piwik no script img

Kommentar Finalbesuch der KanzlerinMannschaftsbild mit Dame

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die Kanzlerin macht Politik, indem sie sich seit Jahren im Licht der Nationalmannschaft sonnt. Alle wissen das, doch niemanden scheint es zu stören.

Fröhlicher Kabinenbesuch: Angela Merkel und die Jungs. Bild: dpa

1 0.000 Kilometer haben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Nacht von Samstag auf Sonntag zurückgelegt, um beim Finale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Argentinien in Rio de Janeiro vor Ort zu sein. Schon am Montag geht es dann mit dem Airbus der Luftwaffe zurück nach Berlin. Eine kritische Bewertung des Ausflugs findet öffentlich nicht statt, stattdessen wollen viele die Anwesenheit der „Fußballkanzlerin“ Merkel als gutes Omen sehen.

Als kleingeistig verschrien werden jene, die den Trip der deutschen Staatsoberhäupter kritisieren, schließlich ist das Endspiel im Maracanã eine nationale Angelegenheit. Nirgends sonst kann Deutschland innerhalb von 90 oder auch 120 Minuten mehr an weltweitem Ansehen gewinnen, mehr öffentliche Aufmerksamkeit generieren. Die sonst so auf Haushaltsdisziplin bedachten Bundesbürger sind sich mehrheitlich einig: 74 Prozent der Befragten sehen den Finalbesuch der Kanzlerin als „sinnvoll“ an, laut einer Studie der Universität Hohenheim.

Doch sinnvoll ist der Trip in erster Linie für die Kanzlerin selbst. Mit größtmöglichem Erfolg hat sich Merkel über Jahre an die Nationalelf und deren Popularität herangewanzt. Bei der Heim-WM 2006 verpasste sie kein Spiel und drückte Jürgen Klinsmann bei der Übergabe der Bronzemedaille einen Kuss auf die Wange, zwei Jahre später saß sie in Wien mit dem gesperrten Bastian Schweinsteiger auf der Tribüne: „Sie hat mir gesagt, dass ich nicht wieder so eine Dummheit tun soll“.

Es folgten Besuche der WM 2010 und EM 2012, Kabinenansprachen inklusive. Unvergessen bleibt ihr scheinbar zufälliges //www.google.de/search?q=Merkel+%C3%96zil&client=firefox-a&hs=AoJ&rls=org.mozilla:de:official&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=UzjBU4LLCoTbOZTwgbAH&ved=0CAgQ_AUoAQ&biw=1427&bih=818:Bild mit dem halbnackten Mesut Özil nach einem EM-Qualifikationsspiel im Berliner Olympiastadion – aufgenommen vom mitgebrachten Kanzler-Fotografen.

Aufdringlich in der Kabine

Dass die forsche Aufdringlichkeit in der Umkleide aufgrund der fehlenden Absprache mit dem damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger auf Kritik stieß, ist inzwischen vergessen. Zu sehr haben sich alle Beteiligten an die prominente Anhängerin gewöhnt. Die vollendete Verschmelzung zwischen Team und Kanzlerin war vor drei Wochen nach dem deutschen Auftaktspiel gegen Portugal zu bestaunen. //www.google.de/search?q=Merkel+Kabine+DFB&client=firefox-a&hs=BAz&rls=org.mozilla:de:official&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=qjjBU62AH83XPNWDgIgO&ved=0CAgQ_AUoAQ&biw=1427&bih=818:Das Mannschaftsbild mit Dame hat alle entzückt. Erst recht Lukas Podolski, der ganz stolz auch noch ein Privat-Portrait um die Welt twittern durfte.

Sichtlich wohl fühlt sich Merkel im Kreis der politisch konservativen DFB-Elite um Wolfgang Niersbach, Jogi Löw sowie den Atom- und Neoliberalismus-Lobbyisten Oliver Bierhoff. Dazu die Jungs in kurzen Hosen, von denen wohl keiner je eine Aussage mit politischem Gehalt treffen wird, von Roman Weidenfellers homophoben Ausfällen einmal abgesehen.

Sie alle bieten das optimale Umfeld, in dem die Kanzlerin ihr Image als rationale Entscheiderin um ein paar menschliche Züge erweitern kann. Die emotionale Nähe, die Merkel nach außen mit „unseren Jungs“ verbindet, wird ihr positiv angerechnet. Wer so herzlich im Umgang mit den deutschen Lieblingen ist, wer sich so schön freuen kann, der kann doch keine menschenfeindliche Politik betreiben.

Die normale Publikumsreaktion, wenn Politiker auf Stadionleinwänden eingebelendet werden, muss Merkel längst nicht mehr befürchten. Statt Pfiffen und Buhrufen feierten sie die mitgereisten deutschen Fans beim ersten WM-Auftriit des DFB-Teams gegen Portugal in Salvador mit „Angie, Angie“-Rufen.

So wird Politik gemacht

Um die Wirkung der erzeugten Bilder wissen sie natürlich auch in Merkels Partei. Die CDU plakatiert aktuell den Spruch „Unser 12. Mann ist eine Frau“, verbunden mit den besten Reisewünschen zum Finale. So wird heute Politik gemacht.

Weil die Opposition dem nichts entgegenzusetzen vermag, sondern neidisch auf Merkels Rolle als Maskottchen schielt, versucht man es ihr gleichzutun – erfolglos. Frank-Walter Steinmeiers Videogrüße an die Nationalmannschaft wirken ebenso hilflos wie die SPD-Fahne am Willy-Brand-Haus mit dem anbiedernden Spruch „Holt euch den vierten Stern, Jungs!“. Nein, auf diesem Terrain ist nichts mehr zu holen, hier ist Merkel-Land.

Dafür sorgen schon die Medien, die sich selbst zu Hofberichterstattern der Kanzlerin wandeln, indem sie jedes aussagelose Zitat von ihr mit Fußballbezug eifrig verbreiten. Begierig griffen die Nachrichtenagenturen Merkels Antwort auf die Frage auf, was sie von der deutschen Nationalmannschaft im WM-Endspiel erwarte: „Gewinnen (...) hoffe ich.“ Noch abstruser wird es, wenn Merkel die Rolle als „Glücksbringerin“ angedichtet wird; schließlich habe die Nationalmannschaft elf der dreizehn Spiele gewonnen, bei denen sie anwesend war.

Dann wissen wir ja, wem Deutschland den möglichen vierten WM-Titel verdanken wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Kritisiert doch bitte Merkels schlechte Politik, anstatt so einen kleingeistigen Wutbürger-Quatsch zu drucken. Das Finale wurde von Millionen Menschen in Deutschland und Milliarden Menschen weltweit gesehen. Nur wenn Merkel NICHT dort gewesen wäre, wäre das peinlich.

    • @Sonnenblumen:

      Merkel war ja gerade deshalb da, weil das Finale von so vielen Menschen gesehen wird. Die Leute haben bestimmt nicht zugeguckt, weil Merkel da war, sondern weil sie ein Endspiel der beiden besten Fußballmannschaften der Welt sehen wollten - nicht mehr und nicht weniger. Diese ständige Trittbrettfahrerei von Politikern im Sport ist einfach nur peinlich und überflüssig.

  • So liebt der Deutsche seine Monarchen. Jubelnd bei Brot und Spielen und bestem Kaiserwetter. Ist es wirklich nur Bescheidenheit, dass die Auftritte Ihrer Majestät von der Uckermark trotzdem immer so plebejisch daherkommen? Wo ein Gerhard Schröder erstmal ne Runde mit dem neuesten Audi Modell im Stadion gedreht, sich lässig im Frank Sinatra-Style die Cohiba-Asche vom Armani Anzug geklopft hätte, um danach ein paar handsignierte Bälle ins weite Rund zu schießen, da beschränkt sie sich auf der Tribüne mit spastischen, den Hosenanzug an die Zerstörungsgrenze bringenden Bewegungen, um dann später im stillen Umkleidekabinchen Poldi's verschwitztes T-Shirt abzustauben. In Japan kann man sowas längst im Automaten ziehen, vakuumverschweißt und geruchsecht. Wenn sich das hier endlich auch mal durchsetzen würde, könnte man dem deutschen Steuerzahler so manche schamlos verprasste Flugstunde damit ersparen.

  • Die Frau treibt sich stets in Gefilden 'rum, wo die Sonne scheint . Überall, wo es nach Verbesserung schreit, lässt sie sich nicht blicken. Wäre die Mannschaft im Viertelfinale ausgeschieden, dann wäre sie ferngeblieben. Man gönnt der Mannschaft ja nichts schlechtes, aber...

  • Das sich unsere Politiker gerne ein Spiel auf Kosten des Steuerzahlers ansehen ist bekannt. Dafür werden irgendwo ein paar Sozialleistungen gestrichen! Denn die schwarze Null muss ja stehen.

    Ich frage mich nur, warum können die das nicht aus eigener Tasche bezahlen? Warum müssen dafür extra Bundeswehrflugzeuge eingesetzt werden?

  • Pinkel der Dame nicht ans Knie, Grosskreutz.

  • Das in den deutschen Medien bez. Merkel nur "Hofberichterstattung" betrieben wird, geht ja auch nicht anders.

    Schließlich müssen sich sämtliche deutsche Medien an das "Medien-Grundgesetz" halten (Das muss die Taz doch wissen, und natürlich, sie weiß es auch und hält sich selbstverständlich auch daran).

    .

    Das deutsche Medien-Grundgesetz lautet:

    "Frau Merkel macht immer alles richtig!"

    Und deshalb, weil alle sich vorbildlich an dieses Grundgesetz halten,

    gibt es niemals Kritik an der Kanzlerin.

    Grundsätzlich gilt immer, im aktuellen Spionage-Fall wie bei der Foto-Reise nach Brasilien wie bei sämtlichen anderen Vorgängen: Frau Merkel macht immer das Notwendige und Richtige. Kritik verbietet sich daher. Aber das wäre

    ja auch ein Verstoß gegen das Merkel-Medien-Grundgesetz!

    Und wer will schon wegen Grundgesetz-Verletzungen in Verdacht geraten...

  • Danke für diesen Kommentar. Ich schaue normalerweise kein ö.r. Fernsehen. Aber das Halbfinale habe ich gesehen. Da gab es in der Halbzeitpause ein kurzes Heute-Journal mit dem Beitrag "Merkel in China". Das war Hofberichterstattung erster Güte. Nach dem Motto: "Merkel reist nach China und erzählt den rückständigen Chinesen, was Umweltschutz und Demokratie sind." Im Schlepptau hat sie BMW und noch andere Firmen, deren Logos ich auf die Schnelle nicht erkennen konnte. Und ich frag mich seit Jahren, warum die Leute Merkel ständig wiederwählen. Aber wenn ich mehr ö.r. gucken würde, würde ich es vermutlich auch machen.