Kommentar G-7-Gipfel in Elmau: Perspektive Chaos
Die Behörden versuchen, Gipfelkritiker fernzuhalten. Das ist aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich. Den Demonstranten bleibt nur die Improvisation.
M ehr als 20.000 Polizisten, 16 Kilometer Maschendrahtzaun, ein bayerischer Innenminister, der sich nach monatelangen Vorbereitungen auf ein hartes Durchgreifen freut. Das ist die eine Seite des nahenden Spektakels rund um den G-7-Gipfel in Elmau. Auf der anderen steht ein Protestbündnis, das bisher nur eine Perspektive hat: Chaos.
Schon die Lage des Ortes ist eine Herausforderung für die Proteste, zudem verweigern die Behörden so gut wie jede Kooperation. Dazu kommt: Die Aktivisten agieren entzweit. Anders als 2007 in Heiligendamm ist es dem Gegenbündnis bislang nicht gelungen, Proteste in Aussicht zu stellen, die auch Demonstranten vom anderen Ende der Republik in Massen nach Bayern locken würden. Was das heißt? Durchatmen? Zurücklehnen? Keineswegs.
Gerade weil das symbolträchtige Treffen der Staatschefs schon im Vorfeld so umkämpft, gleichzeitig medial noch völlig unterbeleuchtet ist, werden die kommenden Wochen zu einer besonderen Zeit (sicherheits)politischer Experimente. Nicht auszuschließen, dass dabei einiges kaputtgeht. Gedacht ist dabei weniger an gewaltbereite Militante, vor denen die Behörden seit Wochen warnen – und die sie damit gleichzeitig herbeirufen. Vielmehr wird auch in rechtsstaatlicher Hinsicht vieles zerstört.
Allein das Engagement, mit dem Bayerns Landesregierung versucht, die Ferienregion von störenden Elementen frei zu halten – amtlicher Tipp: Gülle aufs Feld! –, böte hinreichend Stoff für ein Einführungsseminar über Staats- und Verfassungsrecht. Wie schon in Heiligendamm dürfte in den kommenden Tagen wieder nach und nach bekannt werden, in welcher Weise die Bundeswehr an der Absicherung des bis zu 200 Millionen Euro teuren Events beteiligt ist.
Das Bürgermeisteramt Garmisch-Partenkirchen hat am Dienstag das geplante Camp der G-7-Gegner verboten, wie Benjamin Ruß, Sprecher des Bündnisses „Stop G7 Elmau“, gegenüber der taz bestätigte. Laut der Verfügung, sei die Grünfläche nicht geeignet, da die Wiese sich in einem Hochwasser-Überschwemmungsgebiet befinde. Mit Blick auf die Sicherheit der Camper könne eine Genehmigung daher nicht ausgesprochen werden. Das Bündnis "Stop G7 Elmau" will das Protestcamp und einen Sternmarsch zum Tagungsort Schloss Elmau gerichtlich durchsetzen. In Vorbereitung sei eine Klage gegen die Ablehnung des Camps, teilten die Organisatoren am Mittwoch in München mit. (mit dpa)
Dieses Experimentierfeld bringt die Gipfelveranstalter doppelt in die Offensive: Sie bekämpfen erstens ihre Kritiker, die eigentlich Raum haben müssten, sich rund um Elmau demokratisch und vielseitig zu Wort zu melden. Und sie bereiten, zweitens, einen Sicherheitsdiskurs vor, der Regierung und Behörden am Ende als Gewinner dastehen lassen soll – auch wenn die inhaltlichen Ergebnisse des Gipfels womöglich kaum das Geld wert gewesen sein werden, das er gekostet hat.
Den Demonstranten bleibt gar nichts anderes übrig, als rund um Elmau zu improvisieren. Aus chemischen Laboren weiß man: Solche Experimente können gut gehen. Sie können aber auch explosiv sein.
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