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Kommentar Antiboykottgesetz in IsraelSo funktioniert Gewaltenteilung

Kommentar von Susanne Knaul

Die EU ist der größte Kunde israelischer Siedlerprodukte, kritisiert aber gleichzeitig so scharf wie nie zuvor den Siedlungsbau. Man muss sich schon entscheiden.

D ie Richter am Obersten Gerichtshof in Jerusalem mahnen die Regierung zur Wahrung der Grundrechte. Gegen die Mehrheit der Parlamentarier, die den Aufruf zum Boykott von Siedlerprodukten unter Strafe stellen wollten, entschied man für die Meinungsfreiheit. So funktioniert Gewaltenteilung.

Das höchste israelische Gericht mischt sich nicht immer ein, wenn die Knesset über Rechtsreformen entscheidet. Der Treueschwur auf den „demokratischen jüdischen Staat Israel“ gehört genauso zu diesen umstrittenen Reformen wie das „Nakba“-Gesetz, das arabischen Bürgern öffentliche Gelder für Zeremonien entzieht, die an den Beginn der Flüchtlingskatastrophe erinnern.

In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit, aber sie trägt auch die Verantwortung für die Gleichberechtigung von Minderheiten. Der Boykott ist eine der edelsten Formen des Protestes. Anstelle von verbaler oder physischer Gewalt steht die schlichte Verweigerung zur Kooperation. Die Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit ist wenig daran interessiert, welcher Wein oder welcher Gartenstuhl in einer Siedlung produziert wurde.

Bild: taz
Susanne Knaul

ist Israel-Korrespondentin der taz.

In Europa wächst hingegen der Unmut gegen das Unrecht der Siedlungspolitik. Ohne die entsprechende Markierung der Ware bleibt dem europäischen Konsumenten aber nur die Wahl zwischen dem Boykott sämtlicher Produkte „made in Israel“ oder dem Risiko, sich zum Unterstützer der Siedler zu machen.

Die EU ist laut medico international der größte Kunde von Siedlungsprodukten. Paradoxerweise sind es die europäischen Regierungen, die Israel so scharf für die neuen Baupläne verurteilen wie nie zuvor. Wenn man keine Siedlungen haben will, sollte man nicht mit ihnen kooperieren.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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11 Kommentare

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  • A
    abumidian

    Die Siedler haben seit 2005 einen beträchtlichen Teil ihrer verbrecherischen Aktivitäten auf das Kernland Israel verlegt. Mehr darüber, was z.B. in Akko im Herbst 2008 war und warum das Theaterfestival dort abgeblasen wurde:

    http://brightsblog.wordpress.com/2008/10/14/wer-ist-gegen-das-festival-in-akko/

  • G
    Günter

    Wer in Deutschland kennt schon Ahmad Mansour, seine Arbeit und was er schreibt? Leider sind bei uns Palästinenser nur dann populär, wenn man sie für das eigene Ressentiment missbrauchen kann. Darum erfährt man nur sehr wenig über Leute wie Ahmad Mansour.

     

    http://www.wdr.de/tv/westart/sonntag/sendungsbeitraege/2012/1007/mansour.jsp

     

    Und wer in Deutschland weiß schon von dem 16. Dezember 2012, als bei einem Angriff auf ein palästinensisches Flüchtlingslager 25 Menschen getötet wurden. Diese Nachricht ist in Deutschland kaum auf Interesse gestoßen.

     

    Hier hat Syrien bombardiert nicht Israel. Darum interessieren sich die Deutschen nicht.

     

    http://www.publikative.org/2012/12/17/kein-interesse-an-angriff-auf-palastinenser/

  • A
    alex

    Ihr seid bis zur Kehle voll mit Hass, auf alles was arabisch, muslimisch und schwarzhaarig ist. Da helfen keine Argumente, Herzen kann man nicht mit Geist überzeugen. Schade, dass Genossen auf euch reinfallen, die die Juden wirklich vor Schaden verhüten wollen. Ihr denkt ihr seid die Avantgarde, aber Breivik, Mundlos und Böhnhardt haben keine Israelis umgebracht. Wie könnt ihr nur den nationalsozialistischen Boykott mit dem Boykott von illegal besiedelten Gebieten gleichsetzen? Wo ist denn hier der Zusammenhang, es handelt sich um Juden? Na wenn das alles ist, wer ist hier der Antisemit? Denken in Religionszugehörigkeit, Ethnie und Herkunft, dass habt ihr mit den Faschisten gemeinsam. @Harald: An Hohn und Zynismus nicht zu überbieten: Haben Sie sich jemals vorher für die arabischen Menschen interessiert, die von ihren Regierungen unterdrückt und versklavt werden? Interessiert es jemand, dass diese Diktaturen made by westlichen Geheimdiensten sind? Im Iran herrschte 1936 ein Kopftuchverbot, Reza Schah Pahlavi wurde von Briten und Amerikanern aus dem Amt gejagt. Aber pflegen wir lieber den Stereotyp vom Frauenhasser- und schänder. Der Barbar im Osten ist unfähig zur Kultur. Mit euch hab ich nichts gemein, die Geschichte wird euch schuldig sprechen

  • G
    Günter

    Wer heute den Aufruf „Kauft keine Israelischen Produkte“ an die Deutschen in Deutschland richtet (was ich Frau Knaul nicht unterstelle) und bei diesem Satz, nicht zusammenzuckt als hätte er in die Steckdose gefasst, hat nur eines im Sinn. Er schiebt die Palästinenser vor, für den eigenen Antisemitismus, der nichts besser ist als Opas alter Judenhass.

  • M
    max

    hallo liebe rechtsradikale!

     

    habt ihr heute wieder frei bekommen, oder warum tummelt ihr euch in solcher zahl in dieser kommentarspalte einer linken zeitung?

     

    am liebsten mag ich die argumentation, dass die siedlungen gut für die palästinenser sind. vielleicht lasst ihr die leute selbst abstimmen? wäre das vielleicht okay? sollen die selbst entscheiden können, was gut für sie ist? NEIN! denn dann errichten die ja einen antisemitischen kalifatsstaat, dessen rückwärtsgewandheit ohne gleichen sein wird! und darum bevormunden und unterdrücken wir die palästinenser lieber weiterhin noch ein paar jahrzehnte, zu ihrem eigenen besten und zum besten israels, äh ... der welt!

  • H
    Harald

    Es wird höchste, allerhöchste Zeit, den Palästinenserstaat endlich zu realisieren.

    Dort wird dann alles herrschen, was sich ein deutscher Israelkritiker erträumt:

     

    Multikulti, Rechtsstaat mit Gewaltenteilung, regelmäßige Wahlen, modernes Frauenrecht, freie Medien, alternative Schulen und Kindergärten, Religionsfreiheit und alle sonst üblichen gesellschaftlichen und politischen Freiheiten. Auch und gerade diejenige, die Regierung abzulehnen und dafür Parteien zu gründen. Aber vor allem: wirtschaftlicher Erfolg. Denn den kann es nur ohne Israel geben.

     

    Und wenn es damit nicht gleich klappen sollte, weil z.B. Juden dort eigentlich nicht so wirklich vorkommen sollen, die Kairoer Erklärung eine Emanzipationsbewegung für Frauenrechte sei, politische Opposition die nationale Einheit gefährdete, die Gehaltsvorstellungen der Funktionäre nicht ganz der erbrachten Leistung entspricht und die Gewaltenteilung gemäß der Scharia Gesetz wird:

     

    dann hat man/frau Israelkritiker den klugen Hinweis parat, daß auch Europa Jahrhunderte brauchte, um seine Demokratieen zu entwickeln, deren Imperialismus kein Vorbild für einen vorbildlichen Palästinenser-Staat sein kann.

     

    Der allergrößte Vorteil des neuen Staats aber läge in seiner Nachbarschaft zu Israel. Denn damit hat alles, was u.U. trotz allem nicht ganz so toll klappen würde, eine tradierte, sozusagen natürliche Ursache.

     

    Aber keine Angst. Diesem Praxisschock haben die Palis gut vorgebeugt. Sie verlangen, den im Krieg '48 eroberten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt übereignet zu bekommen. Wissend, daß Israel dem nicht zustimmen kann und wird. Denn dieses Ansinnen könnte eine israelische Intifada auslösen.

     

    Und überhaupt, der Status Quo ist doch ziemlich einträglich. Zumindest für die Herren Fatah-Hamas Funktionäre. 600 Dollarmillionäre allein im Gaza.

  • K
    KaffeLatte

    Immer wieder wird der Siedlung Politik Israel als Ausrede benutzt. Hat jemand sich mit die frage beschäftig warum gibt es überhaupt?

    Palestinians arbeiten in die Fabriken der Siedlungen. Boikott heißt Hunger für die sie keine Bomben basteln wollen sondern arbeiten wollen.

    TAZ hilft bei dieser Artikel die arabische Propaganda.

  • M
    mehrdad

    israel brauht keine nachhilfe von den deutschen, wenn es um demokratie und gewaltenteilung geht.

     

    in israel kann ein arabischer! richter einen ex-präsidenten (kazev) in den knast stecken. im knesset hocken abgeordnete, die die abschaffung israels fordern und sich regelmässig mit hamas treffen.

     

    deutsche sollten erstmal dafür sorgen, dass juden hier in deutschland wieder ohne angst um ihre gesundheit mit der kippa rumlaufen können, statt den juden ratschläge zu geben oder diese zu beurteilen.

     

    israel ist viel demokratischer und rechtstaatlicher als deutschland.

  • M
    mehrdad

    "Der Boykott ist eine der edelsten Formen des Protestes.."

     

    klar. damals haben die edlen nazis ja auch mit dem boykott angefangen. das wurde dann schritt für schritt "weniger edel".

     

    irgendwann kommt das, wasder ungarische "israelkritiker" verlangt hat:

     

    die kennzeichung von juden aus westbank. dann die kennzeichnung der juden aus israel, dann der juden überhaupt...

     

    der antoisemit gibt sich nie mit "edle massnahmen" zufrieden, wenn es gegen juden geht. er testet immer, wieweit die gesellschaft ihn tun und machen lässt und schiebt die grenze langsam weiter nach vorne.

     

    dass soviele nationale und internationale sozialisten für boykott israels sind, während sie nie über boykott saudi-arabiens, russlands, chinas...ein wort verlieren, ist bezeichnend.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Man kann nicht oft genug das Unrecht betonen, welches durch Siedlungen hervorgerufen wird. Verschweigen sollte man jedoch grundsätzlich die Pläne eines Präsidenten Abbas, der keinen einzigen Juden in seinem Land leben lassen wollte. Das ist ja kein Unrecht, sondern berechtigt, oder?

  • S
    SomaRiot

    Gut, Frau Knaul. Das Recht auf Boykott, der "edelsten Protestform", beginnend mit "Kauft nicht bei Juden", dürfte weitgehend Konsens sein, wie sich z.B. bei der SPD zeigt, die sich heldenhaft der NPD entgegenwirft, in dem sie ihr mitteilt, dass sie deren Forderung schon längs erfüllt hat.

     

    http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=7833%3A33-landtagssitzung-antisemitsimus-reloaded&Itemid=358