Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Der Merkel-Freundeskreis
Ein Drittstaat wie die Türkei ist derzeit wichtiger als Länder wie Italien oder Polen. Die Europäische Union funktioniert nicht mehr.
sterreichs Kanzler Faymann ist für Kanzlerin Merkel der treueste Verbündete in der Flüchtlingskrise. Dagegen ist nichts einzuwenden, beide Länder liegen schließlich auf derselben liberalen Linie und arbeiten Hand in Hand.
Merkwürdig wird es allerdings, wenn Faymann sich nun auch noch als Gastgeber für Merkel betätigt und eine „Koalition der Willigen“ in seine Brüsseler EU-Vertretung lädt. Das weckt Argwohn und könnte Europa noch mehr spalten.
Schon jetzt zerfällt die EU in drei Gruppen: die Osteuropäer, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sperren; die Westeuropäer, die nur das Nötigste tun; und die „Willigen“, die über die EU-Vorgaben hinausgehen. Nun machen Merkel und Faymann noch ein weiteres Fass auf.
Bei ihrer Elferrunde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ging es nämlich vor allem um die Türkei. Merkel und Faymann maßen sich an, gemeinsam mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoğlu die Beschlüsse umzusetzen, die alle 28 EU-Staaten gefasst haben.
Was Merkel und Faymann wollen
Damit reißen sie neue Gräben auf. Der Merkel-Freundeskreis ist ein Affront für EU-Ratspräsident Tusk, der die EU-Gipfel organisiert. Er ist aber auch ein Problem für Kommissionschef Juncker, der normalerweise für die Umsetzung der EU-Beschlüsse zuständig ist.
Wenn nun elf Staaten unter Führung Merkels darüber befinden, wie es mit der Türkei und den Flüchtlingen weitergeht, dann funktioniert die EU nicht mehr. Dann wird ein Drittstaat, der massiv die Menschenrechte verletzt, wichtiger als Länder wie Italien oder Polen, die nicht dabei waren.
Aber vielleicht ist es ja genau das, was Merkel und Faymann wollen. Vielleicht basteln sie an einem Kerneuropa, das die Bremser hinter sich lässt und einen neuen Weg aus der Flüchtlingskrise eröffnet. Wenn das so ist, dann sollte sie es aber auch offen aussprechen. Alles andere ist Gift für Europa.
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