Kommentar Erdoğan-Statue: Billige Provinzposse
In Wiesbaden ist Biennale. Und ausgerechnet eine goldene Erdoğan-Statue sollte die mediale Aufmerksamkeit auf dieses Ereignis lenken.

H offentlich regt sich wenigstens Recep Tayyip Erdoğan richtig darüber auf, dass die Stadt Wiesbaden eine ihm gewidmete Statue abbauen ließ, um damit möglichen Auseinandersetzungen zuvorzukommen. Warum steht Herr Erdoğan überhaupt in Wiesbaden in der Gegend herum? Weil zur Zeit Biennale ist. Da sind gerne „provokativ und diskussionswürdig“ genannte Aktionen ein Muss. Entsprechend hält der Intendant des Wiesbadener Staatstheaters, Uwe Eric Laufenberg, es für eine gute Idee, diese Statue aufzustellen, „um über Erdoğan zu diskutieren“.
In Wiesbaden? Ehrlich? Aber trotzdem wieder was gelernt: dass es dazu eine Statue braucht, war mir bislang nicht klar. Schien doch so, als ob seine Person genug Anlass dazu böte. Nun ja, vielleicht hilft in Wiesbaden so eine Skulptur, auch wenn ich wetten würde, dass die Mehrzahl der Wiesbadener gar nicht checkt, wer da vor ihnen steht.
Glücklicherweise gibt es aber selbst in Wiesbaden eine Ecke in der Stadt, in der hauptsächlich türkischstämmige Deutsche und türkische Migranten wohnen. Und genau da hat die Leitung der Biennale die Statue dann auch hingepflanzt. Gratulation! Zu allem Überfluss heißt der Platz dann auch noch Platz der Deutschen Einheit.
Schöner geht’s nicht. Ja, und dort gab es dann zwischen Erdoğan-Anhängern und Erdoğan-Gegnern die erwartbaren heftigen Wortgefechte, also richtiges Geschrei, was bekanntlich diskutieren genannt wird und gefährlich ist.
Nachdem die Installation also abgeräumt wurde, steht natürlich der Vorwurf von Zensur und Willfährigkeit im Raum. Geschenkt. Denn nichts ist leichter zu durchschauen als diese Erdoğan-Installation, deren einziger Zweck es ist, für Aufruhr zu sorgen. Von diesem Aufruhr, dem Aufgebot von Polizei und Feuerwehr – was gibt das nur für schöne Bilder! –, weiß das Kulturestablishment, wird sein Festival profitieren. Damit erfährt es die mediale Aufmerksamkeit, die kein einziges Theaterstück während der gesamten Biennale generieren wird. Applaus! für eine dieser ewig gleichen Provinzpossen, deren man so überdrüssig ist.
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