Kommentar Diesel-Gipfel: Ein trauriger Witz
Großkonzerne sind zu mächtig, um sie zu Veränderungen zu zwingen. Dafür braucht es eine radikalökologische Opposition. Also die Grünen.
E s ist der Witz des Tages: Treffen sich ein paar Umweltfreaks vor dem Verkehrsministerium – schon flüchtet die Autolobby! Deutlicher kann man die desolate Lage der Autorepublik gar nicht beschreiben. Die Manager und die mit ihnen verbandelten Politiker müssen Asyl im Innenministerium suchen, um über die Dieselkrise zu reden.
Das ist aber auch die einzige erhellende Neuigkeit. Die angekündigte Nachrüstung von Dieselautos ist nichts als teure Kosmetik. Wegweisenderes konnte der Gipfel nicht bringen. Denn die Konzerne haben ein Problem. Sie sind too big to fail – zu groß, um zu stürzen. Zu mächtig. Zu unangreifbar. Jeder weiß das.
Sie sind wie manövrierunfähige Tanker, die nur geradeaus fahren können. Vielleicht können sie aus eigener Kraft noch minimal abbremsen. Aber sie steuern unweigerlich auf die Klippe zu. Die betrügerische Bande wird aus falsch verstandenem Selbsterhaltungstrieb weitermachen, auflaufen und untergehen. Jeder weiß das.
„Der Privat-Pkw mit Verbrennungsmotor ist das Nokia-Handy kurz vorm iPhone. Man dachte, man braucht es, und zwei Wochen später war's obsolet“, twitterte kürzlich der Ex-Pirat Christopher Lauer. Er hat recht. Wer auf ein veraltetes Produkt setzt, wird über kurz oder lang von der Konkurrenz hinweggefegt. Das ist so im Kapitalismus. Jeder weiß das.
5 Mark pro Liter Benzin
Der real existierenden Autoindustrie müsste man keine Träne nachweinen – hätte sie nicht tatsächlich eine unübersehbare Bedeutung für die hiesige Wirtschaft. Aber retten könnte sie nur ein Weg: denkbar schärfste Vorgaben durch die Politik, die sie zum notwendigen, radikalen Umbau zwingt. Für die Umwelt, für die Gesundheit der Menschen, für die Arbeitsplätze und – falls jemand ein Unsinnsargument in globalisierten Zeiten braucht – für Deutschland. Dummerweise sind CDU, CSU, SPD und FDP Teil des Problems. Jeder weiß das.
Es bräuchte eine mutige, radikalökologische Opposition, die – nur mal so als Idee – 5 Mark pro Liter Benzin fordert. Nicht um der Autoindustrie zu schaden, sondern um sie zu ihrem Glück, zum sozialökologischen Umbau zu zwingen. Also die Grünen. Aber die regieren ja auch mit. In der Daimler-Stadt Stuttgart. Jeder weiß das.
Und deshalb bleibt einem selbst nach dem besten Dieselgipfelwitz das Lachen im Hals stecken.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links