Kommentar Ausschuss zu G20-Krawallen: Wie die Kleinkinder
Als sich Hamburgs Innenausschuss mit den G20-Ereignissen beschäftigte, zeigte sich vor allem eine Weigerung, Realität zu akzeptieren.

E ine skurrile Szene bot sich am Mittwoch in der Sondersitzung des Innenausschusses zu den G20-Ereignissen. Statt Erkenntnisse vorzulegen, die der Aufarbeitung des missglückten Polizeieinsatzes, der ausgeuferten Krawalle und der Polizeigewalt dienen, waren sich die Verantwortlichen einig: Der Einsatz sei ein voller Erfolg gewesen, Polizeigewalt habe es nicht gegeben.
Indem Innensenator Andy Grote (SPD) den Begriff „Polizeigewalt“ als „diffamierend“ zurückwies und der „Polizeiführer“, wie sich Hartmut Dudde selbst nennt, die Zahl verletzter Polizist*innen nach oben korrigierte, machten die Verantwortlichen auch deutlich, was die parlamentarische Aufarbeitung ergeben soll: nichts.
Es geht nicht darum zu klären, was schief gelaufen ist, sondern darum, die von Scholz bereits vergangene Woche diktierte Interpretation der Ereignisse, wonach es keine Polizeigewalt gegeben habe, weiter zu untermauern. Egal, was Augenzeug*innen gesagt, egal, was parlamentarische Beobachter*innen beobachtet, und egal, was zahlreiche Journalist*innen dokumentiert haben.
Erwachsene Menschen, dreiste Lügen
Man muss sich das mal klarmachen: Da stellen sich erwachsene Menschen in verantwortungsvollen Positionen öffentlich hin und behaupten Dinge, von denen jeder weiß, dass sie dreiste Lügen sind. Es gibt es zahlreiche Videos, die dokumentieren, wie Polizist*innen am Rande der Proteste auf Santitäter*innen, Journalist*innen, Demonstrant*innen und Schaulustige einprügeln.
Wenn Scholz und Co. nicht dem Internet oder der Vernunft abgeschworen haben, kann das unmöglich an ihnen vorbeigegangen sein. So zu tun, als sei die Realität eine andere, gleicht dem Verhalten eines Kleinkindes, das die Augen zukneift, sich die Ohren zuhält und schreit: „Es war aber nicht so!“
Vielleicht ist die Aufregung über dreiste Lügen naiv. Vielleicht ist die Lektion: So funktioniert halt Politik. Aber es ist so schwer aushaltbar, wenn etwas in einem doch noch auf den gesunden Menschenverstand hofft.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin