piwik no script img

Kommentar AutoindustrieKuscheln ist keine Lösung

Kommentar von Martin Unfried

Ohne festes Zulassungsende von Verbrennungsmotoren in der EU wird es nicht gehen. Und ein politischer Kuschelkurs freut nur die Autoindustrie.

Igitt! Foto: dpa

W er sich noch vor Kurzem einen angeblich sauberen Diesel zugelegt hat, wird wohl insbesondere Kohle verbrennen. Wertverluste lassen sich nicht mehr vermeiden, da der Diesel erst in den Städten und in wenigen Jahren insgesamt keine Zukunft mehr hat. Der Grund ist banal: Die Industrie hat in Sachen Luftreinhaltung die Vorgaben europäischer Gesetzgebung in der Praxis zu oft nicht eingehalten, für künftige Standards wird der Aufwand zu teuer, siehe den Ausstieg von Volvo aus der Technik.

Jenseits der aktuellen Frage, ob nun auch Daimler im juristischen Sinne manipuliert hat: Schuld an Geldvernichtung und Problemen der Autoindustrie ist nicht die Deutsche Umwelthilfe, die vor Gericht Urteile gegen die Untätigkeit von Städten in Sachen Gesundheitsschutz erkämpft, welche hoffentlich zu Dieselfahrverboten führen. Nein, Fahrverbote, Wertverluste, kostspielige Rückruf- und Entschädigungsmaßnahmen haben uns die „Freunde“ der Autoindustrie eingebrockt. Verkehrsminister an erster Stelle, die bis heute weder konsequent kontrollieren noch gegen Autohersteller juristisch vorgehen wollten.

Dieser Laisser-faire-Ansatz ist nicht nur mit Blick auf Gesundheits- und Verbraucherschutz, sondern auch industriepolitisch gescheitert. Und er deutet auf ein tieferes Problem hin: auf Staatsversagen in Sachen Vollzug und Kontrolle – siehe Vertrauensverlust in das Kraftfahrtbundesamt. Der Treppenwitz: „Law and Order“ muss mühsam von Umweltverbänden erkämpft werden, wogegen staatstragende Parteien immer noch mit den Verdächtigen in der Industrie kuscheln.

Dabei braucht die Autoindustrie gesetzliche Vorgaben, die vernünftig kontrolliert und sanktioniert werden. Da national anscheinend schwierig, sollte dies verstärkt in Brüssel geschehen. Was bedeutet das Dieseldesaster nun mit Blick auf das Ende des Verbrennungsmotors und die Konversion der Autoindustrie? Wer in der Zukunft, also nach 2030, ähnliche Fahrverbote wegen Klimaschutz vermeiden möchte, muss vor allem für die Bedingungen einer schnellen Elektrifizierung sorgen.

Mit politischem Kuschelkurs, also ohne festes Zulassungsende von Verbrennungsmotoren in der EU und ohne gesetzliche Zwischenschritte durch ­Quoten wie in China, wird das nicht gehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Verbote einzelner Technologien oder auf der anderen Seite Förderung gewünschter Technologien führen leider kaum zu einer wirksamen Minderung des Ausstoßes klimaschädlichen Gase. Diese müssen aber verlässlich und schnell weniger werden. Die beste Möglichkeit, das zu erreichen, wäre wohl, einen Ausstiegspfad für jedes Klimagas festzulegen, und den Ausstoß zu besteuern. Wird der Pfad nicht eingehalten, steigt die Steuer nach einer fixen Formel. Welche Alternativen sich dann durchsetzen soll der Markt entscheiden. Förderungen bräuchte es dann nur noch vereinzelt.

    Sobald die Hütte brennt wird man sich wohl auf ähnliches besinnen. Hoffen wir, dass es dann nicht zu spät ist.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich finde es wunderbar, daß deutsche Politik (CDU und SPD) neben dem Machen, Mauscheln, EU-Richtlinien in jeder Hinsicht hintergehen, die ewigen Geizkrägen als Wähler festhalten nun auch ihren Reparaturkasten einmal ausprobieren darf.

    Ist der Wähler, der den Diesel fährt und keine Fahrverbote und solches Zeug will, mehr wert als der Wähler, der in Stuttgart oder München wohnt und geschädigt ist? Das muss geklärt werden.

    Hat die Arbeitsplatzsicherheit der erstklassigen und fehlerfreien deutschen Automobilindustrie nicht auch Vorrang vor der kleinlichen Empfindlichkeit mancher Wähler (in China gehen die Leute ja auch mit Atemschutz auf die Straße)? Das muss geklärt werden.

    Sollte man das Ganze als Sommertheater abtun? Schließlich gibt es ja wieder Herbst, Winter und Frühjahr? 3 gegen 1.

    Darf überhaupt das Grundrecht des Menschen auf freie Fahrt eingeschränkt werden? Ist das mit dem Grundgesetz vereinbar? Das muss geklärt werden.

    Jetzt kann Frau Merkel mit ihrem Dauerpartner SPD endlich mal versuchen, ihre Baustellen zu bereinigen (nicht erreichte Klimaziele, die feine Autoindustrie Deuschlands, Energiewende, ohne daß die gut betuchten Besitzer alles absahnen, Türkei, Europa, USA und viele andere schöne Sachen).

    Das ist doch schön, wenn man die jahrelangen Versäumnisse endlich aufarbeiten kann, oder?

  • Es gibt viel zu lachen und doch ist es zum heulen.... Es allen in Sachen Gesundheit und Schadstoffausstoß recht zu machen sollte nicht schwer sein . Und doch gibt es Schwierigkeiten die Allen seit Jahrtausenden bekannt sind : Der Menschliche Faktor ! Die Gier nach Geld und Ruhm! Nach Intranzparentz , Übermut und vorsätzlichem Betrug sehen die Autokonzerne nun ihre Felle wegschwimmen .... Eine der letzten Waffen werden nun bald gezückt .... die Arbeitsplätze ! Die Politik habe doch zu berücksichtigen was auf dem Spiel stehe und welche Folgen es hat wenn die Gesetze zu schnell geändert werden ! So liest und hört man es bereits aus vielen Ecken der Industrie ! NEIN ! Es ist nicht weiter hinnehmbar das die Autolobby immer wieder durch politische Entscheidungen begünstigt wird . Ob Abwrackprämie, Vorgaben die für Technikstandarts ( Reifendruckkontrollsystem, Klimamittel, Umweltplakette, Überflüssiges Elektroequipment undundund ) die erwiesenermaßen nur den Geldbeutel der Kunden belasten und lediglich der Wirtschaft satte Gewinne einfahren. Jedes Auto das nicht gebaut werden muß wäre die Umweltentlasstung schlechthin ! Solange immer nur darüber nachgedacht wird das Auto umweltfreuntlicher zu machen und die Absatzzahlen zu erhöhen wird es kaum eine Verringerung der Schadstoffemissionen geben , egal ob Elektro oder Verbrennungsmotor. Das Problem wird nur verlagert. Es gibt erstrebenwerte Lösungen! Doch an der würden Renditehaie und Konzernchefs keine Freude haben ....

  • "Wer … nach 2030, …Fahrverbote wegen Klimaschutz vermeiden möchte, muss vor allem für die Bedingungen einer schnellen Elektrifizierung sorgen."

     

    Alles kann weitergehen wie bisher, bloß elektrisch. So macht Ökologie auch dem Nespresso-Benutzer Spaß, der seine leeren Kaffeekapseln stolz im Elektromobil zum Recylen bringt.

     

    Notfalls werden für Elektroautos "Quoten wie in China" eingeführt. China ist ja bekanntlich für viele und vieles ein Vorbild; insbesondere Planwirtschaft und Ökologie haben dort eine ruhmreiche Tradition. Auch Papier wurde dort erfunden, und das ist geduldig.

     

    So weit, so naiv. Bliebe nur noch zu klären, wie die "Bedingungen einer schnellen Elektrifizierung" genau aussehen und woher der angeblich umweltfreundliche Strom letztendlich kommt.

     

    Auf kontinuierliches "Staatsversagen in Sachen Vollzug und Kontrolle" auch beim ökologisch ach so unbedenklichen Fahrvergnügen kann man sich schon gefasst machen.