Kommentar Gefährliche Politik der Saudis: Es droht ein vierter Golfkrieg
Die Exekution al-Nimirs, das Ende der Feuerpause im Jemen – Saudi-Arabien betreibt ein riskantes Spiel. Der Westen muss darauf reagieren.

D ie Hinrichtung des schiitischen Geistlichen al-Nimir hat die Spannungen zwischen den beiden Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran auf eine neue Eskalationsstufe gehoben. Dies sollte in Berlin und anderen westlichen Hauptstädten endlich zu einer veränderten Politik gegenüber der wahhabitischen Königshausdiktatur in Saudi-Arabien führen – ihrem Hauptverbündeten in der Golfregion und zugleich wichtigstem Sponsor aller islamistisch gerechtfertigten Terroranschläge seit Ende des Kalten Krieges.
Schon Saudi-Arabiens Aufkündigung des Waffenstillstandes im Jemen am Samstag war möglicherweise eine Reaktion auf Irans scharfe Kritik an der Hinrichtung. Darüber hinaus droht nun der mühsam errungene Minimalkonsens für die geplanten Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition zu zerbrechen. Damit wäre die Chance zerstört, den Syrienkrieg in absehbarer Zeit zu beenden und damit den wichtigsten Nährboden für den „Islamischen Staat“ (IS) auszutrocknen.
Mittelfristig könnte der Konflikt zwischen Riad und Teheran sogar zu einem vierten Golfkrieg eskalieren, der die drei seit 1980 geführten an Menschenopfern, Zerstörungen und negativen Folgen für die ganze Region noch übertreffen dürfte. Diese Gefahr ist vor allem wegen der wachsenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Spannungen in Saudi-Arabien größer als je zuvor. Zur bislang praktizierten innenpolitischen Befriedung durch finanzielle Mittel ist das Regime wegen des drastischen Ölpreisverfalls kaum mehr in der Lage. Daher wächst die Versuchung, auf angebliche oder tatsächliche äußere Feinde und Bedrohungen abzulenken.
In dieser Situation sollten Deutschland, die USA und die anderen Verbündeten Riads jegliche Waffenlieferung einstellen und auch alle anderen Formen militärischer, wirtschaftlicher und politischer Unterstützung unterlassen, die in Riad als Ermunterung, Beihilfe oder gar Beistandsgarantie für einen Krieg gegen Iran verstanden werden könnten. Sie sollten durch gezielten Druck, notfalls auch Sanktionen dafür sorgen, dass die saudische Königshausdiktatur endlich jegliche Unterstützung auch aus sogenannten privaten wahhabitischen Quellen für den IS, al-Qaida, al-Nusra und andere islamistische Terrorgruppen in Syrien, Irak und anderswo unterbindet.
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