Kommentar Bundeswehrreform: Ein undankbarer Job

Nur ein Strahlemann wie Guttenberg konnte die Wehrpflicht abschaffen. Nur ein Machtmechaniker wie de Maiziere kann das Projekt umsetzen - doch das Unbehagen bleibt.

Mehr als bloße Schatten ihrer selbst: Soldaten der Bundeswehr. Bild: dapd

Der Rücktritt zu Guttenbergs und das politisch-mediale Erdbeben, das er auslöste, hat eine wichtige inhaltliche Frage in den Hintergrund treten lassen: Was passiert mit der wohl größten Reform, die die schwarz-gelbe Koalition sich vorgenommen hat - dem Umbau der Bundeswehr?

Die Antwort ist nicht einfach. Völlig zu Recht will der neue Verteidigungsminister de Maiziere alle Pläne erstmal prüfen, bevor er sich äußert. Doch schon die Ministerrochade im Kabinett zeigt, wie wichtig Bundeskanzlerin Merkel die Reform nimmt. Der Austausch war kühl kalkuliert, geschickt und keineswegs überhastet, wie manche vermuteten - und er diente vor allem dem Zweck, die Bundeswehrreform zu schützen.

Merkel schickt mit de Maiziere ihre Allzweckwaffe ins Verteidigungsministerium, er ist ihr gegenüber absolut loyal eingestellt und versteht es hervorragend, komplizierte Prozesse zu managen. Das hat er jahrelang als Chef des Kanzleramts bewiesen. Für diesen Trumpf nimmt Merkel in Kauf, dass im Innenressort der bundesweit eher unbekannte CSUler Friedrich gestrige Thesen über den Islam verbreitet. Merkel hat ihre Prioritäten klar gemacht.

Dabei kam der erzwungene Ministerwechsel dem Ziel, aus der bundesrepublikanischen, auf Verteidigung angelegten Bundeswehr eine kleine und schlagkräftige Freiwilligen- und Interventionsarmee zu formen, durchaus zu Gute. Denn nur ein Charismatiker wie zu Guttenberg, der unter Parteifreunden wegen seiner Beliebtheit in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als unantastbar galt, konnte der Partei die Abschaffung der als ebenso unantastbar geltenden Wehrpflicht abringen.

Und nur ein Machtmechaniker wie de Maiziere kann ein solches Mammutprojekt auch umsetzen. Dennoch kann das Merkelsche Geschick bei der schnellen Personalie nicht über die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit hinwegtäuschen. Die Reform besteht im Moment vor allem aus wolkigen Ankündigungen, die nicht mit realer Politik unterlegt sind - und sich vielleicht auch gar nicht umsetzen lassen.

So ist etwa in keiner Weise einleuchtend, warum eine Verkleinerung der Truppe, die von Ex-Minister zu Guttenberg ursprünglich als Sparidee verkauft wurde, nun plötzlich mehr Geld kosten soll. Dann ist bei der ach so attraktiven Freiwilligenarmee völlig offen, ob sich überhaupt genug Freiwillige finden, womit das Grundkonzept zur Disposition stünde. Es gibt attraktivere Berufe für junge Menschen, als in den Afghanistans dieser Welt ihr Leben zu riskieren. Und nicht zuletzt hat die Koalition die Reform völlig überhastet gestartet - die Wehrpflicht ist faktisch abgeschafft, vom Parlament jedoch noch nicht beschlossen.

Es spräche also viel dafür, die Reform noch einmal aufzuschieben, wie es die SPD nun fordert. Auch um des Preises willen, dass Kritiker mehr Zeit haben, sie zu beschädigen. Doch für die Koalition und Kanzlerin Merkel wäre eine solche "Zurück-auf-los"-Wende eine Blamage. Zu sehr hat sie sich auf das schnelle, wenn auch planlose Vorgehen festgelegt. Und auch wenn im Moment die eigenen Reihen fest geschlossenen scheinen: Spätestens wenn es um die Schließung von Kasernen in Wahlkreisen geht, wird in der Union das Unbehagen an der Reform, das zu Guttenbergs Strahlkraft überdeckte, neu aufbrechen.

Thomas de Maiziere hat die Aufgabe diese verkorkste Konstellation aufzulösen. Man könnte auch sagen: Verteidigungsminister ist vom glamourösesten Job im Kabinett zum undankbarsten geworden.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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