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Kommentar BundeswehrMehr Soldaten? Weniger Einsätze!

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Ursula von der Leyens Forderung nach mehr Soldaten ist überflüssig. Eine Entlastung ist auch möglich, wenn Auslandseinsätze reduziert werden.

Deutsche Soldaten in Afghanistan: Bei den Auslandseinsätzen könnten noch Ressourcen eingespart werden Foto: dpa

D ie Bundeswehr ist überlastet, da hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) durchaus recht. Wenn Schiffsbesatzungen die Hälfte des Jahres auf hoher See verbringen, Soldaten zwischen Einsätzen keine angemessenen Pausen erhalten und Bundeswehrkrankenhäusern die Pfleger ausgehen, muss die Verteidigungsministerin handeln.

Falsch wäre es aber, wenn sie im Kampf gegen die Überlastung nur noch an der einen Stellschraube – mehr Personal – dreht und darüber die andere Stellschraube – weniger Aufgaben – vergisst.

Zumal es problemlos möglich wäre, die Zahl der Auslandseinsätze zu senken, trotz Fluchtkrise, Terror und Bürgerkriegen. Die Bundesregierung müsste dafür noch nicht mal die neuen Mandate infrage stellen. Es würde schon reichen, alte Missionen zu überprüfen, auszusetzen oder zu beenden. Entsprechende Vorschläge hat die SPD bereits vorgelegt.

Da wäre zum Beispiel der Anti-Piraterie-Kampf am Horn von Afrika. Seit 2008 patrouilliert die deutsche Marine vor der somalischen Küste, um Handelsschiffe zu schützen. Donnerstag wird der Bundestag das Mandat für bis zu 600 Soldaten verlängern. Seit Februar 2014 haben Piraten keinen Frachter mehr angegriffen. Auf den Handelsschiffen sind jetzt private Sicherheitskräfte im Einsatz.

Es würde schon reichen, alte Missionen zu überprüfen oderzu beenden

Dem gegenüber stehen kleinere Missionen. Mit gerade mal vier Soldaten beteiligt sich die Bundeswehr an einem UN-Einsatz in der Westsahara, mit jeweils bis zu 50 Soldaten an Einsätzen im Südsudan und im Sudan. Für jede dieser Missionen, egal wie klein, fällt in Deutschland zusätzlicher Unterstützungsaufwand an. Würde sich die Bundeswehr auf einen dieser Kleinsteinsätze konzentrieren, während sie andere abgäbe, könnte sie also ebenfalls einsparen.

Damit allein wäre die Überlastung der Bundeswehr noch nicht beseitigt. Die Personalnot könnte man so aber zumindest lindern. Und das auch noch kurzfristig: Aus Auslandseinsätzen kann sich das deutsche Militär innerhalb weniger Monate zurückziehen, während für neue Einheiten viel Vorlauf nötig ist.

Dazu braucht das Ministerium erst Geld für neue Stellen, dann geeignete Bewerber – und am Ende Jahre für die Ausbildung. Zumindest für den Moment ändert von der Leyens Ankündigung für ihre Soldaten also gar nichts.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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17 Kommentare

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  • Frau v. der Leyen neigt offenbar zu Größenwahn und Übertreibung. Schon zu Hause konnte sie den Stall ja gar nicht voll genug kriegen, bevor sie dann doch lieber nach Berlin flüchtete.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    So gerne man das hätte, doch ganz ohne Bundesweher geht es leider (!) nicht. Doch anstatt nur über Ausgaben für militärische Zwecke zu reden, sollte man endlich einmal damit ernsthaft beginnen, Geld für Friedens- und Konfliktforschung und --erhaltung ausgeben. Idealerweise wäre der gleiche Betrag für beide Richtungen, doch nicht einmal ein Anfang wird gemacht. Weder PolitikerInnen von Links noch Grün stellen diese Forderung auf. Von den anderen erwartet man das ohnehin nicht...

  • ...was ist das im Übrigen eigentlich für ein blödsinniger Kommentar? Glaubt Tobias Schulze wirklich, die Bundeswehr in Punkto Effizienz bei der Durchsetzung von Kriegseinsätzen beraten zu können?

     

    Wobei ich freilich dafür wäre, dass unsere Jungs möglichst zügig überall auf der Welt aufräumen, wo keine demokratischen Verhältnisse herrschen. Schließlich sind "wir" alle Deutsche, und haben damit den Berechtigungsschein. Genau wie die Amis.

  • Woher soll denn das Personal kommen? Es wurde doch in den letzten Jahren hinreichend über die Nachwuchsprobleme gejammert - jetzt kann man mit einem Fingerschnippen die Truppenstärke erhöhen?

  • Die Vision waere, dass alle Buergerkriegsgebiete von Soldaten zivilisierter Nationen befriedet werden. Dazu wuerde man eine einige UNO benoetigen ohne staendiges Veto Russlands. Im Kosovo hat das funktioniert. Das waere auch fuer Syrien moeglich. wie der Kosovo, Aufteilung in Zonen. Oder Libyen. Unter Einschluss Russlands. Zumindest der Hauptgebiete. Der Rest mit Drohnen kontrollieren. Im Kosovo war damals sogar die Ukraine, 1999. In Afghanistan hat es nur bedingt funktioniert, da Pakistan die Taliban unterstuetzen.

  • Klassische betriebswirtschaftliche Entscheiderlogik.

     

    Mehr Soldaten = Höherer Waffenbedarf = höherer Umsatz = höhere Anteilseignerrenditen & Vorstandsboni

     

    Die simple Frage: Wem nützt die Erhöhung der Soldatenzahl.

     

    Die reziproke Frage, die zu dieser Soldatenanzahlerhöhung auf der Agenda steht: Wem nützt die Reduzierung der Personalkapazitäten in den Sektoren der Steuerfahndung, der Sozialabgabenbetrugsfahndung, der EUSt-Betrugsfahnundungskapazitäten.

     

    Die plausible Antwort: Dem industriell-militärischen Komplex, weil die Finanzierung der Erhöhung der Soldatenanzahl durch die Reduzierung der Personalkapazitäten in den o.g. Sektoren der Besitzstandsbetrugswirtschaftverfolgung erreicht wird.

     

    Übrigens wird gerade die Reform der Sektoren der Steuer-, Abgaben- und Rentenbetrugswirtschaft von den griechischen Polit- und Justizkadern verlangt.

     

    Spass ist das nicht. Eher schon so etwas wie organisierte Staatsmachtkriminalität.

    • @Tao Lao:

      Billige Kritik. Glauben Sie ernsthaft, Kriege werden geführt, um Waffen zu verkaufen? Und dann diese Aufrechnung von gutem vs. bösem Staatspersonal... völlig falsch!!!

       

      Sie sprechen von "Staatsmachtkriminalität". Wie kommen Sie dazu, sich zum Souverän aufzuschwingen, der zwischen legal und illegal (Kriminalität) entscheidet? Diese Entscheidung liegt nicht bei Ihnen, sondern beim Staat. Es ist nicht "kriminell", Truppen in andere Länder zu entsenden (genausowenig, wie Faschismus ein "Verbrechen" ist). Dies entscheidet der Staat, dessen Repräsentanten sich alle 4 Jahre vom Volk die Unterschrift zur Herrschaft abholen. Und regelmäßig kriegt das Volk auf die Fre..e.

       

      Haben Sie ein Problem damit?

      Ich schon.

    • @Tao Lao:

      Billige Kritik. Glauben Sie ernsthaft, Kriege werden geführt, um Waffen zu verkaufen? Und dann diese Aufrechnung von gutem vs. bösem Staatspersonal... völlig falsch!!!

       

      Sie sprechen von "Staatsmachtkriminalität". Wie kommen Sie dazu, sich zum Souverän aufzuschwingen, der zwischen legal und illegal (Kriminalität) entscheidet? Diese Entscheidung liegt nicht bei Ihnen, sondern beim Staat. Es ist nicht "kriminell", Truppen in andere Länder zu entsenden (genausowenig, wie Faschismus ein "Verbrechen" ist). Dies entscheidet der Staat, dessen Repräsentanten sich alle 4 Jahre vom Volk die Unterschrift zur Herrschaft abholen. Und regelmäßig kriegt das Volk auf die Fre..e.

       

      Haben Sie ein Problem damit?

      Ich schon.

  • Für "ihre" Soldaten ändert von der Leyens Ankündigung für den Moment gar nichts, das ist wahr. Aber wenn ich die Tagesschausprechenrin heute richtig verstanden habe, ist das auch gar nicht das Ziel. In erster Linie geht es darum, den Bündnispartnern ein Signal zu senden - und Frau von der Leyen mal wieder ins Gespräch zu bringen. Die Frau will schließlich beweisen, dass sie Kanzler kann. Nur deswegen ist die Kriegs- ... äh, Verteidigungsministerin. Die Jungs in Uniform sind bloß ihre Manövriermasse. Wenn es sein muss, werden sie für nichts und wieder nichts verheizt.

    • 3G
      33324 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      ... wie das mit allen Soldaten auf der Welt so passiert.

  • Wenn es um den Kampf gegen Piraten geht, traue ich eher der Bundesmarine als irgendwelchen Freizeit-Rambos, die mit chronischen Zuckungen im rechten Zeigefinger auf harmlose Fischer reagieren.

     

    Die Situation in Syrien könnte auch irgendwann UN-Blauhelme erforderlich machen und da wären Deutsche sicher nicht unwillkommen.

     

    @warum_denkt_keiner_nach?

    Die Informationsveranstaltungen von Karriereberatern der Bundeswehr an Schulen vor 140.000 Schülern könnten fruchtbar gewesen sein. In Zeiten von Hartz IV sind krisensichere Jobs heiss begehrt.

  • Gab es nicht immer wieder Meldungen, dass es zu wenig Freiwillige gibt, um die Sollstärke zu erreichen? Oder rennen der BW neuerdings die Bewerber die Bude ein?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Nein, das ist Teil der Strategie. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist wohl der nächste Schritt.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @Velofisch:

        Die männerdiskriminierende Wehrpflicht wurde ohnehin niemals abgeschafft sondern lediglich ausgesetzt. Sie muss praktischerweise also nicht wieder eingeführt, sondern lediglich wieder "reakitiviert" werden.

      • @Velofisch:

        Das ist mir lieber, als eine Söldnertruppe.

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          So lange die Wehrpflicht einseitig nur für Männer gilt bleibt es ein diskriminierendes, Männer benachteiligendes System bzw. Gesetz.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Richtig. Allerdings sollte ganz klar im Zentrum stehen: Der Bürger in Uniform - verpflichtet nichts als seinem Gewissen und der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Ich bezweifle, dass eine Bundeswehr im 21. Jahrhundert - wie auch immer organisiert - an jene großen Jahre der konsequent defensiv ausgerichteten Strategie angelehnt wäre. Schland ist heute wieder Aggressor an der Seite der Kriegstreiber und daran würde auch eine Wehrpflicht nichts ändern.