piwik no script img

Kommentar BND/NSA-AffäreOpfer oder Mittäter?

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Rolle des BND in der Spionageaffäre ist unklar. Und die der Bundesregierung auch. Es könnte in dem Fall noch einige Überraschungen geben.

Opfer oder Verbündeter der NSA? Beim BND macht nicht nur der Parkplatz einen auf James Bond. Bild: dpa

D ie Rollen in dieser Affäre sind noch nicht eindeutig verteilt. Ist der BND ein Opfer der NSA, die ihm Suchbegriffe unterschob, mit denen er ungewollt US-Wirtschaftsspionage betrieb? Oder ist der BND Mittäter, weil er das Spiel durchschaute und auch etwas gegensteuerte, aber weiter mit der NSA kooperierte?

Auch im Verhältnis zwischen Bundesregierung und BND ist längst noch nicht alles geklärt. Hat der BND das Kanzleramt sofort (oder zumindest nach einigen Jahren) über die NSA-Tricks informiert? Oder wurde die Regierung erst jüngst unter dem Druck parlamentarischer Ermittlungen eingeweiht? Derzeit sieht es so aus, dass die Bundesregierung schon seit 2008 informiert war, also schon fünf Jahre vor den Snowden-Enthüllungen.

Die Regierung muss nun also darstellen, was sie nach 2008 unternommen hat, auch wenn dies das Verhältnis zu den USA erneut belasten dürfte. Es könnte hier noch einige Überraschungen geben. Vielleicht hängt auch das bisher rätselhafte Ende des Programms „Eikonal“ damit zusammen.

Von 2004 bis 2008 lieferte der BND nämlich Daten, die er am Frankfurter Internetknotenpunkt de-cix abgriff, einfach an die NSA weiter. 2008 stoppte er diese haarsträubende Praxis dann angeblich.

Aber auch die NSA könnte noch auf unbequeme Weise kontern, etwa indem sie offenlegt, dass die überwachten europäischen Unternehmen Rüstungsexporte betrieben haben, die auf Rechtsbrüchen und Korruption beruhten. So haben sich die USA auch schon ab 2000 verteidigt, als das Spionagenetzwerk Echelon bekannt wurde.

Doch selbst wenn die NSA solche Trümpfe in der Hinterhand halten könnte, es bliebe der bisher stets bestrittene Fakt, dass sie die vorgebliche Antiterrorzusammenarbeit auch für Wirtschaftsspionage instrumentalisiert hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Der richtige Mann vor Ort??

    Klaus -Dieter-Fritsche CSU ist seit 2014 der Beauftragte für die GEHEIMDIENSTE.

     

    BND, Bad Aibling, Herr Fritsche, also alles aus Bayern.

    Frage:"Wann wird die feindliche Übernahme von Deutschland durch den Südosten der Republik vollständig vollzogen?"

  • Nichts Neues an der Front. Ja, der BND wurde nun erneut erwischt, wie er das Parlament angeflunkert hat. Aber: na, und? Flunkern ist das, was Geheimdienstler nun einmal beruflich machen. Und sie sind es offensichtlich derart gewohnt, dass sie es immer und überall machen. Nicht nur in Deutschland, auch in allen anderen Ländern. Wer auf Geheimdienstinformationen vertraut, ist verloren – er wird fast immer angelogen.

     

    Das ist ja der Grund, weshalb man sich fragen muss, wozu soll eine Demokratie überhaupt Geheimdienste betreiben und letztlich auch finanzieren. Denn ihren Zweck verfehlen sie alle, mit schöner Regelmässigkeit: nämlich die Regierung wahrheitsgetreu mit aktuellen Informationen zu versorgen. Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte es sehr schön auf den Punkt gebracht:

     

    http://www.zeit.de/2013/45

    /nsa-abhoeraffaere-gelassenheit

  • "Opfer oder Mittäter?"

     

    Sorry - aber die Frage ist schlicht falsch gestellt!

    Schon Heinrich Böll - Rotmolche auf Radikalenjagd - hats -

    nicht nur amüsiert verewigt.

    Taschendiebe unter sich - thats it -

    Aufeinander angewiesene Lüchjenmäuler -

    Waans dess Maaul aafmache,

     

    Frage ist allein -

    Wer ist der Geschichtere.

    & Ende im Gelände.

  • Man soll ja Ansagen nicht mit "Ich..." beginnen. Da sich allerdings kein anderer Kommentator aufzuregen scheint über einen aus meiner Sicht wesentlichen Punkt, werde ich den undankbaren Part wohl übernehmen müssen.

     

    Ich also finde es recht ärgerlich, dass diese "Affäre" behandelt wird wie ein Theaterstück. Christian Rath benimmt sich wie ein Kritiker, der seine mehr oder weniger maßgebliche Meinung äußert in der Hoffnung, andere Kritiker mögen ihn doch bitte dafür re-kritisiere. Auf dass man sich gemeinsam einen Namen mache.

     

    Hier geht es nämlich nicht um Kunst. Es geht um Politik, und der kann man sich schlecht entziehen, in dem man sagt: "Ich habe keine Lust auf dieses blöde Stück und geh da einfach nicht mehr hin." Als Bürger dieses Landes interessiert es mich einen feuchten Kehricht, wer da welche "Rolle" spielt und ob er oder sie darin glaubwürdig erscheint. Ich will, dass das besch... - dass dieses "Stück" abgesetzt wird. Sofort.

     

    Ob "der BND ein Opfer der NSA" ist oder doch eher "Mittäter" ist nicht entscheidend für mich. Entscheidend ist, dass da Organe demokratischer Rechtsstaaten mit direkter oder indirekter Billigung der Regierungen geltende Gesetze ignorieren bzw. unterlaufen bzw. außerkraftsetzen können ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Ob jemand aus Dummheit oder aus Vorsatz Schindluder treibt mit seiner Macht, ist sekundär für mich. Wichtig ist, dass er die Macht entzogen kriegt. Und zwar umgehend nach Bekanntwerden des "Skandals".

    • @mowgli:

      Dass Nachrichtendienste zusammenarbeiten, mag ja durchaus erwünscht sein, solange das Ergebnis im Interesse der Bürger liegt.

      Dass Nachrichtendienste gemeinsam gegen die Bürger ihrer Länder arbeiten, kann und darf nicht hingenommen werden.

      Wenn das Bundeskanzleramt von der rechtswidrigen Weiterleitungspraxis nichts wußte, gab es dort ein massives Führungsproblem. Kannte man die BND-Praxis im Kanzleramt und duldete sie trotzdem stillschweigend - momentan sieht es ja genau danach aus - dann muss man wohl von Hochverrat sprechen und dann stellt sich auch die Frage, wer daran alles beteiligt war und ist.

  • Seit Tagen beobachten wir das Schauspiel der organisierten Verantwortungslosigkeit.

     

    Seit Snowden seine Dokumente veröffentlicht hat, ist die Vermischung von Geheimdienst und Wirtschaftsspionage bekannt.

     

    Trotzdem hat sich die Merkel-Regierung bisher geweigert, Konsequenzen zu ziehen. Das muss sich jetzt ändern.

     

    Deshalb:

     

    Den Protest gegen den unkontrollierbaren Geheimdienst ins Parlament tragen.

     

    Hier geht es zur Bundestagspetition von Bürgerrechtsgruppen:

     

    https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2015/_03/_13/Petition_57952.html

     

    Der Widerstand gegen Merkel, BND und Überwachungsstaat kann noch bis zum 29.04. gezeichnet werden

  • "Von 2004 bis 2008 lieferte der BND nämlich Daten, die er am Frankfurter Internetknotenpunkt de-cix abgriff, einfach an die NSA weiter."

     

    Die Kontrolle des BND obliegt dem Bundeskanzleramt. Unter dem Punkt "Dienst- und Fachaufsicht" steht dort folgendes:

    "Der Bundesnachrichtendienst gehört als Bundesoberbehörde zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Die Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes übt die Dienst- und Fachaufsicht über den Bundesnachrichtendienst aus. Dies beinhaltet die Kontrolle der eingesetzten Mittel auf ihre Rechtmäßigkeit sowie die Zweckmäßigkeitskontrolle."

     

    Wenn die Bundesregierung erst 2008 über die Weiterleitung der Daten an die NSA informiert war, dann bedeutet dies im Klartext - von 2004 bis 2008 ist das jeweilige Kanzleramt seiner Aufsichtspflicht entweder überhaupt nicht nachgekommen, oder es wurde vom BND gezielt verarscht.

    Bis zum 18.Oktober 2005 war übrigens noch Gerhard Schröder Kanzler und Joschka Fischer sein Stellvertreter. In der darauf folgenden Legislaturperiode bis zum 28. Oktober 2009 war Angela Merkel Kanzlerin und Franz Müntefering, später Frank-Walter Steinmeier ihr Stellvertreter.

    Die Regierenden dieses Landes verabschieden die Gesetze und damit haben sie sich dann auch meist gleichzeitig von den Gesetzen verabschiedet. Wenn sie nicht der festen Überzeugung wären, als Groko über dem Gesetz stehen zu dürfen, hätten sie ja schon 2008 eine wirksame Kontrolle über den BND installieren, oder geschlossen zurücktreten müssen.

    • @Rainer B.:

      Dass Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier überzeugt sind, als Groko würden sie über den Gesetzen stehen, ist erklärlich. Es ist die vorhersehbare Konsequenz einer Gesellschaftsform, in der das einzige verbliebene Regulativ die Konkurrenz ist.

       

      Seit 2013 ist die ohnehin zerstrittene Opposition vollkommen marginalisiert. Wenn sie den eigenen Machterhalt sichern wollen, genügt es den beiden "großen" Parteien (die gemeinsam von grade mal 48% der Wahlberechtigten gewählt wurden), der jeweils anderen Mitkrähe kein Auge auszuhacken. Eine "wirksame Kontrolle" derer, deren Aufgabe das Kontrollieren ist, ist unter solchen Umständen eine Illusion.

      • @mowgli:

        Nicht alles, was erklärlich ist, ist deshalb auch hinnehmbar.

  • "Vorgebliche Antiterrorzusammenarbeit" ist tatsächlich der Schlüsselbegriff des gesamten Themenkomplexes. Es geht um die totale Kontrolle, die ein untergehendes Imperium über die Welt beansprucht. Weil es dies aber kaum offen und ungeschminkt sagen kann, wird die Weltöffentlichkeit mit dem Allzweckargument der "Terrorbekämpfung" eingelullt - so wie die neue Welle von Raubkriegen eben als "Krieg gegen den Terrorismus" verkauft wird. Nichts davon ist wahr. Kluge europäische Politik würde versuchen, neue internationale Bündnisse einzugehen und sich von der untergehenden Supermacht fernzuhalten. Denn bekanntlich sind Imperiumsuntergänge nichts Schönes - sie reißen stets vieles mit sich.