piwik no script img

Kommentar Arabische Liga zu JerusalemDie üblichen Nahost-Reflexe

Karim El-Gawhary
Kommentar von Karim El-Gawhary

Seit Jahren ist die Arabische Liga zerstritten. Beim Thema Jerusalem herrscht das erste Mal wieder relative Einigkeit. Konkretes folgt daraus nicht.

Trumps Worte haben Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Truppen provoziert Foto: dpa

E s ist ein Beschluss der Arabischen Liga in Sachen Jerusalem, der niemanden vom Hocker reißt. Die Anerkennung der USA von Jerusalem als Hauptstadt Israels wird selbstredend scharf verurteilt. Die USA habe damit ihre Rolle als ehrlicher Makler im Nahostkonflikt verloren, lautet das Fazit eines Sondertreffens der Außenminister der Liga.

Immerhin bei dem Thema Jerusalem zeigte die seit Jahren über den Umgang mit Assad und den Konfrontationskurs gegen den Iran zerstrittene Arabische Liga erstmals wieder relative Einigkeit. Selbst mit den USA eng verbündete arabische Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten haben sich diesmal mit ihrer Kritik an Trump nicht hinten angestellt.

Aber konkrete Schritte wurden keine vereinbart. Wie auch? US-Präsident Trump führt mit seiner Entscheidung der Arabischen Welt erbarmungslos ihre eigene Schwäche vor. Die steht da wie auf einem Schulhof, provoziert und vorgeführt. In einem Teil der Länder herrschen Krieg und Krisen, im anderen Regime, die jegliche Proteste auf der Straße unterdrücken, aus Angst, die könnten sich am Ende gegen sie selbst richten.

Bleiben die Tage des Zorns der Palästinenser und die Freude aller radikalen Gruppierungen, für die die Entscheidung Trumps und die vorgeführte Ohnmacht der arabischen Führungen Wasser auf die Mühlen ist.

Westliche Medien prophezeien Feuersturm

Und die westlichen Medien gehen ihren üblichen Nahost-Reflexen nach, prophezeien den Feuersturm und berichten in einem Intifada-Unterhaltungsprogramm, mit der immer wieder ausgedrückten Hoffnung, dass es hoffentlich nicht so schlimm wird. Man weiß ja, seit den Prophetenbeleidigungen, wie empfindlich Muslime und Araber reagieren können. So weit alles berechenbar: von der Verurteilung der Arabischen Liga bis zu den Tagen des Zorns, den Hamas-Raketen und der Berichterstattung.

Das Problem ist, dass die arabische Wirklichkeit wesentlich komplizierter ist. Was bewirkt Trumps Entscheidung, die die Ohnmacht von Regimen aufzeigt und das radikale Lager stärkt? Zu was führt es, wenn Palästinenser, Araber und Muslime sehen, dass der Rest der Welt, etwa im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Trumps Entscheidung nicht unterstützt?

Denken die einen über friedliche Proteste nach, um die Welt weiterhin hinter sich zu bringen? Planen die anderen die nächsten Anschläge im Namen Jerusalems? Resignieren die meisten? Sind nicht die meisten müde der Floskeln von der Intifada bis zum sogenannten Friedensprozess? Denken jetzt nicht alle arabischen Regime nach, wie sie von der Situation profitieren und wie sehr sie dadurch verlieren können?

Und das in einer Zeit, in der so vieles offen ist: Was kommt nach dem IS in Irak und Syrien? Wird sich Saudi-Arabien tatsächlich reformieren oder bricht dort das System Saud zusammen? Verhungern die Menschen im Jemen? Überlebt al-Sisi in Ägypten? Alles in der arabischen Welt ist im Fluss, und der unberechenbare Trump hat sie noch ein Stück unberechenbarer gemacht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Wann war den die Arabische Welt jemals stark, sodass man heute ihre eigene Schwäche vorführen könnte?

    Es gab freilich eine Zeit, bei in verschiedenen Staaten im nahen Osten die Feindschaft zu Israel offen kund taten. Saddam Husein (Irak), Mursi in Ägypten, Muammar al Gaddafi (Lybien), Assad (Syrien). All diese Protagonisten wurden bereits durch das Regime-Chance Verfahren ausgetauscht oder sind mitten in diesem Prozess. Die Einzigen die sich NOCH unerschrocken gegen Israel richten, ist Erdogan (Türkei) und die iranische Führung. Noch!

     

    Muammar al Gaddafi hält 2008 eine Rede vor der arabischen Liga. Der Irak-Krieg war vorbei, Saddam Hussein gerade aufgehängt.

    Gaddafi: ....„ihr könntet die nächsten sein“......mit diesen Worten versucht er die Geschlossenheit der arabischen Länder anzusprechen – wird verlacht, von vielen, die schon kurze Zeit später ihre Macht verloren haben werden. (Husky Mubarak ist dem Henker gerade eben erst vom Richtpodest entwischt.) Auch Assad lachte damals noch. Wer Gaddafi- Rede 2008 vor der arabischen Liga in Youtube eingibt, kann die übersetzte Rede sich ansehen.

     

    Bei diesem Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser geht es für mich nur noch um die Frage, wann die Israelis noch die verbliebenen Millionen Palästinenser aus ihrem Territorium vertrieben haben. Denn mit Widerstand der Palästinenser gegen ihre Besatzung bzw. den Landraub müssen die Israelis nicht wirklich rechnen. Die EU könnte Sanktionen beschließen, wird es aber nicht, weil Deutschland, pardon die Politik-Elite sich auf ein bedingungsloses Unterstützen Israels eingeschworen hat. Die Lippenbekenntnisse unserer Politiker sind nur der EU-Einheit geschuldet, weil Frankreich und Großbritannien strikt gegen das völkerrechtswidrige Verhalten Israels sind.

    • @Nico Frank:

      Vielleicht verstehe ich Sie nicht richtig, aber sind Sie traurig darüber, dass Hussein, Gaddafi & Co sich nicht mehr "unerschrocken gegen Israel richten"? Ich bin da in doppelter Hinsicht eher froh.

      Man kann sicher einiges an der israelischen Politik kritisieren, aber man sollte für die grundsätzlichen Verhältnisse ein Auge haben. Und wenn es um Menschen- und Bürgerrechte geht, dann liegt Israel - trotz strukturellem Rassismus - immer noch weit vorne.

  • "Man weiß ja, seit den Prophetenbeleidigungen, wie empfindlich Muslime und Araber reagieren können."

     

    Es hat mit "empfindlich" überhaupt nichts mehr zu tun, wenn in jeder europäischen Hauptstadt "Chaiber al Juhud" skandiert wird und am Brandenburger Tor die israelische Fahne verbrannt wird.

     

    Es ist keine "Empfindlichkeit" - es ist blanker Hass gepaart mit einem in Deutschland bis vor ein paar Jahren unvorstellbarem Antisemitimus!

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Gespräch mit der arabischen Liga:

    Ja, hier die USA !... Ja selbstverständlich ...morgen früh geht nicht mehr, aber übermorgen ... ja, mit allem, was wir haben, Atomwaffen, alles ... Sonderpreis natürlich ... prima, danke für Ihr Vertrauen in den Marktführer und für Ihren Auftrag ...

    Super, endlich wieder mal einen Auftrag seit dem Libyenkrieg. Wurde ja auch mal wieder Zeit. Unser Markenzeichen America first funktioniert doch super. Übermorgen sollten wir alles geben, was wir haben.