Kommentar Gysi-Rückzug: Nun erst recht übers Regieren reden
Für die die Linke birgt der Rückzug von Gregor Gysi eine Chance. Die Partei muss in ernsthafte Diskussionen um ihren Kurs einsteigen.
E r geht also. Gregor Gysi gibt den Fraktionsvorsitz ab. Auf den ersten Blick eine schlechte Nachricht für die Reformer in der Linkspartei, die irgendwann regieren wollen: Mit Gysi stand schließlich der prominenteste Vertreter ihres Lagers an der Fraktionsspitze. Auf den zweiten Blick haben die Realos aber Grund zur Freude, denn die Debatte um eine linke Regierungsbeteiligung könnte endlich Fahrt aufnehmen.
Gysi mag seit der Bundestagswahl 2013 zwar den Ehrentitel des Oppositionsführers tragen. Inhaltlich geführt hat er zuletzt aber nicht einmal seine eigene Fraktion. Das Amt des Fraktionschefs definierte er anders: Er wollte nicht vorangehen und für kontroverse Positionen kämpfen. Er wollte seinen Laden zusammenhalten und stets Kompromisse zwischen den verfeindeten Parteiströmungen finden.
Das führte zeitweise zu einer seltsam unpolitischen Haltung. Das pauschale Nein der Linkspartei zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr zum Beispiel ist eines der größten Hindernisse für Rot-Rot-Grün. In Interviews mahnte Gysi deshalb vor dem Parteitag, die Linke müsse ihre Position überdenken. Welche Art von Einsätzen er für akzeptabel hält, wollte er aber partout nicht verraten.
Damit machte er es den Gegnern einer Regierungsbeteiligung zu einfach: Sie müssen gar nicht erst konkret erklären, warum die Bundeswehr weder mit hundert Soldaten im Kosovo stehen noch syrische Chemiewaffen vernichten darf.
Kein Blatt vor den Mund nehmen
Das könnte sich jetzt ändern. Als einfacher Abgeordneter steht Gysi zwar nicht mehr täglich vor den Kameras. Sein Wort ist in der Partei aber weiterhin etwas wert, und auf die Befindlichkeiten der verschiedenen Parteiströmungen muss er in Zukunft weniger Wert legen. Als Elder Statesman wird er kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Damit könnte er seine Partei zu einer ernsthaften Diskussion zwingen.
Und Gysis Nachfolger, die voraussichtlich Sahra Wagenknecht und Dietmar Barsch heißen werden? Wagenknecht wird einen Teufel tun, eine rot-rot-grüne Koalition vorzubereiten. Sie wird weiterhin den linkesten Teil der Linken bedienen; in einer Art Arbeitsteilung, von der Bartsch profitiert: Er muss den Fundamentaloppositionellen nicht den Bauch pinseln. Mit ihm stünde also ein Reformer an der Fraktionsspitze, der ohne Drucksereien für eine linke Regierung werben darf.
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