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Kommentar Grünen-Pläne für die BahnEin klares Jein

Kommentar von Wolfgang Mulke

Die Grünen wollen die Deutsche Bahn als Konzern entflechten. Klingt gut. Aber ohne eine Untersuchung der Folgen und Kosten wird es nicht gehen.

Politik der 1. Klasse: Bislang hat die Bahn allen Versuchen der Zerschlagung trotzen können Foto: reuters

D ie Forderung der Grünen nach einer Entflechtung des Bahnkonzerns ist nicht neu. Sie erscheint auf den ersten Blick plausibel. Wenn der Staat die Infrastruktur übernimmt, hat er die Kontrolle über die Milliardensummen, die er dafür ausgibt, und er kann das Geld dort einsetzen, wo es im Sinne des gesellschaftlichen Nutzens am besten ist.

Auf dem Papier ist dies zwar auch heute schon gesichert, weil es die Zuschüsse für Schienenwege und Brückensanierungen nur gegen garantierte Qualitätsstandards gibt. Doch in der Praxis weiß wohl niemand genau, ob die Bahn nicht Lücken im Vertragswerk zur Querfinanzierung anderer Unternehmensbereiche nutzt.

Das zweite gewichtige Argument ist die Aussicht auf mehr Wettbewerb im Fernverkehr, den sich die Befürworter durch die Trennung von Netz und Betrieb erhoffen. Eine staatliche Netzverwaltung würde allen Bahnunternehmen gleiche Chancen bei der Trassenvergabe sichern.

Bislang hat die Bahn allen Versuchen zur Zerschlagung trotzen können. Sie argumentiert mit dem komplexen Zusammenspiel beider Teile, etwa wenn es um Fahrpläne und Baustellen geht. Aber auch das Geld spielt eine Rolle. Fällt das Netz dem Staat zu, werden auch die damit verbundenen Schulden in zweistelligen Milliardenhöhe in die Bücher des Finanzministers wandern.

Ein Allheilmittel ist der Vorschlag nicht

Auch deshalb hielt sich die Begeisterung der Politik für eine Entflechtung bisher in engen Grenzen. Zweifel sind auch bei der Hoffnung auf mehr Wettbewerb angebracht. Die Einstiegskosten für neue Bahnunternehmen sind extrem hoch. Wo es versucht wurde und wird, konzentrieren sich die neuen Wettbewerber auf lukrative Strecken, nicht auf einen flächendeckenden Verkehr. Dies dürfte sich auch unter einer staatlichen Netzverwaltung nicht ändern.

Sinnvoll wäre sicherlich eine transparente Untersuchung der Folgen und Kosten einer Trennung von Netz und Betrieb. Erst wenn die Fakten nachvollziehbar auf dem Tisch liegen, lassen sich Vor- und Nachteile debattieren. Bis dahin lautet die Antwort auf den Vorschlag der Grünen: ein klares Jein.

Ein Allheilmittel ist er nicht, schon gar kein Beschleuniger. Der Erfolg des Schienenverkehrs hängt vor allem von hohen Investitionen ab, in Züge, Trassen, Bahnhöfe und Menschen. Diese Milliarden müssen aufgebracht werden. Diese Entscheidung muss die Politik zunächst einmal treffen. Sonst kann sie sich alle Blütenträume einer modernen Bahn abschminken.

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2 Kommentare

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  • "Sie argumentiert mit dem komplexen Zusammenspiel ..."

    So ist es. Es war ja schon totaler Unfug, die DB in einen Sack voll Untergesellschaften zu zerstückeln. Die Bahn muss aus einem Stück sein. Nur so funktioniert sie. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Schon Bismarck war das klar.

    " Die Einstiegskosten für neue Bahnunternehmen sind extrem hoch."

    Wir brauchen keine neuen Bahnunternehmen. Wir brauchen EIN Unternehmen, das funktioniert.

  • Nur mal so zur Info: Die "Trennungsrechnung" Netz, Personen- und Güterverkehr stand schon im Bundesbahnsanierungsgesetz der Grünen im Jahr 1984! Wurde nicht umgesetzt, was wohl niemanden überrascht?! Nun, 34 Jahre Jahre später, ist das Bahn-Elend von damals immer noch das Markenkennzeichen, nur ohne tausende Kilometer Nebenstrecken, hunderte fehlende Haltepunkte und Bahnhöfe.

    Was sich verändert hat, ist, dass zahlreiche Unternehmen im selben Konzern um Umsatz und Gewinn konkurrieren. Wem sind Aktienunternehmen gesetzlich verpflichtet? Dem Wohl der Aktionäre oder dem Gemeinwohl? Und jede Milliarde, die für Hochgeschwindigkeitsstrecken, Tiefbahnhöfe, Züge, Digitalisierung und für Personaleinsparungen ausgegeben wird, erhöht den Gewinn für Aktionäre. Haften tun am Ende andere!

    Was die Privatisierungen von staatlichen Infrastrukturen in England und anderswo angerichtet haben, dürfte bekannt sein. Es wird höchste Zeit, dass die Gemeinwohlorientierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge in den Vordergrund rückt; und nicht der Blick auf die Kursentwicklung an den Börsen.