Kommentar Glyphosat im Bier: Vom Winde angeweht
Wie konnte das nur passieren? Glyphosat im deutschen Bier! Erinnerungen an den „Glykolwein“ werden geweckt, die Branche ist ratlos.
W enn‘s ums Bier geht, hört der Spaß auf. Und in diesem Fall ist das gut. Das Münchner Umweltinstitut hat in 14 Bieren Rückstände von Glyphosat gefunden.
Die Aufregung ist perfekt, obwohl die Wissenschaftler selbst einräumen, richtig seriös sei ihre Untersuchung nicht. Und obwohl die gefundenen Mengen so weit unter den geltenden Grenzwerten liegen, dass man für eine gesundheitsschädigende Wirkung 1.000 Liter Bier trinken müsste. Am Tag.
Die deutschen Brauer und auch die Kollegen vom Hopfenanbau aber wissen, was auf dem Spiel steht. Zur Bezeichnung „Glyphosatbier“, man erinnert sich noch an „Glykolwein“, ist es nur ein kleiner Schritt. Und der Verbraucher ist heute weit schneller zu verunsichern als 1985, damals wurden die Panschereien der Winzer mit Frostschutzmittel öffentlich.
Noch dazu gibt der Fall wieder Anlass, die Frage zu stellen, für welche Reinheit eigentlich das Reinheitsgebot für Bier noch steht, das in diesem Jahr sein 500. Jubiläum hat. Die Verbände haben sich am Donnerstag beeilt, erschöpfend Stellung zu nehmen. Was Lob verdient.
Eine Gutachtenschlacht
Aber die Sorgen nicht ausräumen kann: Ihnen sind die geringen Glyphosat-Rückstände selbst ein Rätsel. Das Pestizid wird in Deutschland weder bei der Hopfenzucht noch beim Anbau von Braugerste eingesetzt. Sind es Rohstoffe aus dem Ausland? Der Deutsche Brauerbund stellt sogar die Vermutung an, das Ackergift könnte beim Spritzen benachbarter Felder zur Biergerste hinüber geweht sein.
Das Bild kennt man. Von der Gentechnik. Und es kommt nicht von ungefähr. Glyphosat ist eng mit dem Namen Monsanto verbunden, es ist der kaum sympathischere Vetter von Genmais und Gensoja. Das Pestizid, das bereits in einigen Ländern aus dem Verkehr genommen wurde, steht kurz vor der Verlängerung seiner Genehmigung in der EU. Seit Monaten tobt darüber ein erbitterter Streit, geradezu eine Gutachtenschlacht.
Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend, sagen die Forscher der WHO. Sein Einsatz ist in Maßen unbedenklich, meint dagegen das Bundesinstitut für Risikoforschung. Ein Widerspruch, der kaum aufzulösen ist. Sogar dem neutralsten Beobachter kommen da inzwischen Zweifel.
Im Zweifel für den Angeklagten, heißt ein deutscher Rechtssatz. Aber soll der auch für Chemie gelten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett