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Kommentar Ceta-UrteilJetzt wieder politisch diskutieren

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht hat eine einstweilige Verfügung gegen Ceta abgelehnt. Die eingebauten Sicherungen sind vor allem symbolisch.

Der zweite Senat entscheidet, ein hölzerner Adler guckt dazu grimmig Foto: dpa

D as Ceta-Urteil ist ein typisches Karlsruhe-Urteil: Die Regierung kann ihre Pläne im Prinzip weiterverfolgen, doch das Bundesverfassungsgericht baute einige Sicherungen ein. So nutzt das Urteil am Ende allen. Die Bundesregierung erhält mehr Akzeptanz für die Freihandelspolitik der EU, die ja nicht zuletzt der deutschen Wirtschaft nützt. Die Skeptiker dieser Politik wurden aber angehört, ernst genommen und ihre Befürchtungen von den Richtern aufgegriffen.

Dass Karlsruhe Ceta nicht schon vor der Unterzeichnung stoppt, war aber bereits seit Wochen abzusehen. Denn anders als zunächst geplant, wird Ceta von der EU jetzt als gemischtes Abkommen behandelt. Das heißt neben EU-Ministerrat und Europäischem Parlament müssen auch alle nationalen Parlamente zustimmen. Und bis dahin wird nur der unproblematischere Teil des Abkommen – ohne das umstrittene Investitionsgericht – vorläufig angewandt. Dass hier bis zur endgültigen Karlsruher Entscheidung unumkehrbare Nachteile entstehen, war nicht wirklich zu befürchten.

Die Diskussion um den unkontrollierten Gemeinsamen Ceta-Ausschuss wirkte da ziemlich aufgeblasen. Sie kam ja auch erst auf, als das Investitionsgericht, bei dem Investoren gegen Staaten klagen können, von der vorläufigen Anwendung ausgenommen wurde. Insofern haben auch die von Karlsruhe eingebauten Sicherungen gegen Alleingänge des Gemeinsamen Ausschusses eher symbolische Wirkung.

Die Debatte wird in nächster Zeit nun wieder mehr politisch als juristisch geführt. Und wenn es um die Ratifizierung des Abkommens durch Bundestag und Bundesrat geht, dann geht es um den vollen Inhalt des Abkommens, also auch um den Investitionsgerichtshof. Vermutlich wird der Gemeinsame Ceta-Ausschuss bald wieder zu einem Randthema werden.

Ceta-Kritiker haben recht viel erreicht

Dabei ist festzuhalten, dass die Ceta-Kritiker schon recht viel erreicht haben. Die privaten Schiedsgerichte wurden durch ein öffentliches Investitionsgericht ersetzt. In einer verbindlichen Zusatzerklärung zum Ceta-Vertrag geben die Vertragspartner allerlei Garantien, dass das Investitionsgericht sich auf Fälle von Willkür beschränkt und legitime Sozial- und Umweltregeln akzeptiert. Geht es jetzt nur noch um das Prinzip?

Natürlich braucht man in Deutschland kein Sonderrecht für Investoren. Aber wenn Ceta ein Modell-Abkommen sein soll, dann kann man schlecht Deutschland ausnehmen. Und schon die Entwicklung in vielen EU-Staaten Richtung Nationalismus, Protektionismus und gegen Rechtsstaatlichkeit zeigt, dass das bloße Vertrauen auf örtliche Gerichte oft keine gute Idee ist.

Aber die Diskussion um Ceta läuft ja nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen Europas. Wenn Ceta in jedem Mitgliedsstaat ratifiziert werden muss, dann kann Ceta auch in jedem Mitgliedsstaat zu Fall gebracht werden. Oder auch in Teilen von Mitgliedsstaaten, etwa in Wallonien, einem Gliedstaat Belgiens.

Wie das niederländische Referendum um das Assoziationsabkommen mit der Ukraine gezeigt hat, lassen sich solche Debatten auch schnell von Nationalisten, Rassisten und EU-Kritikern kapern. Dann geht es nicht mehr um den Schutz vor Genpflanzen, sondern um die nationale Souveränität und den Schutz vor „Überfremdung“.

Auch in Karlsruhe saß mit dem deutschnationalen Rechtsprofessor Karl-Albrecht Schachtschneider ein stramm-rechter Ceta-Gegner mit auf der Klägerbank. Ob der europaweite Widerstand gegen Ceta eine zivilgesellschaftliche Erfolgs-Story wird, ist noch sehr zu bezweifeln. Die linken und demokratischen Ceta-Gegner brauchen jedenfalls sehr viel strategisches Geschick, um hier nicht des billigen Erfolgs willen die falschen Kräfte zu stärken.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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9 Kommentare

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  • Das ist doch gerade die Frage, ob eine politische Diskussion über CETA überhaupt ermöglicht wird. Die Geburtsstunde des außerparlamentarischen Widerstands war ja gerade die Heimlichtuerei, die nachweislichen Lügen und das Ausschließen der Zivilgemeinschaft aus Verhandlungen zwischen Wirtschaft und Staaten. Was also soll das heißen "wieder politisch diskutieren"? Hat der Autor das Thema nicht ausreichend durchdacht oder argumentiert er vorsätzlich unfair?

  • "Jetzt wieder politisch diskutieren"

     

    würde ich seit Langem furchtbar gern, Christian Rath - das finge aber damit an, dass die Befürworter erst mal leidlich schlüssig, plausibel und faktengestützt darlegen, WOZU ÜBERHAUPT so ein Abkommen benötigt wird. Für die Vereinheitlichung von Blinkerfarben gibt es internationale Normungsgremien, für die Beseitigung von Zöllen reicht ein DIN-A-4-Blatt, und alle Behauptungen über Wachstum von BIP und Arbeitsplätzen durch CETA sind längst ad absurdum geführt. Statt konkreter Darlegungen schwafeln die Befürworter nur noch von (nicht näher bezeichneten) "Standards", die - unbewiesen - auf höchstem Niveau vereinbart worden seien. 20% mehr Handel klingt toll - übersieht aber, dass dieser Scheinzuwachs mangels Nachfrage-Steigerung zu Lasten bisheriger Handelspartner (auch EU-intern oder gar heimisch) geht.

     

    Ihre Marginalisierung der Rechtsfragen, lieber C. Rath, ist - pardon - ein bisschen unbedarft. Kennen Sie CETA im Wortlaut? Der "gemeinsame CETA-Ausschuss" ist ein brandgefährliches Einfallstor für die Herrschaft derLobbyisten, und auch der Handelsgerichtshof ist mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen unseres GG unvereinbar.

     

    Völlig unakzeptabel ist Ihr ziemlich perfider Brückenschlag zu den völkisch-nationalistischen CETA-Gegnern am rechten Rand. Ist die sachlich begründete Ablehnung eines die Demokratie aushebelnden Vertrags wirklich anrüchig, nur weil irgendwelches braune Pack - aus völlig anderen Gründen - auch dagegen ist?

  • Wer es mit der Förderung von Rechtsstaatlichkeit in Europa und andernorts ernst meint, sollte nicht durch supranationale Gerichte das Interesse international agierender Unternehmen an der Herausbildung von stabiler und flächendeckender Rechtsstaatlichkeit in den betreffenden Ländern mindern. So simpel ist das.

  • Hier wieder eine typische Sichtweise, in C Rath meint, alle konnten profitieren, win-win-Situation, alle werden integriert und man könne Freihandel und Mitentscheiden kombinieren.

     

    Für und Wider - Synthese - das ist grober Unfug.

    Genau das ist die Illusion.

    Auf diese Weise der Integration werden Wettbewerbsnationalismus und Staatsmacht gefördert.

    ich sage zu beidem NEIN.

  • CETA nutzt nicht allen, Herr Rath. Auch dann nicht, wenn die Gegner vorher gnädigerweise angehört wurden. Ernst genommen hat man sie nicht, sonst wäre CETA gestoppt.

  • "Die eingebauten Sicherungen sind vor allem symbolisch."

     

    Diese Aussage ist zutreffend. "Nur symbolisch gemeint" kennt man ja bereits von bestimmten Sekten, wenn etwas je nach Befindlichkeit alles Beliebige bedeuten soll, nur nicht das, was wörtlich im Text steht.

     

    Gewisse Erfolge der Ceta-Gegner kann ich nicht entdecken. Denn auch für das BVG scheint je nach Fall auch immer wieder einmal zu gelten "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern".

  • würde man also die Bevölkerung befragen, spielten diese Dogmen von Links und Rechts keine Rolle. Diese Problematik stellt sich nur, wenn politisches Handeln und politische Willensbildung von Parteien erfolgt. Dann könnte amn auch mal das gegenseitige Diffamieren sein lassen.

  • "Die linken und demokratischen Ceta-Gegner brauchen jedenfalls sehr viel strategisches Geschick, um hier nicht des billigen Erfolgs willen die falschen Kräfte zu stärken."

    Ich glaube, dass der Autor hier etwas missverstanden hat - es geht nicht um einen "billigen Erfolg" - es geht um demokratische Herzensangelegenheiten von besorgten Bürgern! Sollen Bürger jetzt aufhören gegen Unrecht zu demonstrieren, nur weil "solche Debatten gekaptert" werden können? Was ist das für ein Demokratieverständnis? Zumindest fragwürdig!

  • Wallonien hat heute die Zustimmung zu CETA verweigert - jetzt wird es spannend!