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Kommentar BrexitMay am Ende obenauf

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die britische Labour-Opposition schafft es nicht, aus dem Brexit-Debakel der Premierministerin Profit zu schlagen. Sie verhilft May zu neuer Stärke.

Ihr Deal ist gescheitert, doch Theresa May ist gefestigter denn je Foto: ap

A uch ein politisches Erdbeben kann einen Tsunami auslösen. Aber anders als in der Geologie lässt sich in der Politik nicht kalkulieren, wo die Flutwelle landet.

Nie hatte eine PremierministerIn in Großbritannien eine schwerere Niederlage im Parlament erlitten als Theresa May am Dienstag bei der Abstimmung über ihren Brexit-Vertrag mit der EU. Aber nicht Theresa May stand danach das Wasser bis zum Hals, sondern ihrem Gegenüber Jeremy Corbyn. Der stellte die Vertrauensfrage – und verlor.

So steht Theresa May jetzt nach ihrem Brexit-Debakel gefestigter da als vorher. Tory-Politiker sind erfahrungsgemäß für jeden Blödsinn zu haben, aber politischen Selbstmord begehen sie nicht. Noch bevor das Ergebnis des Misstrauensvotums am Mittwochabend feststand, wirkte der linke Labour-Oppositionsführer wie ein Getriebener.

Im Parlament nach seiner eigenen Brexit-Position im Falle von Neuwahlen gefragt, konnte der ewige Zauderer lediglich antworten, dass die Partei sie entscheiden werde. Er beschwerte sich, nicht von Theresa May zu Gesprächen über das weitere Vorgehen im Brexit eingeladen worden zu sein – und als er dann eingeladen wurde, schlug er die Einladung aus.

Europa muss damit leben

So wird das nichts mit einem Machtwechsel an der britischen Wahlurne. Aber ohne ihn bleibt Theresa May im Amt und damit eine Premierministerin, deren pflichtbewusstes Bekenntnis zur Umsetzung des Brexit bisher jede Erschütterung überstanden hat.

Damit muss und sollte Europa leben, Deal oder nicht. Viele Politiker mit Rückgrat gibt es in Europa nicht mehr.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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10 Kommentare

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  • "mächtiges land"?



    ja vielleicht noch so vor 120 jahren.

  • Corbyn ist natürlich eine Knalltüte, deshalb ist May aber nicht besser und schon gar keine Gewinnerin. Mehr als zwei Jahre hat sie sich jetzt hinter einem vermeintlichen Volkswillen und ihrem eigenen "Pflichtbewusstsein" versteckt, niemanden eingebunden, und jetzt soll die Opposition sie retten? Ihr Plan B ist, den Deal noch mal zur Abstimmung zu stellen, und danach wahrscheinlich nochmal, bis eine Mehrheit da oder die Zeit abgelaufen ist. In den Geschichtsbüchern jedenfalls werden Cameron und May als die großen Verantwortungslosen dastehen und Corbyn, Johnson, Farrage etc. noch nicht mal als die Clowns auftauchen, die sie sind.

    • @Benedikt Bräutigam:

      "Knalltüte" Corbyn hat schon einen plan. er wird weiterhin zuschauen wie sich die tories gegenseitig zerfleischen. um irgendwas zu verbessern muss sie mit der opposition reden. er weigert sich das zu tun ohne ein versprechen für "no deal" auszuschliessen.



      he paints May into the corner Cameron has painted himself in. clever man.

  • Tja..nun...?? ENDE der Visionen!



    Was mit Satire? ..denn:



    ... die EU verbleibt als `Ausgegrenzt´vom "British Commonwealth" ! Frau May hat es nicht geschafft die EU ins Commonwealth zu integrieren! Die EU droht.. in Isolation und Provinzialität zu stagnieren..

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...das Misstrauensvotum fand im Unterhaus statt. Im Unterhaus hat May die Mehrheit. Labour, bzw. Corbyn, musste, nach Mays vernichtender Abstimmungsniederlage in Sachen Brexit, ein Misstrauensvotum einbringen. So sind die Spielregeln. Das Ergebnis, also das May das Misstrauensvotum überstehen würde, war klar. Mays Partei wollte die Brexitvereinbarung mit der EU verhindern, keine Neuwahlen.



    Deswegen sehe ich auch nicht, dass nunmehr Corbyn das "Wasser bis zum Hals" stehen würde. Warum auch? Ausserdem, das Abstimmungsergebnis sehr knapp, 325 für, 306 gegen May.



    Wie die SZonline schreibt "Ein kleiner Sieg für May".

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Corbyn kanns nicht. Das war schon immer so.



    Das ist umso bedauerlicher, weil die Regierung es auch nicht kann.



    Ein echter Oppositionsführer würde den gordischen Knoten zerschlagen und die ungeliebten Tories in die wohlverdiente Wüste schicken.



    Neues Referendum und Exit vom Brexit, stünde auf seiner Fahne.



    Und wenn schon May nach ihrem historischen desaster nicht zurücktritt, dann doch bitte der alte Betonkopf mit dem Zauselbart, der die Zeichen der Zeit nicht erkennt, nicht versteht was seine Wähler wollen und GB mitlähmt.

  • "Viele Politiker mit Rückgrat gibt es in Europa nicht mehr."



    Aus Ihrer (britischen) Sichtweise zeugt es also von Rückgrat, dass die ehrenwerte PM May als entschiedene Gegnerin des Brexits agierte (www.euronews.com/2...-s-view-on-brexit), diesen nun aber im trotzigen Alleingang wie auch immer, mit welcher "demokratischen Legitimation" auch immer durchziehen will?



    Was werfen Sie den Politikern der EU und der Mitgliedsländer denn vor? Etwa dass sie europäische Interessen vertreten?

  • Über dem Rückgrat sitzt bei manchen ja auch ein Gehirn... Also diese Nahtstelle zwischen Rückgrat und Gehirn sollte unbedingt offengehalten werden für den Reiseverkehr. Möglichst ohne Zoll.

    Aber D.J. hat durchaus Recht, dass Mrs. May den Auftrag so wörtlich wie möglich interpretiert. Sie ist ein control freak, aber das findet eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, make no mistake. Ihr deal hingegen nicht, zwei Jahre EU-Regeln in der transition period plus back-stop waren den Brexiteers zu lange und reichten den Pro-EU-Leuten nicht.



    Ich finde das gut, dass in der TAZ mal jemand gegen den Kommentarstrom schwimmt, sozusagen die Themse hinunter (nur tote Fische schwimmen mit dem Strom...na ja, stimmt so auch nicht).



    Was Jeremy angeht, er sitzt einfach zu lange im Unterhaus, er kennt das alles und ist ein gewiefter Taktiker, nur kann die Bevölkerung ihm oft nicht folgen. Allerdings redet May auch grundsätzlich nur mit Leuten, um ihnen die eigene Dogmatik zu erklären, sie hat das von Papst Benedikt abgeguckt (oder ihrem Rottweiler).



    Zwar hat Jeremy wahnsinnig viele neue Mitglieder für seine Partei gewonnen, aber nicht the people at large. Labour ist mehr als Jeremy, das ist auch eine Aussage über polit. Zustände in UK.



    Trotzdem, dieser ganze Brexitprozess ist notwendig, um mal wieder ehrlich ins Gespräch zu kommen. Hatten wir doch lange nicht getan.



    Historisch war die deutsch-britische Zusammenarbeit nur manchmal successful.



    Marx und Engels sind vor den dtsch Zuständen geflohen, Engels aus W. Upper Valley zum Beispiel nach Manchester. Das Konzept des Konzentrationslagers wurde zwar zuerst von den Briten in Südafrika ausprobiert, aber nur die Deutschen schafften es, dort Menschen wie am Fließband abzuschlachten. Davon wird man noch in Tausend Jahren sprechen und deshalb: Anglos, lasst uns nicht allein. Get over your blues and invade us. Please. Ich höre auf, sonst werde ich noch ganz inkontinental.

  • Es ist erschreckend, wie ein so mächtiges Land von einem Referendum ins Chaos gestürzt werden kann.



    Ich hoffe inständig, dass jeder sein Gesicht wahren und GB in der EU verbleiben kann.



    Traurig zu sehen, dass die Leidtragenden am Ende immer die gewöhnlichen Arbeitnehmer sind, die unter dem wirtschaftlichen Abschwung besonders leiden.

    • 8G
      87233 (Profil gelöscht)
      @Axel Woodhammer:

      Ja, es scheint als ob nur sehr wenig Politiker die Situation gewachsen sind. Was mich besonders überrascht hatte: Michael Gove, Arlene Foster, Dominic Grieve: das sind die Personen die Format zeigen, ob ich mit dere Ansichten immer einverstanden sind oder nicht.

      Erfreulich ist dass Versager wie Boris Johnson, Rees.Mugg usw. kaum wahrzunehmen sind.