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Kommentar Einigung in PalästinaDas kleinere Übel

Kommentar von Susanne Knaul

Weil Hamas und Fatah geschwächt wie nie sind, könnte eine Einigung der beiden diesmal funktionieren. Auch für Israel liegt darin eine Chance.

Friedenspfeife am Strand von Gaza-Stadt. Bild: reuters

J ERUSALEM taz Auf einmal ging alles ganz schnell. Seit sieben Jahren sind sich Hamas und Fatach spinnefeind, nun wollen sich die beiden großen palästinensischen Parteien doch zusammenraufen. Die Erfahrung lehrt, dass der Plan für die Einheitspartei von Technokraten nicht lange halten dürfte. Schon zu oft scheiterten die zerstrittenen Fraktionen mit „historischen“ Versöhnungsabsichten. Ideologische Differenzen und noch mehr der Kampf um Macht stehen der politischen Wiedervereinigung von Gazastreifen und Westjordanland im Weg.

Der Mangel an Alternativen könnte diesmal die beiden Erzfeinde, Präsident Machmud Abbas und Hamas-Regierungschef Ismail Haniyeh, vielleicht doch dazu zwingen, die unkenden Stimmen eines Besseren zu belehren. Der ägyptische Frühling war nicht gut für die Hamas. Besonders seit dem Sturz der Regierung der Muslimbrüder kühlen sich die Beziehungen ab. Die Hamas wird in Kairo heute offiziell als Terrororganisation geführt. Systematisch kappen die ägyptischen Sicherheitsdienste die Tunnel, durch die die Palästinenser im Gazastreifen jahrelang billige Ware und Waffen schmuggelten. Nie war die Hamas international so isoliert wie in diesen Tagen.

Im Westjordanland scheiterte die Führung der Fatach einmal mehr am Frieden. Die bilateralen Verhandlungen mit Israel stocken seit Monaten, und auch die Alternative der internationalen Instanzen verspricht wenig Erfolg für Palästina. Die Fatach steckt wie die Hamas in einer tiefen Popularitätskrise. Das Volk wünscht sich die nationale Einheit. Die Versöhnung mag derzeit das kleinste Hindernis für die beiden Parteien sein.

Eine innerpalästinensische Einheit würde Israel die Chance bieten, den diplomatischen Boykott gegen die Hamas aufzuheben. Denn die Regierung in Jerusalem müsste nicht direkt mit der Terrororganisation verhandeln, sondern Adressat wäre die Nationale Union in Ramallah. Selbst wenn sich die Islamisten nicht explizit für zwei Staaten erklären und weiterhin weigern, Israel anzuerkennen, so ist trotzdem eine „Hudna“, ein temporärer Waffenstillstand, erreichbar. Nur über eine diplomatische Verständigung mit der Hamas kann Israel dafür sorgen, dass die Bürger in Sderot und in den Kibutzim der südlichen Grenzregion auf die Dauer ruhig schlafen.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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7 Kommentare

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  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Mein Gott, wie kann man nur so an den Fakten vorbei reden.

     

    Tatsache ist, dass Abbas bzgl. Friedensverhandlungen so stark wie niemals zuvor ist!

    In den früheren Scheinverhandlungen der isr. Regierungen nach Rabin war Israel stets übermächtig gegen ein schutzlos der Gewalt Israels (wegen der US Vetos zum Schutz isr. Verbrechen) ausgeliefertes Volk der Palästinenser. Wer keine Konsequenzen für seine Verbrechen befürchten muss, beendet diese auch nicht, solange nicht alles gewünschte geraubt ist.

    Nun hat sich Abbas die Möglichkeit geschaffen, sich nach 45j Rechtlosigkeit erstmals(!) gegen die Verbrechen Israels wehren zu können. Er kann nun die Hauptdarsteller der staatlichen isr. Verbrechen (Nethanjahu&Minister&Generäle) beim ISTGH anklagen u. verurteilen lassen, so dass Rom Statut Länder nicht mehr so tun können werden, als ob sie die Völkerrechtsverbrechen Israels nichts angehen.

    Wenn Israel nicht bereit sein sollte, Palästina Freiheit & Entschädigung zu bieten, wird Abbas über den ISTGH Israel und uns den Raum nehmen, die Verbrechen Israels weiter wie bisher tolerieren&unterstützen zu können.

    Die Hamas springt nur auf den Zug der Freiheit auf. Entgegen der gewöhnlich verbreiteten Propaganda Israels hat die Hamas auch klare Bekenntnisse in richtung Frieden ausgesprochen:

    http://edition.cnn.com/TRANSCRIPTS/1211/21/ampr.01.html

    Und ist damit bzgl der Anerkennung des Existenzrechtes Israels deutlich weiter, als so manche ander israelische Regierungspartei bei der Anerkennung des Existenzrechtes v. Palästina.

  • Die Zurück-ins-Mittelalter-Hamas und die säkulare (und durch und durch korrupte) PLO vorm gleichen Karren?

     

    Dagegen wäre eine Fusion von Linkspartei und Opus Dei ja geradezu erfolgversprechend!

    • @Spitzbube:

      bevor mann das übliche absondert, sollte mann sich vielleicht erst in http://www.mideastweb.org/prisoners_letter.htm vertiefen. und nicht vergessen: es geht um besetzte gebiete UND menschen. auch hamas ist als 1 reaktion auf besatzung entstanden.

      • @christine rölke-sommer:

        Hamas ist nach Maßgabe der Muslimbrüderschaft entstanden. Mit klaren Zielen:

        "Dem Motto der Charta folgend, forderte die Hamas ihre Anhänger im Oktober 1990 mit dem Flugblatt Nr. 65 zum Mord an Juden auf: "Jeder Jude ist ein Siedler, und es ist unsere Pflicht, ihn zu töten."

        http://embassies.gov.il/berlin/AboutIsrael/the-middle-east/naherostendokumente/Die%20radikalislamische%20Terrororganisation%20Hamas.pdf

        Ist das üblich oder nicht? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es deutlich.

        • @Senckbley:

          Hamas mag so entstanden sein, und dieses Flugblatt ist ohne Frage eine schwerkriminelle, genozidale Aktion.

          Aber die damaligen, den Staat Israel mit Gewalt anstrebenden, die damalige zionistische Diplomatie ablehnenden „Revisionisten“ (Irgun Zwai Leumi) waren auch nicht gerade eine friedfertige „Bruderschaft“.

          (Hauptanliegen: „Die jüdische Ethik militarisieren“: Überfälle auf arabische Dörfer und Siedlungen: „..die Araber diese Päderasten aus Nablus, die Bastarde und Rowdys von Jaffa, Gesindel eines schmutzigen Hafens“)

          Das alles sind doch stilbildende Vorgehens- und Verhaltensweisen, die bis heute im beiderseitigen, kollektiven Gedächtnis haften geblieben sein dürften.-- Wer kriegt in sowas wieder Frieden rein....

      • @christine rölke-sommer:

        Und? Werden sie sich deshalb besser vertragen?

        • @Spitzbube:

          meine mantischen fähigkeiten halten sich in grenzen - aber immerhin hatte hamas mit der zustimmung zum gefangenenbrief Israel in den waffenstillstandslinien/grenzen von '67 unausdrücklich anerkannt.