zähne selber gezogen. Damit bedient sie ihre Klientel, die getrennt Plastikmüll sammelt und dann munter online weiter shoppen geht. Das Ende sieht man in Baden-Württemberg mit einem Mischterpräsidenten, der der Autoindustrie willig dem Rücken beugt und dessen Tübinger OB rassistische Ressentiments bedient - das bringt Wähler!

  • Und von der Stadtbahn, die ja ein wichtiger Baustein einer zu finanzierenden Verkehrswende in Hamburg wäre, haben sich die Grünen offensichtlich ja auch unter dem Diktat der SPD verabschiedet. Hoffentlich ist ihnen klar, dass sie nach der nächsten Wahl, sei es mit oder ohne eine grüne Bürgermeisterin, liefern müssen. Sonst sind sie genau so schnell wieder da, wo sie bei der letzten Bürgerschaftswahl waren.