Kommentar Cumhuriyet-Prozess: Urteil im Auftrag der Regierung
Erdoğan lässt kritische Stimmen via Gericht mundtot machen. Die Journalisten benötigen jetzt umso mehr die Unterstützung der demokratischen Welt.
D ie hohen Haftstrafen, die ein Gericht im Sondergefängnis Silivri am Mittwochabend gegen 14 Mitarbeiter der wichtigsten türkischen Oppositionszeitung Cumhuriyet verhängte, waren zu erwarten. Und doch ist es ein Unterschied ob man befürchtet, dass etwas passiert, oder es dann tatsächlich eintritt. Denn die Urteile wegen angeblicher Unterstützung diverser „Terrororganisationen“ erwecken noch nicht einmal mehr den Anschein einer um Wahrheitsfindung bemühten Justiz.
Hier ist ein Gericht schlicht dem Auftrag der Regierung nachgekommen, eine der wenigen noch hörbaren regierungskritischen Stimmen mundtot zu machen. Zwar betonten die betroffenen Journalisten, die Regierung hätte sich mit Cumhuriyet die falsche Zeitung ausgesucht, man werde ganz sicher nicht aufgeben, doch das ist leichter gesagt als getan. Wenn die wichtigsten Leute erst einmal im Gefängnis sitzen und die Regierung der Zeitung mit bürokratischen Tricks und der Behinderung des Vertriebs die Geldzufuhr abschneidet, kann es mit Cumhuriyet, der ältesten Zeitung der Türkei, bald vorbei sein.
Zwar ist richtig, was der prominenteste Reporter des Blattes, Ahmet Şık, gestern sagte: Auf Dauer ist die Wahrheit auch von einer autoritären Regierung nicht zu unterdrücken. Doch der Zeitraum, bis die Wahrheit in der Türkei wieder triumphiert, kann etwas länger dauern, als viele hoffen.
Die Regierung hat fast die gesamten Medien des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und auch an allen anderen Schalthebeln der Macht, zum Beispiel in der Justiz, sitzen längst Vertraute von Präsident Erdoğan. Wenn Erdoğan, wie geplant, im Juni auch noch formal zum Präsidenten mit aller Machtvollkommenheit gewählt wird, geht das Land erst einmal in ein tiefes, dunkles Tal. Wenn trotzdem weiterhin viele mutige Menschen dagegenhalten, jeden Tag dabei riskieren, ebenfalls verhaftet zu werden und dennoch nicht aufgeben, verdient das alle Unterstützung aus der demokratischen Welt.
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