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Kommentar Exekutionen in IndonesienZweierlei Maß bei der Todesstrafe

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Der australische Protest gegen die Hinrichtungen in Indonesien hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und Exekutionen lösen das Drogenproblem nicht.

Unter den Getöteten: der Indonesier Zainal Abidin sowie die Australier Myuran Sukumaran (M.) und Andrew Chan. Bild: dpa

D ie Hinrichtung von acht Drogenschmugglern – sieben davon aus dem Ausland – trägt nichts zur Lösung von Indonesiens Drogenproblemen bei. Alle Erfahrung zeigt, dass die Todesstrafe Kriminelle nicht abschreckt. Sie ist nicht nur inhuman, sondern ein Zeichen der Schwäche, kaschiert mit vermeintlicher Stärke. Jakarta ging es jetzt darum, die eigene Souveränität gegenüber dem als arrogant wahrgenommenen Nachbarn Australien zu demonstrieren. Zwei der Hingerichteten kamen von dort.

Sie entwickelten sich im Gefängnis zu Mustern persönlichen Wandels und personifizierten den Unsinn der Todesstrafe. Doch Präsident Joko Widodo wollte zeigen, dass er sich von Canberra nicht drängen lässt. Australiens Regierung setzte sich zu Recht für den Schutz des Lebens ihrer Staatsbürger ein, was Indonesien bei seinen Bürgern auch macht. Aber die Drohungen an Jakarta waren wenig hilfreich, denn damit ging es um Macht und Gesichtswahrung, während Recht, Schuld und Sühne zweitrangig wurden.

Australiens Problem ist seine Glaubwürdigkeit. Canberra nimmt wenig Rücksicht auf Indonesiens Befindlichkeiten, wenn es etwa um Souveränitätsfragen im Zusammenhang mit Bootsflüchtlingen geht. Die schleppt Australiens Marine einfach in indonesische Gewässer. Auch ist Canberras Kritik selektiv. Als 2003 zwei Islamisten wegen der Bali-Attentate, bei denen viele Australier starben, zum Tode verurteilt wurden, kam aus Canberra keine Kritik.

Vielmehr wären andere Strafen als mangelnde Terrorbekämpfung gedeutet worden. Canberras Kritik wirkt auch deswegen unglaubwürdig, weil die Exekutierten erst durch einen Tipp australischer Behörden gefasst wurden. Jakarta kann erwarten, dass Canberras Sanktionen nur kurzfristig sind. Mit Drogenbekämpfung und Menschenrechten hat der Konflikt nichts zu tun.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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7 Kommentare

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  • 1G
    19122 (Profil gelöscht)

    "Als 2003 zwei Islamisten wegen der Bali-Attentate, bei denen viele Australier starben, zum Tode verurteilt wurden, kam aus Canberra keine Kritik." - Völlig unangemessener Vergleich. Bei aller noch so berechtigten Kritik an der Todesstrafe, dürfte diese für Massenmord wohl immer noch erheblich weniger unangemessen sein als für Drogenschmuggel. Die Dimension der Verbrechen ist eine ganz andere.

    • @19122 (Profil gelöscht):

      Völlig unangemessen, der Vergleich? Na, wie man's nimmt.

       

      Zur "Dimension" nur so viel: Dem Bali-Attentat sind 200 Leute zum Opfer gefallen. In Russland hat der Chef der nationalen Drogenkontrollbehörde die Zahl der Drogentoten für das zu Ende gehende Jahr 2010 angeblich mit 100.000 beziffert. Wie viele Opfer es in Indonesien gab, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Drogen in ganz Südostasien große Probleme verursachen. Auch, weil Kinder als Altersversorgung ihrer Eltern gelten. Einfach aufgrund der extrem kurzen Wege zwischen Produzenten und Konsumenten und der miesen sozialen Lage vieler Leute. Vietnam beispielsweise hatte 2012 fast zweieinhalb mal mehr Tote zu verzeichnen als das, gemessen an der Einwohnerzahl, etwa gleichgroße Deutschland. Es waren, wenn man der Statistik glauben darf, 2.184. Spitzenreiter waren 2012 allerdings die USA – aller Drastik der da vollzogenen Strafen zum Trotz. 40.393 Menschen sind verreckt an diesem Zeug. Das fällt, wenn sie mich fragen, in die Rubrik Massenselbstmord. Wobei es Menschen gibt, die solche Selbstmorde befördern und daran verdienen, die man also gut zu Schuldigen erklären kann.

       

      Der oberste Drogenkontrolleur Russlands soll 2010 im Zusammenhang mit seinen Zahlen von einer "apokalyptischen Dimension" gesprochen. Wenigstens die Angehörigen und die Freunde der Toten werden ihm wohl mehr oder weniger laut zugestimmt haben – und die Regierung in ihrer hilflosen Trauer zu einem harten Durchgreifen auffordern. Mit Betonung auf "hart". Vernunft ist in Fällen großer Wut und Trauer nämlich ziemlich schwer zu bewahren. Das werden die Angehörigen der Opfer des Bali-Attentats bestätigen können, schätze ich. Der Hang zur Gewalt ist schließlich ein allgemein-menschlicher. Zumindest da, wo er einer gewissen nationalen Tradition entspricht.

       

      Die Demonstranten in Indianapolis, hört man, hätten weniger "Angst vor der Apokalypse" als vielmehr welche vor der "Cop-alypse.“ Ich glaube, ich auch.

      • 1G
        19122 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Das ist dieselbe verquere Logik wie beim Vergleich von Terroristen mit Automobilherstellern. Autos verursachen zweifelsfrei statistisch erheblich mehr Tote als Terroranschläge. Trotzdem bewerte ich persönlich das "Verbrechen", welches Autohersteller begehen, tendenziell wohlwollender als die "Dienstleistung", welche der Terrorist vollbringt. Aber was rede ich. Leute wie Sie lassen nichts an ihr Weltbild vom edlen Widerstandkämpfer kommen. Wenn Ihre Familie zu jener Zeit in Bali gewesen wäre, würden Sie möglicherweise anders denken, aber nur möglicherweise. Statistik hin oder her: Zu lebensbedrohlichem Drogenkonsum wird normalerweise niemand gezwungen, zum willkürlichen Gewalttod in gewissen Situationen schon. Daher ist der Vergleich völlig unangemessen.

  • "Als 2003 zwei Islamisten wegen der Bali-Attentate, bei denen viele Australier starben, zum Tode verurteilt wurden, kam aus Canberra keine Kritik...Alle Erfahrung zeigt, dass die Todesstrafe Kriminelle nicht abschreckt. Sie ist nicht nur inhuman, sondern ein Zeichen der Schwäche, kaschiert mit vermeintlicher Stärke."

     

    Nach Ihrer Logik können wir uns auch Gefängnisstrafen sparen, denn auch die schreckt Täter nicht ab, Verbrechen zu begehen. Und was ist an einer Gefängnisstrafe humaner? Ihre Kritik an Canberra ist auch deshalb holprig, weil für Canberra (und auch für mich) schon ein Unterschied besteht, ob Attentäter/Mörder, die das Leben vieler Unschuldiger auf dem Gewissen haben, oder Drogenschmuggler hingerichtet werden, die vermutlich kein Menschenleben auf dem Gewissen haben (auch wenn sie Menschen in Abhängige verwandeln und Menschen am Konsum von Drogen sterben. Zu den Drogen gehören aber auch Schnaps, Bier, Wein, Whisky und Zigaretten.

    • @Monsieur Soquette:

      Auge um Auge und Zahn um Zahn.

       

      So ist es seit Jahrtausenden.

       

      Aber es stimmt. Erstmal fragen wie es und warum es zum ersten Töten kam.

       

      Gibt nur zwei Möglichkeiten.

      Lust oder Frust.

       

      Und dann die Frage woher kommt und wie kam das Verlangen zu töten?

       

      Ciao

    • @Monsieur Soquette:

      sie haben eine merkwürdige weltsicht.

      • @nutzer:

        Ja, eine Normale.