Kommentar G-20-Demoverbot: Nachhilfe in Demokratie fällt aus

Hamburgs Regierung hat schamlos gelogen: Der G-20-Gipfel sollte angeblich ein Fest der Demokratie werden. Stattdessen wird das Grundgesetz außer Kraft gesetzt.

Vom Recht auf Demonstrationen werden die G-20-Staatschefs nichts mitbekommen. Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Es ist schon entlarvend: Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) sagt, er könne die Sicherheit der G-20-Gipfelteilnehmer nicht gewährleisten, ohne die Grundrechte gleich quadratkilometerweise außer Kraft zu setzen. Die Prioritäten sind also klar: Grote und seine Truppen fühlen sich allein den Gipfelgästen gegenüber verpflichtet, nicht etwa den Bürgern. Der Gipfel muss stattfinden, mitten in der Stadt – um jeden Preis. Alles andere wird dem rigoros untergeordnet.

Dass dieser Gipfel in der Stadt, vorsichtig ausgedrückt, eine Herausforderung sein würde, pfeifen die Spatzen in Hamburg seit Monaten von den Dächern. Jetzt ist es amtlich: Es ist unmöglich, wenn man sich um Marginalien wie das im Grundgesetz festgeschriebene Versammlungsrecht schert jedenfalls. Dass die Hamburger SPD das eher nicht tut, hat sie in vorgeblichen Sicherheitsfragen ja schon oft bewiesen und überrascht daher kaum.

Wütend kann die Bürger dieser Stadt aber machen, wie schamlos sie von ihrer Regierung seit Monaten belogen werden. Denn der Polizei war ja längst klar, dass es die Verbotszone geben wird. Das erfuhren all jene, die versuchten, Demonstrationen anzumelden. Aber selbst auf konkrete Nachfragen dementierte die Polizei bis zum vergangenen Freitag stets , dass es eine Verbotszone geben werde.

Ein „Festival der Demokratie“ solle der G-20-Gipfel werden, so lautete Grotes Mantra. Seit Wochen reibt der Hamburger Senat jedem, ob er es nun wissen will oder nicht, unter die Nase, dass der Gipfel unbedingt in Hamburg stattfinden müsse – und nicht, sagen wir, auf einem Kreuzfahrtschiff in der Nordsee: Es muss Hamburg sein, weil man den zu diesem Event zahlreich erwarteten Autokraten auf diesem Wege endlich mal zeigen könne, wie man solche Veranstaltungen auch demokratisch und rechtsstaatlich über die Bühne bringen kann.

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Nun ist klar: Die Herren Trump, Erdoğan, Xi, Putin oder al-Aziz werden davon leider überhaupt nichts mitbekommen. Weil sie sich ausschließlich in einer Art Sonderrechtszone bewegen werden, innerhalb derer genau so viel Demonstrationsfreiheit herrscht wie bei ihnen zu Hause – oder im Einzelfall sogar noch weniger.

Ein echtes Trauerspiel ist, wie die Grünen die Tricksereien des Senats mitspielen und mittragen. Dass ihr eigener Justizsenator Till Steffen vor Wochen noch im Namen des ganzen Senats versprochen hatte, es werde keine Verbotszonen geben, ist plötzlich nichts mehr wert. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen windet sich, das sei „zwar bitter, aber nachvollziehbar“. Eine solche Ex-Bürgerrechtspartei braucht in Hamburg wirklich kein Mensch. Außer vielleicht Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.