Kommentar Kavanaugh-Anhörung: Männlich, aggressiv, unantastbar
Versuchte Vergewaltigung wird Trumps Supreme-Court-Kandidat vorgeworfen. Die Zeugin ist glaubhaft, Kavanaugh könnte aber durchkommen.

W äre Brett Kavanaugh eine Frau, dann hätte er sich bei am Donnerstag schon in den allerersten Momenten seiner Anhörung für das Oberste Gericht disqualifiziert. „Hysterisch“, „schrill“ und „emotional“ hätte der Chor jener befunden, die ihm jetzt zu Füßen liegen.
Aber Kavanaugh ist ein Mann. Und er gehört zu einer weißen Washingtoner Elite, die ihre Privilegien und ihr Geld, ihre Seilschaften, Privatschulen und Machtpositionen für gottgegeben hält. Und er hat die Rückendeckung von Donald Trump, der in dem konservativen Richterkandidaten Kavanaugh die Möglichkeit sieht, seine eigenen politischen Ziele in das Oberste Gericht zu tragen.
Das Bild, das Kavanaugh am Donnerstag vor dem Justizausschuss des Senats abgegeben hat, ist weit von dem Temperament und den Tugenden entfernt, die gemeinhin von RichterInnen – und erst recht von Obersten RichterInnen am Supreme Court – erwartet werden. Da war keine Spur von Weisheit, von Mäßigung, von Demut. Sondern nur Aggressivität, Selbstgefälligkeit, verletzte Eitelkeit und eine unglaubliche Wut darüber, dass jemand es gewagt hat, seine Integrität in Zweifel zu ziehen.
Das allein sollte reichen, um jemand anderen für das Oberste Gericht zu suchen. Erschwerend kommt hinzu, dass Christine Blasey Ford, die Psychologieprofessorin, die Kavanaugh einer versuchten Vergewaltigung bezichtigt, so glaubwürdig und überzeugend wirkte, dass selbst Republikaner sie am Ende lobten. Blasey Ford und Kavanaugh zeigten am Donnerstag einen geradezu klassischen Geschlechterunterschied: Sie wählte die leisen Töne, und gab offene Fragen zu; er wütete selbst dann, wenn er über sein eigenes Los jammerte und versprühte toxische Maskulinität.
Mit ihrem Auftritt wider Willen hat Blasey Ford anderen Frauen Mut gemacht. Sie wird damit in die Geschichtsbücher eingehen – wie vor ihr Anita Hill, die 1991 über den damals angehenden Obersten Richter Clarence Thomas aussagte, dass er sie sexuell belästigt habe.
Trotz der verheerenden Vorwürfe ist die Chance, dass Kavanaughs Bestätigung als Oberster Richter noch verhindert werden kann, gering. Gut einen Monat vor den Midterm-Wahlen drängt Trump seine RepublikanerInnen zu Taten. Und die haben in ihrer großen Mehrheit klar gemacht, dass sie sich von den DemokratInnen in „einen Hinterhalt“ getrieben fühlen.
Damit bleibt der wahrscheinlichste Ausgang des bitteren Hearings vom Donnerstag, dass ein Mann, der die politischen Positionen der RepublikanerInnen des Jahres 2018 vertritt – von der Verteidigung von Schusswaffen, über die Bekämpfung von Gewerkschaften und die Aushöhlung des Rechts auf Abtreibung – und der dem Präsidenten die zusätzliche Sicherheit gibt, dass er keine Ermittlungen gegen ihn will, auf Lebenszeit die entscheidende Stimme am Obersten Gericht werden wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart