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Kommentar Boykott-BoykottEine komplizierte Sache

Nicht alle, die sich zu BDS bekennen, meinen dasselbe. Aber deswegen darf es keinem von ihnen egal sein, wer noch so alles mitmacht.

Wenn es nicht mehr nur um Orangen geht: Gegen Israel gerichtetes Plakat am Rande der Ruhr-Triennale, August 2018 in Bochum Foto: dpa

Wenn’s doch alles bloß weniger kompliziert wäre. Wenn zum Beispiel eindeutiger geklärt wäre, wer wann für BDS spricht. Wer dann also auch Verantwortung zu tragen hat für all die anderen Äußerungen, die andere da tun. Moment, noch dringender wäre erst mal zu klären: Was genau verbirgt sich hinter dem Kürzel? Eine Initiative? Viele Initiativen? Eine Bewegung gar? Ein ganzer Ausschnitt des politischen Spektrums, voller Klüfte und Kämme und Unübersichtlichkeiten?

Auf die Kategorie der Kontaktschuld hat, es ist noch nicht lange her, Micha Brumlik auf diesen Seiten hingewiesen. Da ging es um einen anderen BDS-Streit, nämlich den anlässlich des diesjährigen Göttinger Friedenspreises: Den hat eine Gruppe bekommen, die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, der mancher Beobachter eben das glaubte nachweisen zu können: zu große Nähe zu BDS, wobei BDS dabei als eindeutig antisemitisch verstanden wurde, und zu wenig Distanzierung. Manche Kritikerin der Preisentscheidung nutzte Worte wie „BDS-Verein“; dahinter lugte wohl doch die Annahme hervor, es mit einer nach deutschem Recht verfassten Organisation zu tun zu haben – mit Satzung und Kassenwart?

Aber es ist eben alles komplizierter: BDS ist, vorsichtig gesagt, ein Chor, ein Durcheinandersprechen und -tun von sehr unterschiedlicher Glaubwürdigkeit und Ausgegorenheit. Wer sich dem einen verbunden fühlt, das da vertreten wird, muss sich deswegen nicht automatisch mitverantwortlich machen lassen für anderes da Anklingende. Wer findet, in der Westbank könnte die Menschenrechtslage entschieden besser sein, der bezichtigt Israel ja gar nicht gleich irgendwelcher Nazi-Methoden.

Aber so ganz freisprechen von der Verbundenheit kann sich eben auch keiner, der nicht taub und blind war, was die auch hierzulande ­anschwellenden Debatten um BDS angeht: Die mit den Unappetitlichkeiten, die einem so fern sein mögen: Sie schwenken eben doch dieselbe Fahne.

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3 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "BDS ist, vorsichtig gesagt, ein Chor, ein Durcheinandersprechen und -tun von sehr unterschiedlicher Glaubwürdigkeit und Ausgegorenheit. Wer sich dem einen verbunden fühlt, das da vertreten wird, muss sich deswegen nicht automatisch mitverantwortlich machen lassen für anderes da Anklingende."

    Ganz wie bei der AfD.

  • Gilt das dann auch für alle anderen?

    "Nicht jeder, der sich gegen Russlands Annektion der Krim ausspricht, will ein Neonaziregime in Kiew, aber..."



    "Nicht jeder, der sich gegen Maduros Regime in Venezuela ausspricht, wünscht sich eine Militärdiktatur, aber..."



    "Nicht jeder, der gegen die Austeritätsmassnahmen der EC ist, will Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lassen, aber..."



    "Nicht jeder Muslim ist ein Terrorist, aber..."



    "Nicht jeder, der Hamas kritisiert, plädiert für eine unterdrückte Bevölkerung billiger Arbeitskräfte für israelische Kapitalisten, aber..."

    Oder umgedreht: es ist selbstverständlich, dass es einen solchen Zusammenhang gibt, aber es ist doch immer wieder entlarvend, dass sich nur die rechtfertigen müssen, die abweichende Vorstellungen von Geopolitik haben.