Kommentar Dissidenten in Nicaragua: Rache in Etappen
Medien, Menschenrechtsbüros und zivilgesellschaftliche Organisationen werden in Nicaragua drangsaliert. Demonstrationen sind verboten.
P atadas de ahogado, wörtlich die Fußtritte des Ertrinkenden, so sagt man im Spanischen, wenn jemand, der seine Sache verloren sieht, noch einmal mit aller Kraft um sich schlägt. Man ist versucht, dieses Bild auf das Ortega-Murillo-Regime in Nicaragua anzuwenden, das gerade die letzten Bastionen der Dissidenz schleift.
Unter dem Pauschalvorwurf der Verschwörung und des Putschversuchs werden Medien, Menschenrechtsbüros und zivilgesellschaftliche Organisationen drangsaliert, verboten und von der Polizei gestürmt. Es wird nicht mehr scharf geschossen, wie noch vor wenigen Monaten. Demonstrationen werden einfach nicht mehr zugelassen.
Den aufgelösten Institutionen ist gemein, dass sie von Leuten geleitet werden, die vor wenigen Monaten noch Daniel Ortega bei einem von den Bischöfen moderierten nationalen Dialog gegenübersaßen und dessen Rücktritt sie forderten. Die Rache folgte etappenweise. Erst ließ der ehemalige Revolutionskommandant die Protestbewegung unter hohem Blutzoll militärisch niederschlagen, dann wurden Proteste kriminalisiert und Oppositionelle scharenweise eingesperrt. Jetzt sollen die letzten Stimmen des Widerstands zum Schweigen gebracht werden.
Wie Erdoğan in der Türkei oder Putin in Russland bedient sich Ortega formal der Instrumente des Rechtsstaats, um die Demokratie außer Kraft zu setzen. Ein Scheinparlament, wo sich die regierungstreue Zweidrittelmehrheit einem dreisten Wahlbetrug verdankt, liefert die rechtliche Grundlage für die Unterdrückung aller abweichenden Meinungen.
Das außenpolitisch weitgehend isolierte Regime, das sich im Inneren jüngsten Umfragen zufolge nur noch auf knapp ein Fünftel der Bevölkerung stützen kann, zeigt keinerlei Signale der Kompromissbereitschaft. Aber mittelfristig kann sich keine einzig von den Bajonetten getragene Despotie halten. Der Widerstand findet zwar großteils nur mehr in den sozialen Medien statt, doch die sind kaum zum Schweigen zu bringen. Schließlich gehören die Mobiltelefongesellschaften transnationalen Konzernen.
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