Kommentar GroKo und Wohnen: Die neue soziale Frage
Die SPD hat sich in den GroKo-Verhandlungen beim Thema Mietrecht durchgesetzt. An der Vertreibungsangst wird das aber nur wenig ändern können.
W under wird es nicht geben, aber die künftige große Koalition hat offenbar erkannt, dass Wohnungs- und Mieterprobleme die neue soziale Frage sind. Nur so ist es zu erklären, dass sich die SPD in diesem Gebiet mit einigen ihrer wichtigsten Forderungen durchgesetzt hat: Der Bund wird sich wieder auf Dauer gemeinsam mit den Ländern am sozialen Wohnungsbau beteiligen, eine Grundgesetzänderung soll gegebenenfalls kommen. Mieterhöhungen nach Modernisierung werden gedämpft. Vermieter sollen beim Mietvertragsabschluss unaufgefordert die Vormiete nennen müssen, so dass ungerechtfertige überhöhte Mieten sofort transparent werden.
All das löst natürlich nicht die Probleme in den Metropolen, wo es an Neubauwohnungen mangelt, weil die Nachfrage groß und Grundstücke rar sind. Wohnungsbau ist teuer. Deswegen können auch zwei Milliarden Euro Fördersumme für den sozialen Wohnungsbau nicht zu den erforderlichen Hunderttausenden von bezahlbaren Neubauwohnungen in den Metropolen führen. Die soziale Schichtung über die Wohnungsfrage wird bleiben: Wer wenig Geld hat, muss weiter raus ziehen und viel pendeln, muss sich bei der Raumgröße bescheiden oder soviel Einkommen für das Wohnen aufwenden, dass daneben nur noch wenig Mittel zum Leben übrig sind.
Trotzdem setzt die Einigung ein Signal für MieterInnen. Wie gesagt: Bei einer Wiedervermietung muss der Hausbesitzer künftig ohne vorherige Aufforderung die Vormiete offenlegen. Ungerechtfertigte Mietsprünge werden damit transparent. Zudem soll die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete zumindest in Gebieten mit angespannter Wohnungslage etwas abgesenkt werden. Mieterhöhungen nach einer Modernisierung fallen damit um ein gutes Viertel niedriger aus.
All dies sind keine Wundermittel gegen die Vertreibungsangst. Die gefürchteten Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen bleiben. Und auch eine Mieterhöhung von 150 Euro im Monat nach einer Modernisierung kann die Haushaltskalkulation einer Geringverdienerin durcheinander bringen, weil man sich dann neben der Miete keine Reise, kaum noch Zahnersatz, keine Extras mehr leisten kann.
Die SPD hat aber einen Einstieg geschafft, die Wohnungsfrage als neue soziale Frage zu etablieren, deren Beantwortung die Bundespolitik nicht mehr den Ländern oder dem Markt alleine überlassen kann. Die Einigung ist ein erster Schritt. Und der war dringend nötig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW