Kommentar Gewalt gegen Asylsuchende: Jeder Angriff ist einer zu viel
Weniger Angriffe auf Asylsuchende sind kein Grund zur Freude. Zu viel liegt im Argen. Helfen würde schon mehr Zurückhaltung seitens einiger Politiker.
N ur noch 700 Angriffe auf Asylsuchende und ihre Unterkünfte im ersten Halbjahr 2018 – das ist das aktuelle Ergebnis der regelmäßigen Abfrage der Zahlen beim Bundesinnenministerium durch die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. Die Zahl der Attacken hat damit deutlich gegenüber den Vorjahren abgenommen, ist aber, um das Offensichtliche noch einmal auszusprechen, zu hoch. Jede einzelne Brandstiftung, jeder Schlag, jedes dahingeschmierte Hakenkreuz ist zu viel.
Hinzu kommt, dass beim erwartbaren vierstelligen Jahresabschluss der Firma Hass und Gewalt weiterhin wohl kaum von isolierten Einzelfällen gesprochen werden kann. Während auf der einen Seite Hunderttausende für eine menschliche, offene und soziale Gesellschaft kämpfen, wird das Ideal der demokratischen Gemeinschaft aller hier Lebenden nicht nur von unverbesserlichen AfD-Funktionären hintertrieben. Die CSU mit ihrem suizidalen Wahlkampfkrawall, die CDU und auch die SPD mit ihrer Duldung desselben, ja selbst Teile der Linken, die jetzt auch unter Flüchtlingsphobikern Stimmen sammeln wollen: sie alle führen sicher nicht die Fackeln der neuen Nazis, fallen aber vor jedem sich bietenden Talkshowmikrofon der engagierten Zivilgesellschaft in den Rücken.
Auch die Signale, die die Justiz setzt, sind kaum hilfreich. Dass immerhin zwei Helfer des terroristischen NSU-Komplexes mit Abschluss des Münchner Prozesses auf freien Fuß kamen, wird juristisch gut begründet sein und im Rahmen zulässigen Ermessens liegen, die Botschaft an prospektive Mordbrenner jedoch ist katastrophal. Solange es gegen „Ausländer“ geht, darf man mit der Milde des Rechtsstaates rechnen.
So bleibt am Ende nur, die Gründe für die aktuelle Abnahme von Angriffen möglichst präzise einzugrenzen und genau dort mehr zu investieren: in mehr Engagement, bessere Strafverfolgung, mehr antirassistische Bildung und mehr Verantwortung. Letzteres kostet nicht viel. Für den Anfang täte es schon ein bisschen Zurückhaltung seitens politischer FunktionsträgerInnen.
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