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Kommentar Bildungsplan der SPDEin bisschen weniger ungerecht

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD will drei Millarden Euro pro Jahr an die Länder geben. Wo, wenn nicht bei Bildung, will die Partei punkten? Doch ihr Plan ist zu vorsichtig.

Will drei Milliarden Euro pro Jahr an die Länder geben: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Foto: dpa

D eutschland ist, was Bildung und Aufstiegschancen angeht, eine Klassengesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind von Akademikereltern auch AkademikerIn wird, ist viermal höher als bei einem Kind aus einem Facharbeiterhaushalt. Das war nicht immer so.

Die SPD hatte mit den Bildungsreformen der 70er und 80er Jahre dafür gesorgt, dass sich die Schranken im Bildungssystem hoben. Doch seit drei Jahrzehnten gibt es eine Rolle rückwärts. Wer arm geboren ist, bleibt arm. Das ist eigentlich für feudale Gesellschaften typisch und müsste auch Fans der Leistungsgesellschaft beunruhigen.

Die SPD fordert kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Das ist richtig, weil es die Hemmschwelle, Abitur und Uni anzustreben, für Kinder aus ärmeren Schichten senkt. Doch um mehr soziale Aufwärts­mobilität zu schaffen und die unterschiedlichen Startbedingungen auszugleichen, wären viel besser ausgestattete Kitas und Ganztagsschulen nötig.

„Nationale Bildungsallianz“

Die von der SPD vorgestellte „Nationale Bildungsallianz für Deutschland“ soll in Sachen Bildung mehr Geld vom Bund für die Länder bereitstellen, pro Jahr drei Milliarden Euro – zum Beispiel für kostenfreie Kitas, Computer in Klassenzimmern, bessere Ausstattung von Berufsschulen. Dafür müsste allerdings das 2006 (von der Großen Koalition) in der Verfassung verankerte Kooperationsverbot gekippt werden. Hierzu ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig.

Die SPD zielt in die richtige Richtung. Allerdings ist die donnernd „nationale Bildungsallianz“ getaufte Initiative wie vieles bei Schulz recht vorsichtig. Ein den Arbeitgebern nahestehendes Institut hat kürzlich geschätzt, dass Kitas, Unis und Berufsschulen pro Jahr mindestens 12 Milliarden Euro mehr brauchen – viermal so viel wie Schulz & Co lockermachen wollen.

Was sagt die Union in ihrem Wahlprogramm eigentlich zur Bildung? Das Wort Kooperationsverbot, das die Finanzierung der Länder durch den Bund verhindert und das die SPD zu Recht abschaffen will, kommt ebenso wenig vor wie die Frage, wie viel Geld Bildung braucht. Dafür beteuert die Union treuherzig, man setze sich „für die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler ebenso wie für die leistungsstarken ein“.

Mag sein, dass die SPD bei der Bildung sich schnell den Vorwurf einhandelt, zentralistisch und bevormundend zu sein. Aber wo, wenn nicht hier, will sie Punkte sammeln?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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17 Kommentare

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  • taz: "Ein bisschen weniger ungerecht - Die SPD will drei Millarden Euro pro Jahr an die Länder geben. Wo, wenn nicht bei Bildung, will die Partei punkten?"

     

    Wie wäre es, wenn die SPD ...

    1) endlich wieder über Steuern für Reiche nachdenken würde?

    2) 5 Millionen Hartz IV Empfänger und ca. 8 Millionen Niedriglohnsklaven wieder als vollwertige Bürger im Sinne des Art. 1 GG ansehen würden und nicht nur als Menschen dritter Klasse?

    3) sich die echten Arbeitslosenzahlen des Statistikprofessors Dr. Gerd Bosbach einmal anschauen würde, anstatt den Lügenzahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) weiterhin zu glauben?

    4) darüber nachdenkt die Bundesagentur für Arbeit aufzulösen, denn der Laden ist scheinbar nur dazu da Ex-SPD-Senatoren wie Detlef Scheele ein gutes Jahresgehalt (300.000 €) zu garantieren und die Arbeitslosenquote zu schönen? (Die BA hat nur den Leiharbeitssektor und die Lohnsklaverei mit § 10 SGB II ausgebaut und Leid über 5 Millionen Hartz IV Empfänger gebracht.)

    5) sich den Armutsbericht von Prof. Dr. Butterwegge einmal aufmerksam durchliest, denn da steht die tatsächliche Armut drin, die seit Jahren in Deutschland herrscht?

    6) etwas gegen die verheerende Obdachlosigkeit unternimmt, damit Menschen nicht weiterhin frierend und hungernd auf Deutschlands Straßen sitzen müssen?

    7) keine Prachtbauten - wie z.B. die Elbphilharmonie in Hamburg für 789 Millionen Euro - baut, sondern erst einmal dafür sorgt, dass die kleinen Bürger bezahlbaren Wohnraum finden?

    8) nicht weiterhin so tut, als ob es in dieser hochtechnisierten Welt voller Maschinen, Computer und Automaten noch genügend Jobs gibt?

    9) Gerhard Schröder, der für den Niedergang der SPD verantwortlich ist, endlich so sieht, wie Gerhard Schröder in Wahrheit auch ist?

    10) wieder eine soziale Partei werden würde?

    • @Ricky-13:

      Sie sind wirklich nicht zufrieden mit 8,50 Mindestlohn, Rente ab 63 (für die *besonders* langversicherten 15%) und Mietpreisbremse?

       

      Sollten Sie aber, denn damit hat die SPD ihr soziales Soll erfüllt. Schafft Sie's nochmal 25% und Mutti zu überzeugen, dann wird sie garantiert was für "die Sicherung des Standortes Deutschland" tun.

      • @agerwiese:

        Der Mindestlohn, Rente ab 63 und die Mietpreisbremse werden mit juristischen Taschenspielertricks umgangen und damit hat die SPD nicht einmal hier ihr "soziales Soll" erfüllt.

         

        Die SPD hat nur dafür gesorgt, dass solche Leute wie Gerhard Schröder, Joachim Gauck, Wolfgang Clement, Walter Riester und der jetzige Chef der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele ein gutes Einkommen haben. Für die kleinen Bürger macht die SPD nichts mehr, außer ein paar Wahlversprechungen, die aber nach der Wahl schnell wieder in den Mülleimer geworfen werden. Erinnert sich noch irgend jemand daran, wofür das S in SPD eigentlich steht?

  • So lange Hartz IV existiert und Sozialabbau gibt es keine Gerechtigkeit!

  • Es ist wie Marx es schon Ende des 19. Jahrhunderts schrieb. Die Reichen bleiben reich, den Armen bleiben arm.

    Aufstiegsmöglichkeiten werden erschwert.

     

    Es wäre schön wenn sich daran etwas ändern würde.

    • @derSchreiber:

      Und die Lösung für die Probleme, die Marx genannt hat, wurde bereits in einem Teil Deutschlands "erfolgreich" umgesetzt: Aufstieg und "Reichtum" nur für wenige linientreue Kader, ansonsten Armut für alle.

      • @Tom Tailor:

        Da denke ich an eine Sketch mit Wolfgang Stumph anno 1989

        "Willst du den Sozialismus wieder?!"

        "Ja hatten wir ihn denn schon mal?"

        Sie Verwechseln das was die DDR einem vorsetzte, mit den Theorien von Marx. Das sind 2 ganz unterschiedliche Sachen

      • @Tom Tailor:

        Marx hat den Kapitalismus aus volkswirtschaftlicher Sicht beschrieben. Ob man das hier dann später DDR oder BRD genannt hat, ändert nichts an den volkswirtschaftlichen Mechanismen. Man darf auch nicht vergessen, dass sowohl die DDR als auch die BRD Produkte nationalsozialistischer Misswirtschaft waren, in der der Mensch sich vollkommen einer wahnwitzigen Kriegswirtschaft unterzuordnen hatte. Einen Marshallplan gab es für die DDR nicht, weshalb die Ausgangslage dort von Anfang an ungleich schlechter war.

      • @Tom Tailor:

        Wieso? Die Kanzlerin als parteilose Pastorentochter durfte sogar ihren Doktor machen. Also einen gewissen inkludierenden Egalitarismus darf man dem Arbeiter-Und-Bauern-Staat doch nicht absprechen.

  • Eine 4-jährige gemeinsame Lernzeit ist einmalig auf der Welt. Einmalig schlecht und benachteiligend für die, wie der Autor schreibt, "Kinder aus ärmeren Schichten".

     

    Leider herrscht hierzulande eine bildungspolitische Große Koalition die die Grundschule eher als ein Ort der Auslese und weniger als ein Ort der Chancenangleichung sieht.

    Noch ein Beispiel wie sich Heuchelei hinter wohlfeilen Formulierungen verstecken kann.

  • In einem DLF-Interview wurde neulich die Frage gestellt: „Ist Deutschland ÜBERSCHULZT?“

     

    In der Tat. Inzwischen hat er bewiesen, dass er nicht der Messias ist, auf den viele SPD-Anhänger warteten (und weiter warten müssen). Er will halt die Welt „Ein bisschen weniger ungerecht“ machen – siehe Überschrift. Aber dafür hat er den Rummel, den es immer noch um ihn gibt, nicht verdient.

  • Es ist schlimm, dass Schulz im Grunde gute Ansätze verfolgt, aber alles so rüber kommt, als Teste er erst einmal, wie weit er bei den Wählern gehen kann, ohne zu viel Wirbel zu verursachen. Sobald etwas widerstand auf kommt, verlaufen seine Ansätze wieder ins Leere und werden nicht weiter verfolgt.

    Auch ist festzustellen, dass alle seine Vorstöße nicht bis zu Ende gedacht sind und handwerkliche Fehler aufweisen. Schulz ist dermaßen Zaghaft in all seinen Präsentationen, dass an ihm seine Vorstöße nicht richtig glauben kann.

     

    Wahrscheinlich ist die Glaubwürdigkeit das größte Problem, welches Schulz und die SPD haben. Seit Beginn seiner Kanzlerkandidatur eiert Schulz um seine Themen herum, ohne ihnen wirklich eine Nachhaltigkeit zu verschaffen, so dass die Wähler und auch die eigenen Parteimitglieder ihm diese abkaufen, dass es wirklich gewillt ist mehr als nur Wahlkampfrhetorik zu verbreiten!

     

    Viele haben Schulz mit Vorschusslorbeeren bedacht, mussten allerdings in kürzester Zeit feststellen, dass Schulz nicht der Mann ist, der auch in der Lage ist einen völlig eigenständigen Wahlkampf zu führen.

    Schon bei den Landtagswahlen Anfang des Jahres hat er sich von den Kandidaten der SPD vorschreiben lassen, wie er sich während der Wahlkämpfe zu verhalten hat, anstatt mit seiner viel wichtigeren Wahlpräsentation zur Kanzlerkandidatur ungehindert fortzufahren.

    Dieses Stillschweigen hat wahrscheinlich auch die verheerenden Wahlergebnisse der SPD in den Ländern mit verursacht, denn die Menschen wollten eine in der Gesamtheit starke SPD auf Bundesebene sehen, anstatt diese Abschottung der einzelnen Länder und des zukünftigen Kanzlers, denn das konnte ja schon mal nichts Gutes heißen, wenn die Ministerpräsidenten dem Kanzler sagen können, wie er sich zu verhalten hat und er das widerspruchslos hin nimmt!

     

    Dieser extrem weichgespülte unverhältnismäßig unausgereifte Wahlkampf von Schulz erscheint allen jenen die gerne SPD wählen würden als gewollte Vorstufe zur nächsten GroKo!!!

  • Wann merkt die SPD endlich, dass Versagen in der Bildung ein kulturelles Problem ist. Ohne den Fokus auf die Verantwortung des Einzelnen für sich selbst wird Bildungsgerechtigkeit nicht erreicht. Und genau das unterscheidet in Deutschland die bidungsfernen von den bildungsnahen Schichten. Da wo die eigene Verantwortung höher bewertet wird (z.B. USA) ist auch die Chancengleichheit höher.

    • @Mikki:

      Bildungsnah und arbeitslos.

       

      Überqualifiziert...

    • @Mikki:

      Klar! Weiß doch jeder, dass die USA das Land der Chancengleichheit schlechthin ist. Schwarze haben zwar generell geringere Bildungschancen, aber dafür haben sie ja weit bessere Chancen als Weiße, im Knast zu landen.

    • @Mikki:

      Sie verwechseln Egoismus mit Chancengleichheit

  • Das Wahlwerbeplakat der SPD sagt: Bildung darf nichts kosten. Außer ein bißchen Anstrengung.

     

    Damit ist doch alles gesagt oder? Die SPD in Niedersachsen hält sich ganz wunderbar an diese Aussage und darf sich nicht wundern, wenn sie nicht gewählt wird. Gleiches gilt dann natürlich bundesweit!