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Kommentar Klausurtagung SPDPolitik für die Mitte

Kommentar von Tobias Schulze

Die Einführung des Mindestlohns brachte kaum Wählerstimmen; nun will die SPD die arbeitende Mitte ansprechen. Die Ideen sind unausgereift.

SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Ziel-Klientel, einem Unternehmen für Tunnelbohrungen. Bild: dpa

D ie „arbeitende Mitte“ soll die SPD zurück zum Erfolg führen. Auf ihrer Klausur in Nauen beschloss die Parteispitze, künftig Politik für Berufstätige mittleren Alters zu machen. Teilzeitmodelle für Arbeitnehmer mit Kindern etwa schweben den Sozialdemokraten vor, finanziert durch Steuergeld. Eigentlich eine gute Idee.

Irgendwie muss die Partei schließlich aus ihrem Umfragetief heraus. Den Mindestlohn einzuführen war richtig, das sieht die Mehrheit der Wähler so. Aber nur ein Bruchteil profitiert von der neuen Lohnuntergrenze. Kein Wunder also, dass das Gesetz der SPD kaum neue Stimmen bringt.

Es müssen also neue Ideen her, solche, von denen auch Normalverdiener profitieren. Sie sollen sich durch die Phrase der arbeitenden Mitte angesprochen fühlen. Um diese Gruppe zu bedienen, muss die Partei nicht mal von ihrem eigentlichen Kern abrücken: Den durchschnittlichen Arbeitnehmer weniger arbeiten zu lassen, ihm dafür mehr Zeit mit den Kindern zu geben, das Berufsleben also humaner zu gestalten, ist schließlich klassische Sozialdemokratie.

Erst mal muss die SPD aber tatsächlich liefern. Ein „Themenlabor“ will sie für ihren Vorschlag einrichten, hieß es in Nauen. Solche Labore unterhält das Willy-Brandt-Haus schon zu diversen Themen, seit Monaten, bisher aber mit wenig greifbaren Ergebnissen.

Und so schön die Idee der Familienteilzeit klingt: Auf eine Finanzierung muss sich die SPD erst einigen. Eine Arbeitszeitverkürzung für Normalverdiener auf Kosten der Geringverdiener wäre nicht sonderlich sozialdemokratisch. Eine Vermögensteuer zur Finanzierung neuer Projekte hat aber der Parteichef persönlich für tot erklärt. Bevor die SPD mit ihrer Idee in den Wahlkampf ziehen kann, hat ihr neues Labor noch einiges zu tun.

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7 Kommentare

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  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Unser WM läßt sich vor den Karren eines dubiosen Vereins spannen und glaubt allen Ernstes Programmiersprachen seien ein Schlüssel zum Verstehen der Welt:

     

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/schulfach-wirtschaft-sigmar-gabriel-fordert-oekonomie-in-lehrplaenen-a-1017740.html

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Die Umkehrung des Trends zur Spreizung der Einkommen und Vermögen - das wäre das Programm der SPD für die nächsten Jahrzehnte. Trotz des zu erwartenden medialen shitstorms und vielleicht Rückschläge bei den Wahlen.

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Die SPD hat jegliche Strahlkraft verloren und wird sie unter Leuten wie Gabriel auch nicht wiedererlangen. Daran können auch eine handvoll sozial klingender, letztlich unausgegorener Ideen nichts ändern.

    Die SPD (oder eigentlich die ganze europäische Sozialdemokratie) steckt zurecht in der Krise, weil sie zur Politik der Konservativen keine wirkliche Alternative anbietet. Ein popeliger Mindestlohn von 8,50€, so richtig er ist, ist in der Summe eben doch ein bisschen wenig.

    Die Marginalisierung der griechischen Sozialdemokratie, die absehbare Marginalisierung der französischen, spanischen und niederländischen Sozialdemokratie, der damit einhergehende Aufstieg linkssozialistischer oder rechtsextremer Parteien sollte der SPD sehr zu denken geben. Sonst wird sie in Zukunft von Wahlergebnissen wie dem von 2013 nur noch träumen.

    • @628 (Profil gelöscht):

      Die SPD denkt und lernt nicht. Das ist - leider - ihr Kernproblem und diese Borniertheit symbolisiert kein Politiker so deutliche wie Siegmar Gabriel.

  • Die SPD hat mit 25,7 Prozent 2013 wohl kaum einen großartigen Auftrag der Wählerinnen erhalten. Aber das spielte keine Rolle: Die Partei tat so, als ob sie einen Kanzler stellen könnte. Nun fabulieren sie mehr oder weniger DGB-artige Thesen für Arbeitnehmer über 45 Jahren. Was soll dabei denn rauskommen?

     

    Wählt jemand die SPD, weil die ihm irgendwelche Modelle in Aussicht stellt? Die meisten Normalverdiener haben das Problem, dass sie gar nicht mehr so 'normal' verdienen, sondern stagnierende oder gar sinkende Löhne zu verzeichnen, zu verkraften haben.

     

    Mit Steuererleichterungen würde die SPD nur diese Niedriglöhne weiter subventionieren, also erdenkt sie sich Modelle, die am Ende wenig kosten, weil sie nur auf wenige Menschen anwendbar sind.

     

    Und wer soll sie überhaupt durchsetzen? Selbst wenn die Grünen 9 oder 10 Prozent erreichen, wäre das nicht ausreichend, um eine rot-grüne Mehrheit zu Wege zu bringen. Damit wären die SPD-Ideen eben nur dies: Ideen. Und für die wird man nicht gewählt, sondern für realistische Ziele.

     

    Der Normalverdiener will eigentlich nur zurück zur sozialen Sicherheit, die er bis 2003 bzw. 2005 in Deutschland hatte. Normalverdiener hatten bis zur Riester-Reform auch genug Geld im Alter, auch dies wünscht sich der Wähler zurück. Nur: Die SPD wird das nicht mehr rausrücken. Deswegen kommt sie über 25 Prozent auch nicht mehr hinaus.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      Sie haben völlig recht: Ohne realistische Machtoption nimmt die Ideen der SPD ohnehin keiner Ernst. Und weil man mit der Linken auch 30 Jahre nach der Einheit nicht koalieren wird, kann sie sich ihre Labore eigentlich schenken. Die CDU dürfte gute Chancen haben, 2017 tatsächlich die absolute Mehrheit zu erzielen. Wenn nicht, kommt halt Schwarz-Grün. Und dann... Die CDU wird auf jeden Fall nicht so blöd sein, sich erst in 30 Jahren auf eine Koalition mit der AFD einzulassen.

  • Wir brauchen die neoliberale und unglaubwürdige sPD nicht (mehr). Sozialdemokratische Politik macht ausschließlich die Partei DIE LINKE. Und die wähle ich.