Kommentar Flüchtlingspolitik: Politik ist Schuld an der Eskalation
Der Protest für die Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg radikalisiert sich. Die Politik diskreditiert sogar die humanitären Bemühungen der Kirche.
D er Hamburger Streit über den Umgang mit den in der Hansestadt gestrandeten Lampedusa-Flüchtlingen schwelt seit Monaten und droht zu eskalieren. Während die autonome Szene angekündigt hat, ihrem Protest nicht nur mit legalen Mitteln Ausdruck zu verleihen, und sich bereits Scharmützel mit der Polizei lieferte, pocht der Senat auf das, was er für Recht und Gesetz hält.
Bürgermeister Olaf Scholz und sein Innensenator Michael Neumann (beide SPD) versuchen im Umgang mit den Flüchtlingen mithilfe der Polizei ihre Rechtsauffassung durchzusetzen, was in der Konsequenz Rückführung nach Italien bedeutet. Um diesen Kurs zu halten, werden nicht nur die Lampedusa-Flüchtlinge kriminalisiert, sondern auch die humanitären Bemühungen der Kirche, ihnen über den Winter eine Bleibe zu sichern, als strafbare Beihilfe diskreditiert.
Statt nach Lösungen zu suchen, werden also weiter Fronten aufgebaut. Der Tod der Hunderten gekenterten Flüchtlinge vor Lampedusa hat eine Diskussion auch über eine mögliche Neuorientierung in der Flüchtlingspolitik ausgelöst.
Statt aber die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Debatte über humanitäre Lösungen voranzutreiben, verschanzt sich Hamburgs Regierung kleingeistig hinter Paragrafen und bürokratischen Hürden. Dabei öffnen die bestehenden Gesetze Handlungsspielräume, ganzen Gruppen von Flüchtlingen eine Bleiberechtsperspektive zu geben – man muss es nur wollen.
Hamburgs Senat aber will das nicht. So aber darf er sich nicht wundern, wenn die Unterstützerszene den politischen Druck erhöht. In Berlin und München gibt es ebenfalls noch keinen Ansatz für eine Lösung des Konflikts um die hungerstreikenden Flüchtlinge. Auch hier braucht es politischen Mut und Empathie statt Abschottung und Paragrafenreiterei.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden