Kommentar Angela Merkel und Pegida: Mit denen gibt es nichts zu bereden
Wer sich von der Meute treiben lässt, wird von ihr gefressen. Wer Ressentiments zu „Sorgen“ adelt, bewegt sich an der Grenze zum Kriminellen.
D er ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) weiß, wer schuld ist am Erstarken der AfD und der Pegida-Bewegung: die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Linkskurs. Mag sein, dass die Union rechte Wähler vernachlässigt hat. Doch noch vor ein paar Jahren lautete der Befund, dass die CDU für urbane Milieus wenig attraktiv sei.
Darauf hat Merkel reagiert. Ob dies aus Opportunität oder aus Überzeugung oder beidem geschah – entscheidend ist, um es mit den Worten ihres Vorgängers zu sagen, entscheidend ist, was hinten rauskam. Und da kam raus, dass dieses Land unter Merkels Führung zwar zu einer Gefahr für Europa wurde, im Innern aber liberaler und moderner geworden ist. Was ihr Friedrich als Verschulden ankreidet, ist in Wahrheit ihr Verdienst.
Und das ist nicht alles, was Friedrich weiß: „Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen sind.“ Sagt der Mann, der durch ganz andere Leichtfertigkeiten in Erinnerung geblieben ist: durch leichtfertiges Aktenschreddern (NSU) und leichtfertige Ahnungslosigkeit (NSA).
Mit dem Geschwätz von der „Identität unseres Volkes“ geht Friedrich noch weiter als Bundestagspräsident Norbert Lammert etwa oder SPD-Chef Sigmar Gabriel, die auch schon meinten, man müsse die „berechtigten Sorgen“ der Pegida-Demonstranten ernst nehmen. Doch wer sich von der Meute treiben lässt, wird von ihr gefressen.
Und wer Ressentiments zu „Sorgen“ adelt, bewegt sich an der Grenze zum Kriminellen – so wie Anfang der neunziger Jahre, als man ganz viel Verständnis für die besorgten Bürger von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und anderswo zeigte und sie zu ihrem mörderischen Treiben ermutigte. Ein wichtiger Unterschied zu damals ist, dass die Medien, auch solche, die zu den Wahnvorstellungen der Pegida-Leute beigetragen haben, ihnen jegliche Berechtigung absprechen. Wenigstens dafür ist das Wort von der „Lügenpresse“ gut.
Eine angemessene Antwort kam kurz vor Weihnachten von DDR-Bürgerrechtlern, eine späte, aber wortgewaltige Reaktion: „Jesus hätte gekotzt, hätte er euch getroffen“, schrieben sie an die Adresse der Pegida-Demonstranten. „Ihr riecht nach dem Provinzmief hinter der Mauer.“ Und: „Ihr sprecht nicht für 89. Ihr sprecht für keine Freiheitsbewegung.“ Das ist nicht nur in der Sache richtig, sondern auch im Ton. Mit diesen Leuten gibt es nichts zu bereden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören