Kommentar Freifahrt für Soldaten: Make kostenlosen ÖPNV, not war
Geht es nach der CDU fahren Soldaten bald auch in Berlin kostenlos Bus und Bahn. Statt Klientelpolitik braucht es aber einen sozial-ökologischen Plan.
K ostenloser Nahverkehr ist eine klima- und sozialpolitische Notwendigkeit. Wo sich keine politische Mehrheit findet, den Umsonst-ÖPNV sofort für alle einzuführen – aus Sorge vor Kapazitätsengpässen oder finanzieller Überlastung –, ist die schrittweise Privilegierung einzelner Bevölkerungsgruppen der richtige Weg, um dem Ziel näherzukommen.
Es ist daher zu begrüßen, dass seit August Schüler umsonst durch Berlin fahren – ebenso die Reduzierung der Fahrpreise für Sozialleistungsempfänger und Azubis oder vergünstigte Tickets für Berufstätige. Menschen mit geringem Einkommen sind nun Polizisten, Feuerwehrleuten, Ordnungsamtsmitarbeitern und Justizvollzugsbeamten gleichgestellt – denn die zahlen seit 2014 nichts mehr für Bus und Bahn, wenn sie in Uniform fahren.
Dass nun der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkhard Dregger vorgeschlagen hat, auch Bundeswehrsoldaten kostenlos in der Stadt fahren zu lassen, kommt zunächst wie ein weiterer Trippelschritt auf dem richtigen Pfad daher. 5.000 Berliner und 7.000 Brandenburger Soldaten könnten von den Freifahrten im Tarifgebiet ABC profitieren.
Doch der Eindruck täuscht: Denn den Konservativen geht es nicht ums Klima oder die soziale Frage. Sie wollen einfach jene privilegieren, die, so Dregger, für „Demokratie, Sicherheit und Freiheit einstehen“. Statt eines sinnvollen politisches Ziels geht es hier um Klientelpolitik für einen Berufsstand, der vieles ist, aber nicht unprivilegiert. Genauso handhabt es die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die als Antrittsgeschenk bei der Truppe kostenlose Fahrten mit der Bahn ab 2020 verkünden durfte.
Falsche Zielgruppe
Für Demokratie stehen in dieser Stadt aber ganz andere: Sozialarbeiter, Kulturschaffende und Anti-rechts-Aktivisten. Und hoheitliche Aufgaben, die für das Funktionieren des Staates wichtig sind, übernehmen auch Steuerprüfer oder Richter. Warum profitieren sie nicht von der Großzügigkeit der CDU? Von all den prekär Beschäftigten, Krankenschwestern oder Pflegern ganz zu schweigen.
Selbst das Argument eines vermeintlich steigenden Sicherheitsgefühls, die mehr Uniformträger erzeugen würden, zieht nicht: Viele Menschen haben eher Angst vor Soldaten, etwa weil sie Traumata von Krieg und Verfolgung haben, oder lehnen grundsätzlich alles Militärische ab.
Die Entuniformierung des Alltags war in diesem Land ein historischer Fortschritt. Wenn die Uniform zur BahnCard 100 oder einer ABC-Monatskarte wird, macht man dies rückgängig. Berlin sollte Fahrpreisreduzierungen weiter an soziale Bedürftigkeit und Chancengleichheit knüpfen. Wenn irgendwann alles umsonst ist, müssen auch die Soldaten nicht mehr zahlen – und können in Zivil fahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag