Kommentar Gewalt in Libyen: Europa schaut weg
Die Eskalation der Gewalt sollte ein Weckruf für die EU sein, sich beim Aufbau Libyens stärker zu engagieren. Dort will die Mehrheit einen zivilen Wandel.
E s war still um Libyen geworden. Europa schaute nach Lampedusa, Mali oder Syrien. Und ignorierte, dass der Flüchtlings- und Waffenschmuggel in Libyen seinen Ursprung hat. Extremisten aus der ganzen Region konnten hier in aller Seelenruhe ihre Trainingscamps ausbauen. Kein Wunder, gegen das karge Afghanistan ist das in Geld und Öl schwimmende Libyen geradezu ein Paradies für jede selbst ernannte Miliz.
Mit der Operation Karama („Würde“) der „Nationalarmee“ unter General Chalifa Haftar werden sich im Kampf gegen die islamistischen Milizen die Machtverhältnisse nun ein wenig zugunsten der Armee verschieben. Haftar ist allerdings ein umstrittener Autokrat. Er wird wie die meisten anderen Figuren auf dem politischen Spielfeld langfristig keinen demokratischen Wandel bringen.
Die Bürgerinnen und Bürger in Bengasi, Derna und Tripolis haben wiederholt den selbst ernannten Revolutionären die Stirn geboten. Dass die Mehrheit der Libyer dabei auf einen zivilen Wandel setzt, zeigen die vielen friedlich verlaufenden Wahlen. Zuletzt haben mehr als 25 Gemeinden demokratisch legitimierte Lokalvertretungen gewählt. Der erste Schritt in Richtung Demokratisierung ist der Aufbau funktionaler lokaler Verwaltungsstrukturen.
Die Eskalationen vom Wochenende sollten ein Weckruf für Europa sein, den zivilen Staatsaufbau massiv zu unterstützen. Das Engagement der EU in Libyen ist lächerlich unterdimensioniert. Warum eine solche Hilfe wichtig ist, zeigt ein Blick auf die Landkarte: Wenn man Libyen sich selbst überlässt, kommen irgendwann nicht nur Migranten, sondern auch Terrorgruppen mit Schlauchbooten nach Europa.
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