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Kommentar Hollandes SicherheitsgesetzeMarine Le Pen freut sich

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Machtfülle des französischen Präsidenten wächst weiter. Er kann künftig die Demokratie außer Kraft setzen. Das könnte böse Folgen haben.

Marine Le Pen zeigt nach rechts — wohin auch sonst? Foto: dpa

S einen markigen Worten folgen nun markige Taten. François Hollande präsentiert sich seinen Landsleuten in diesen Tagen als unerschrockener Präsident, der dem Terror nicht nur mit martialischen Worten begegnet. Doch der Kampf gegen den Terror birgt stets auch die Gefahr irreparabler Kollateralschäden.

Mit Härte im Äußeren wie im Inneren will er der Grande Nation jene Sicherheit zurückgeben, die sie durch die Anschläge von Paris verloren hat. Das entspricht dem Bedürfnis vieler Französinnen und Franzosen. Sie erwarten zu Recht von ihrem Präsidenten, dass er ihnen größtmöglichen Schutz vor der dschihadistischen Bedrohung bietet. Gesetzesverschärfungen sind aber ein gefährliches Mittel.

„Liberté, Égalité, Fraternité“ lautet der Wahlspruch Frankreichs. Es ist das kostbare Gut der demokratischen Zivilgesellschaft, das es gegen die dschihadistische Bedrohung zu verteidigen gilt. Damit verträgt sich jedoch weder eine gesetzliche Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte noch die Ausweitung präsidialer Rechte.

Schon jetzt besitzt Hollande eine Machtfülle, wie sie beispiellos in westlichen Demokratien ist – ein Erbe Charles de Gaulles‘.Aus gutem Grund hat sich Recep Tayyip Erdoğan das Präsidalsystem Frankreichs zum Vorbild für seine autoritären Staatsumbaupläne der Türkei erkoren.

Im Notstandsfall kann der französische Präsident sogar die Demokratie vorübergehend außer Kraft setzen. Letztlich kann dann allein das demokratische Bewusstsein des Präsidenten seine Machtfülle noch wirksam begrenzen. Um sich darauf nicht verlassen zu müssen, müssten ihm eigentlich Rechte beschnitten werden. Hollandes innenpolitischer Aktionismus geht genau in die andere Richtung.

Das könnte fatale Folgen haben. Die nicht völlig abwegige Vorstellung, Marine Le Pen könnte einmal in den Élyséepalast einziehen, wird so noch gruseliger. Einen Hinweis, wie groß diese Gefahr ist, dürften die Regionalwahlen Anfang Dezember liefern.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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6 Kommentare

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  • Phänomenal, was ich hier an Kommentaren lese!

     

    Wir „Deutschen“, die wir ja historisch seit Ewigkeiten dafür bekannt sind, für die Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie Kopf und Kragen zu riskieren, werfen den „Franzosen“ vor, dies alles für ein bisschen mehr Sicherheit aufzugeben?!?

     

    Auch in der französischen Geschichte der letzten Jahrhunderte gab es jede Menge erschreckende und durch nichts zu rechtfertigende Vorgänge. Wenn es aber darum ging, elementare Rechte gegen die eigene Regierung zu erkämpfen oder zu verteidigen, haben „wir Deutschen“ gegenüber den „Franzosen“ einen gewaltigen Nachholbedarf.

     

    Meine Prognose ist: Mit der gleichen Vehemenz, wie jetzt ein sehr großer Teil der französischen Bevölkerung die jetzigen Maßnahmen gutheißt, wird sie deren Revision einfordern, wenn sich der Alltag (hoffentlich) wieder normalisiert hat.

  • Wenn alte Männer u. Frauen - nur - noch von Angst getrieben..................!?

     

    Frankreich, ein WEITERES Land der westlichen "WERTE(!?)gemeinschaft" verabschiedet sich von der Demokratie.

     

    Die alten Männer und Frauen sehen sich wohl soweit gescheitert, als das SIE wirklich das Land dem Militär, der Polizei und den Geheimdiensten in der Vorstellung überlassen, dass DIE die ganzen Versäumnisse heilen??

     

    Wer den Ausnahmezustand als "Therapie" gegen den Terrorismus erkennen will, braucht wohl starke Tabletten!?

     

    ... u. gegen die ganzen Rechtsbeugungen geht niemand auf die Straße??????

  • Anstatt dass wir de Mazière darin folgen es Hollande gleich zu tun und auch bei uns die Demokratie zu reduzieren, sollten wir alles daran tun, in Frankreich die Demokratie zu stärken.

    Terrorismusbekämpfung und die Aufhebung demokratischer Rechte hat nichts miteinander zu tun. Die Polizei hat bereits jetzt umfangreiche Vollmachten, die sie gegen Terroristen einsetzen kann.

    Jede Macht, die ein Präsident hat - ob Hollande, Erdogan oder Obama - die nicht kontrolliert wird, wird missbraucht. Daher ist die Kontrolle so wichtig. Marie le Pen mag da ein grösseres Schreckgespenst sein - aber es ist kein bisschen besser, wenn Hollande Foltern lässt, Menschen verschleppt und die Opposition ausschaltet. Noch hat der Apparat Hemmungen - wenn sich Hollande und die Sicherheitsbehörden aber einmal an ihre diktatorischen Rechte gewöhnt haben, wird der Missbrauch immer weiter zunehmen.

    Die Aufhebung der Demokratie in Frankreich ist schlimmer als Orbán in Ungarn oder Pegida in Deutschland. Wenn die EU eine Diktatur mitten in Europa nicht verhindern kann, hat sie ihre Existenzberechtigung verloren!

  • Tja. Hollande bereitet den Boden, auf dem Le Pen in einigen Jahren schalten und walten wird. Der Mann ist einfach nicht fähig, die Konsequenzen seines Tuns zu bedenken.

    • @Kaboom:

      „(…) wenn von dem schlimmsten Massaker der französischen Nachkriegsgeschichte gesprochen wird, dann stimmt das nicht. (…)“

       

      http://www.deutschlandfunk.de/anschlaege-von-paris-die-folgen-gescheiterter-integration.720.de.html?dram:article_id=337053

      • @Gion :

        "(...) Im Oktober 1961 erschossen, erschlugen und ertränkten französische Polizisten hunderte Algerier, die in Paris - zwar behördlich nicht genehmigt - dennoch aber friedlich demonstrierten.

         

        Auch damals befand sich Frankreich im Krieg, der erst mit den Verträgen von Evian beendet werden konnte.(...)