Kommentar Diesel-Fahrverbote: Regierung steuert stur ins Chaos
Aus Angst vor noch mehr Ärger schreckt die Bundesregierung vor der Einführung der blauen Plakette zurück. Das hilft niemandem.
F ür einen Moment sah es so aus, als würde die Bundesregierung doch zur Vernunft kommen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dass kommunale Dieselfahrverbote zulässig sind, kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert an, dass die Einführung einer blauen Plakette noch einmal gründlich geprüft werde. Mit einem solchen Sticker wären saubere Dieselfahrzeuge von dreckigen zu unterscheiden, sodass gezielte Fahrverbote leichter umsetzbar würden.
Inzwischen ist diese Annäherung an die Realität schon wieder verflogen. Während das Umweltbundesamt als zuständige Bundesbehörde nun sogar zwei verschiedene blaue Plaketten fordert, um je nach Luftqualität unterschiedlich viele Autos aussperren zu können, will die Bundesregierung von der Idee überhaupt nichts mehr wissen.
Sowohl der designierte CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer als auch das Kanzleramt lehnen eine neue Plakette komplett ab. Und selbst das SPD-geführte Umweltministerium tritt inzwischen nicht mehr offensiv dafür ein.
Dahinter steht die Angst der Regierung, von wütenden Diesel-Fahrern für die Fahrverbote verantwortlich gemacht zu werden, die mit der blauen Plakette erleichtert würden. Diese Angst ist so groß, dass das Verkehrsministerium dafür nicht nur die Wut der Städte in Kauf nimmt, die die von den Gerichten vorgegebenen Fahrverbote ohne blaue Plakette nur mit sehr viel größerem Aufwand kontrollieren könnten.
Kurzsichtiger Opportunismus
Auch hohe Strafzahlungen an die EU schrecken Merkel offenbar nicht, wenn ihr dafür jetzt der Ärger erspart bleibt – zumal diese vermutlich erst in der nächsten Legislaturperiode anfallen würden.
Aus kurzsichtigem Opportunismus steuert die Union mit ihrer Weigerung direkt in ein Chaos aus unterschiedlichen Regelungen in den betroffenen Kommunen. Damit tut sie weder den betroffenen Diesel-FahrerInnen noch der Autoindustrie einen Gefallen. Denn die Unsicherheit, wer in Zukunft wo fahren darf, dauert an. Planungssicherheit sieht anders aus.
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