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Kommentar Einigkeit von CDU und CSUDas Dilemma der CSU

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

In der Union herrscht Harmonie. Denn mit Martin Schulz ist vorstellbar geworden, was lange undenkbar war: eine Regierung ohne CDU/CSU.

Jetzt wird wieder gemeinsam gelacht: CDU-Chefin Merkel mit CSU-Chef Seehofer Foto: dpa

I n der Union herrscht offenbar neue Harmonie. Die Zeiten, als Seehofer die Kanzlerin als Herrscherin eines Unrechtsstaats diffamierte, sollen vorbei sein. Der CSU-Chef bekundet nun treuherzig, dass CDU und CSU „in allen politischen Fragen übereinstimmen“. Das zeigt Einsicht ins Notwendige. WählerInnen mögen keine Regierungsparteien, die sich aufführen wie Schulhofschläger. Und mit Martin Schulz ist zumindest vorstellbar geworden, was bisher undenkbar war: eine Regierung ohne Union.

Merkel, die Unanfechtbare, erscheint aus zwei Gründen verletzbar. In der Mitte, dem mythischen Ort der bundesrepublikanischen Demokratie, macht sich nach zwölf Jahren zarter Überdruss bemerkbar. Eine Bundestagswahl, deren Siegerin nicht schon vorher feststeht, wäre zur Abwechslung ja auch wieder ganz schön. Zudem möchte man gern einfach mal andere Gesichter sehen. Das ist banal, kann aber, wie Helmut Kohls Niederlage 1998 zeigte, eine Rolle spielen.

Vor allem aber attackiert die SPD mit Martin Schulz zielsicher und befreit von Koalitionszwängen den Schwachpunkt der Union – das Doppelspiel von Merkel und Seehofer. Die CDU bespielt mittig und weltoffen das liberale, städtische Bürgertum. Und die CSU hofiert Autokraten wie Putin und hält den rechten Rand bei Laune. Diese seit der Flüchtlingskrise etablierte Inszenierung rechnete sich bisher für beide. Der CSU verschafft sie die Aussicht, in Bayern die AfD einzuhegen, Merkel gilt nördlich von Würzburg als Garantin antipopulistischer Vernunft.

Das CSU-Dilemma: Merkel-Fan werden – oder weiter den Springteufel spielen?

Der hektische Versuch der Union, jetzt auf Biegen und Brechen Einigkeit zu demonstrieren, zeigt, dass dieses Spiel ausgereizt ist. Die Inszenierung wirkt nur so lange, wie sie mit dem nötigen Ernst vorgetragen und vom Publikum nicht für ein taktisches Manöver gehalten wird. Wenn nun künftig Markus Söder den Haudrauf in München gibt und Seehofer den gereiften Staatsmann, ist das eine zu offenkundige Rollenverteilung.

Die CSU steht vor einem strategischen Dilemma. Soll man plötzlich zum loyalen Merkel-Fan werden – oder, ausgerechnet im Wahlkampf, weiter den Springteufel spielen? Der Versuch, einfach beides zu tun, ist nicht aussichtsreich. Bei der Europawahl 2014 scheiterte die CSU mit dem Plan, gleichzeitig seriös und rechtspopulistisch aufzutreten – und verlor in der Mitte und am Rand. Das kann noch interessant werden.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • Die CSU blinkt seit Jahren rechts und fährt mit Merkel dennoch geradeaus weiter. Die Wähler am rechten Rand mögen dumpf daherkommen, werden aber klug genug sein, dieses verlogene Spiel zu durchschauen. Die AfD wird davon profitieren und kann sich schon mal die Hände reiben.

    • @Nikolai Nikitin:

      Genau das ist doch das Problem.

      Die Seehofer-Position, die Zuwanderung zu begrenzen, findet doch bei weit mehr Leuten anklang als Merkels offene Grenzen.

       

      Nur bisher gab es keine Alternative auf dem Wahlzettel.

       

      Und ich bezweifle, dass Martin Schulz der Erlöser sein wird. Erstens sind Umfragen keine Wahlen und zweitens ist der Wahlkampf noch nichtmal eröffnet.

      So schnell wie seine Umfragen hoch sind so schnell sind sie wieder unten wenn der einfache Mann hört was Europa kostet.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        "...wenn der einfache Mann hört was Europa kostet."

         

        Da muss dem "einfachen Mann" ebenso wie dem taz-Leser endlich einmal klargemacht werden, dass es ohne EU-Fördermittel kaum irgendwo landwirtschaftliche, bauliche oder sonstige Maßnahmen gäbe.

         

        Oft müssen Gemeinden in manchen förderwürdigen Landstrichen sogar nur zehn Prozent an der Gesamtsumme aufbringen, der Rest kommt größtenteils vom so ungeliebten "Europa", das von mehr oder weniger einfachen Gemütern nur als Geldverschwendung wahrgenommen wird..

         

         

         

        Dies alles sind auch Steuermittel, die allerdings manchmal durchaus regional- oder projektbezogen verteilt werden, aber auf jeden Fall nicht in "Europa" verschwinden, sondern als selbstverständliche "EU-Gelder" eingestrichen, aber nicht entsprechend zur Kenntnis genommen werden.

  • Wäre nicht Schulz aufgetaucht und gäbe es den Kanzlerkandidaten Gabriel, würden die kaum noch ernst zu nehmende CSU-Kasper weiter jeden zweiten Tag auf ihre christliche "Schwester"partei einprügeln. Großzügig gestatten sie nun der in München angetretenen Angelika Merkel, auch in bayrischem Christennamen wieder lie Kanzlerschaft anzustreben.

     

    Diese plötzliche lächerliche Kuschelei zeigt doch, wie armselig das seit Monaten andauernde Dopelte-Lottchen-Spielchen der Christenunion war.

     

    Wann wird die Anmaßung der C-Partei eines einzigen Bundeslandes ein Ende haben, die die eigene Regierung dieser Großen Koalition vor sich hertreibt und ihr den Unfug einer Ausländermaut sowie weitere Erpressungsmanöver diktiert hat ?

  • Schon erstaunlich, wie eisern manche Leute an der guten alten Zeit festhalten!

     

    Wie damals, in den Frühen 80-ern, als sie sozialisiert wurden in einer behäbig-selbstgerechten Super-BRD, scheint es manchen Leute noch heute nur darum zu gehen, dem jeweiligen Gegenkandidaten einen Strich durch sein politisches Kalkül zu machen. Als wäre das angesichts der Welt- oder auch nur der EU-Lage irgendwie hilfreich!

     

    Wähler*innen mögen keine Regierungsparteien, die sich aufführen wie Schulhofschläger. Schon lange nicht mehr. Heute allerdings haben viele von ihnen zusätzlich was gegen Parteien, denen es erkennbar mehr um die Sicherung der eigenen Pfründe geht als darum, die drängenden Aufgaben anzupacken, die sie schon seit Jahrzehnten vor sich her geschoben haben.

     

    Ob Stefan Reinicke nach 12 Jahren Merkel einen "zarten Überdruss" verspürt, ist mir, verdammt noch mal, egal! Mir reicht es nicht, wenn das Merkel durch ein Schulz ersetzt wird und sonst alles beim Alten bleibt. Mich treibt nämlich nicht Langeweile um, sondern die Sorge um die Zukunft meiner Kinder und eventuellen Enkel. Ich frage mich, ob Stefan Reinecke je Kinder hatte.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    König Horst I bedient den Unions-Harmonie-Disharmonie-Schalter, wann immer es Hoheit belieben.

    Dass Prinzessin Angela darauf keinen Einfluss hat/haben darf, leuchtet außerhalb Bayerns hoffentlich keinem Unionswähler ein, denn sonst ist es um sie gescheh'n.