Kommentar Ceta und das EU-Parlament: Gefährliches Signal
Ceta soll flott durch das EU-Parlament gebracht werden. Damit machen sich Schulz, Gabriel und die gesamte EU unglaubwürdig.
Das Europaparlament hat das letzte Wort. Es wird darüber wachen, dass das umstrittene Ceta-Abkommen mit Kanada den höchsten Standards entspricht. So haben es Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel versprochen. Sie sind im Begriff, ihr Wort zu brechen. Denn die Eile, mit der sie Ceta durchbringen wollen, passt nicht zu den schönen Worten. Schon in drei Wochen soll die finale Abstimmung im Plenum stattfinden. Wichtige Fachausschüsse des Parlaments, in denen Experten sitzen, sollen nicht mehr angehört werden.
Wenn das so bleiben sollte, wäre es ein Skandal, denn das Abkommen ist auf den letzten Metern noch einmal deutlich verändert worden. Nicht nur die Wallonen haben es mit Klarstellungen versehen, weil sie Nachteile für ihre Landwirte und ihre Umweltgesetze fürchten. Auch Deutschland hat Ceta verändert, unter anderem mit einer nationalen Ausstiegsklausel.
Insgesamt wurden dem Abkommen 38 Erklärungen beigefügt, die das Europaparlament erst noch prüfen muss. Außerdem haben viele Abgeordnete Zweifel am geplanten neuen Investitionsgerichtshof und fordern eine rechtliche Prüfung. All das braucht Zeit, es lässt sich nicht in drei Wochen durchpeitschen.
Doch vor allem Schulz läuft die Zeit davon. Der SPD-Politiker möchte den Deal abschließen, bevor er über seine nächsten Karriereschritte nachdenkt. Die Zivilgesellschaft und viele Europaabgeordnete haben aber ganz andere Interessen. Sie wollen nicht zulassen, dass ein SPD-Politiker Ceta als Wahlempfehlung für ein neues Amt, etwa als Außenminister, zweckentfremdet. Sie fordern mehr Zeit und ausführliche Beratungen. Dass das Europaparlament bereits seit 2009 über Ceta verhandelt, ist kein Gegenargument. Denn die Welt hat sich gerade gedreht, Freihandelsabkommen geraten nun überall unter Druck.
Die Stunde des Parlaments muss jetzt schlagen, wie versprochen. Und sie muss länger sein als eine Zigarettenpause. Sonst machen sich nicht nur Schulz und Gabriel unglaubwürdig, sondern die gesamte EU. Es wäre ein gefährliches Signal in gefährlichen Zeiten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder