Kommentar Deutsche Panzer in Syrien: Waffenexport konsequent verharmlost
Die Bundesregierung ist mitverantwortlich für Erdoğans Krieg und dessen Opfer. Mehr als verlogene Apelle zur Mäßigung hat sie nicht zu bieten.
D eutschlands Nato-Verbündeter Türkei führt Krieg mit aus Deutschland gelieferten Panzern und anderen schweren Waffen. Und dies – wie schon seit Jahrzehnten – nicht mehr nur gegen die KurdInnen im eigenen Land, was schon schlimm genug ist. Jetzt setzt Ankara aber diese Waffen auch völkerrechtswidrig gegen KurdInnen im Nachbarland Syrien ein.
Kritikerinnen und Kritiker der deutschen Rüstungsexportpolitik haben schon lange vor dieser gefährlichen Entwicklung gewarnt. Alle Bundesregierungen der vergangenen 30 Jahre, seit über Rüstungslieferungen an die Türkei kontrovers diskutiert wird, haben diese Gefahr immer verharmlost. In welcher parteipolitischen Zusammensetzung auch immer. Sie sind mitverantwortlich für Erdoğans Krieg und dessen Opfer unter der kurdischen Bevölkerung in Syrien.
Niemand sollte überrascht sein, wenn es als Reaktion auf diesen von Ankara zynischerweise unter dem Titel „Operation Olivenzweig“ geführten Krieg erneut zu Anschlägen kurdischer Extremisten kommt – in der Türkei und vielleicht auch in Deutschland.
Ankaras Luftangriffe und die Invasion mit Panzerverbänden spitzen die Widersprüche im globalen „Krieg gegen den Terrorismus“ weiter zu. Denn die Militärschläge richten sich gegen die vom Nato-Partner USA unterstützten und bewaffneten kurdischen Milizen, die aus Sicht Washingtons die effektivsten Kämpfer bei der Vertreibung des sogenannten Islamischen Staats waren.
Assad schaut zufrieden zu
Die türkischen Invasoren werden ihrerseits von der Freien Syrischen Armee (FSA) unterstützt, die sich im Herbst 2012 als säkularer bewaffneter Arm der politischen Oppositionsgruppen gegen die Regierung Assad formierte. Denn die FSA streitet sich mit den Kurden sowie mit diversen islamistischen Rebellengruppen um die Gebiete im Norden und Nordosten von Syrien, aus denen der IS inzwischen vertrieben wurde.
Assads Regierungsstreitkräfte, deren Aufgabe es doch eigentlich sein sollte, das eigene Territorium und die kurdischen StaatsbürgerInnen gegen die Angriffe der Türkei zu verteidigen, bleiben untätig und schauen zufrieden zu, wie sich Kurdenmilizen, FSA und islamistische Rebellen gegenseitig schwächen. Denn auch Assads Regierungstruppen wollen die vom IS befreiten Regionen unter ihre Kontrolle bringen.
Offensichtlich wegen dieser Widersprüche vermeiden die Regierungen in Berlin und anderen westlichen Hauptstädten eine klare Einstufung und Verurteilung von Ankaras Krieg als „völkerrechtswidrig“ und flüchten sich stattdessen in verlogene „Appelle an beide Seiten zur Mäßigung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit