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Kommentar EU-Reform zum UrheberrechtEin Traum für Facebook und Faschisten

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Die Vorlage zur Urheberrechtsreform bringt marginale Verbesserungen. Der Uploadfilter allerdings wird die umfänglichste Vorzensur bislang.

Werden keine positiven Effekte für europäische Kreative haben: Leistungsschutzrecht und Uploadfilter Foto: reuters

M arija Gabriel, die Digitalkommissarin der EU, ist sich sicher: Die Urheberrechtsreform, die im März zur Abstimmung im Parlament steht, sei eine Stärkung für den kulturellen und kreativen Sektor der EU. So kann man die technologische und politische Monstrosität, die da geschaffen wird, natürlich auch beschreiben.

Tatsächlich bringt die Vorlage einige marginale Verbesserungen. Was aber keinerlei positiven Effekt für die europäischen Kreativen haben wird, sind das in Artikel 11 auf europäische Ebene gehobene Leistungsschutzrecht und die Verpflichtung zur Einrichtung sogenannter Uploadfilter. Letztere bedeuten den Zwang, von NutzerInnen generierte Inhalte vor Veröffentlichung auf Rechteverletzungen zu überprüfen.

Angesichts der Datenmenge, die sekündlich online geht, bedarf es zur Umsetzung der Regelung extrem leistungsfähiger technischer Filter. Diese zu entwickeln wird Großkonzernen mit entsprechender Finanzkraft vorbehalten sein. Weil Google und Facebook da die Einzigen sind, die den Vorgaben überhaupt genügen können, ist der Artikel 13, der die Uploadfilter vorschreibt, eine langfristige Rückversicherung für ihre marktbeherrschende Stellung.

Die Infrastruktur, die zur Überwachung des Datenverkehrs entwickelt werden muss, wird außerdem die umfänglichste Vorzensur aller Zeiten werden. Daran werden sicher nicht nur Musikverlage und Filmverleihe interessiert sein, sondern auch der eine oder andere Despot oder „illiberale Demokrat“.

Seltsame Wendung der Geschichte

Die Wiederbelebung des Leistungsschutzrechts schließlich ist eine seltsame Wendung der Geschichte. In Deutschland im Wesentlichen auf Betreiben des Springer-Verlages eingeführt, erwies es sich schon mit der Einführung als Desaster. Alleine die Drohung der Suchmaschine Google, Verlinkungen, für die Abgaben an die Verlage zu entrichten wären, einfach abzuschalten, genügte, um das Gesetz mit Inkrafttreten praktisch unwirksam werden zu lassen.

Wie das auf europäischer Ebene anders laufen soll, bleibt das Geheimnis der EU-Institutionen. Die EU hätte mit der überfälligen Reform pragmatische Lösungen finden können, die vielleicht nicht der Goldstandard des digitalen Zeitalters gewesen wären, aber immerhin die Kreativen und Rechteinhaber in größerer Breite finanziell unterstützen würden. Etwa durch eine pauschale Urheberrechtsabgabe, deren Erlöse den bereits bestehenden Verwertungsgesellschaften zufließen könnten. Dagegen ist das Leistungsschutzrecht ein schlechter Witz, die Uploadfilter aber nur eines: ein fickpissiger Fiebertraum für Face­book und Faschisten.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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11 Kommentare

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  • Wie albern ist das denn: Computerprogramme zur Onlinekontrolle per Uploadfilter werden nicht durch die Urheberrechtsregelung initiiert. Solche Programme haben private Firmen für Diktatoren und andere Interessenten längst im Portfolio. Googel und Co haben vor den chiensischen Diktatoren gekuscht und ebhindern die Nutzung dort. Der Kommenttor baut hier einen 'Antifaschistischen Popanz' auf. Er sollte mal lieber den Artikel in der Januaer-Le Monde Diplomatique über die Entwicklung der Überwachungsprogramme bei Google lesen, als hier billige Stimmungsmache zu betreiben.

  • Neben den gut beschriebenen Effekten, hat das ganze eine weitere Komponente über die nicht berichtet wird.



    Hier ist ein Gesetz mit weltweitem Geltungsanspruch. Den Artikel der Bildzeitung oder das Video der Faschingsparty auf der Helene Fischer im Hintergrund dudelt darf ich ja nicht nur nicht von Deutschland, Spanien oder Italien aus hochladen, sondern auch nicht von Hawaii, Nordkorea oder sonst wo aus.



    Also A haben wir ein Umsetzungsproblem, weil in anderen Ländern ist das ja noch legal! Gilt dann einfach des Recht des größeren Kundenkreises oder wie soll das gehen?



    Was machen wir eigentlich wenn China ein Gesetz beschließt es darf nichts mehr zum Thema Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens im Internet zu finden sein. Nirgendwo, egal von wo aus man sich einloggt.



    Löschen wir dann die Artikel der Wikipedia als Preis für die Hybris von Axel Voss und seinen Besitzern?

  • Warum diese Verwunderung?

    Allen LeserInnen, und besonders taz-JournalistInnen (Versäumnis?) sei anempfohlen das großartige Buch von Shoshana Zuboff:

    "Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus".

    Hier wird minutiös recherchiert und bestens nachvollziehbar erklärt, in was für einer totalitären, massivst manipulativen Maschinerie wir ahnungslosen Internetuser uns befinden.

    Wenn die taz jetzt einen derartigen Artikel schreibt, der von großer Überraschung angesichts der aktuellen Entwicklung zum Urheberrecht zeugt, zeigt das leider nur, dass sie nicht ganz auf der Höhe der kritischen Betrachtungen zum Thema Internet und seiner totalitären Megakonzerne ist.

  • "Letztere bedeuten den Zwang, von NutzerInnen generierte Inhalte vor Veröffentlichung auf Rechteverletzungen zu überprüfen."



    Bisher durften entsprechende Kommentare aus der EU nicht von US-Anbietern verwendet werden.



    Komisch nur, dass man das Geld für den Verkauf der Nutzerprofile den USA überlassen möchte.

    Ganz ehrlich, liebe taz, bitte nicht über Unterstützung von Großkonzernen beschweren, wenn man googletagservice benutzt.

    "„alles ihnen Mögliche“ tun, um Urheberrechtsverletzungen auf ihren Seiten zu verhindern."



    Der Knaller ist, dass es keine exakte Definition von dem Uhrheberrecht im Internet gibt.

  • Seit wann brauchen Fashisten ein Urheberrecht? Das schert denenen doch einen Dreck

  • "... ein fickpissiger Fiebertraum für Face­book und Faschisten."

    ... und die Springerpresse.

  • Für Musiker und andere Kreativschaffende ist der Entwurf aber eine wichtige mögliche Grundlage aus dem value gap zu entkommen. (Musik wird bei YouTube und anderen Plattformen genutzt durch Werbung viel Geld verdient aber beim Künstler/Urheber kommt nichts davon an.)

    Google und Facebook haben ja massiv lobbyarbeit dagegen betrieben.



    Eine Gegendarstellung aus Künstlersicht findet man wenn man nach "Matthias Hornschuh" sucht.

    Davon abgesehen - glaubt ihr dass das Netz bisher nicht gefiltert wird? Alles wird getrackt und überwacht. Jetzt werden vielleicht dadurch die Plattformen in die Pflicht genommen und vielleicht kommt dann mal etwas Geld bei den Urhebern der Inhalte (und zwar bei den richtigen - deren Inhalte auch angesehen werden) an - und bleibt nicht bei den Plattformbetreibern kleben.

    • @musikfreund:

      Würde wirklich mehr Geld bei den Künstlern landen — und nicht etwa bei den Unternehmen, die schon heute mit DMCA-Anfragen alles offline zwingen, das ihnen nicht passt?

      Youtube hat schon heute Verträge mit der Gema, auch weil sonst halt die Videos auf anderen Seiten gelandet wären. Mit Artikel 13 wäre das Youtube-Monopol allerdings gesichert, weil niemand anders sich die Filter für die Vorzensur leisten kann. Das würde die Abhängigkeit von Youtube erhöhen, und entsprechend würden die Verträge mit der Gema schnell zu Ungunsten der Künstler und Künstlerinnen geändert.

      Die Haupt-Unterschied ist, dass Artikel 13 eine Vorzensur verlangt. Wenn Künstler nicht lückenlos beweisen können, dass ihre Werke wirklich nur von ihnen stammen, kommen sie halt nicht online.

  • Filter, so geht der Anfang vom Ende des "freien Webs". Naja, war ja klar, dass es so kommt! Freiheit? War, ist und bleibt immer eine Illusion der Narren. Nichts ist Frei.

    • @Merke:

      "Das Netz" ist doch schon seit Ewigkeiten nicht mehr frei, sondern Überwachungs- und Manipulationsinstrument hoch drei!

      • @cazzimma:

        Nicht "Das Netz", sondern die Plattformen, die leider der Großteil der Leute verwendet.

        Das liegt aber nicht am Netz, sondern daran, dass viel zu viele Leute ihre Privatsphäre und ihre Freiheit bereitwillig gegen Annehmlichkeiten tauschen.