Kommentar AfD im Bundestag: Kühle Distanz
Scharf in der Sache und ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, bitte! Wolfgang Schäuble zeigt, wie der Umgang mit der AfD gelingen kann.
W olfgang Schäuble wird ein guter Bundestagspräsident sein. Schon mit seiner ersten Rede hat er bewiesen, dass er der richtige Mann in diesem Amt ist. Schäuble, ein konservativer Intellektueller, ein erfahrener Demokrat und pointierter Redner, gab in der konstituierenden Sitzung des Bundestages kluge Hinweise, wie ein Umgang mit der AfD gelingen könnte.
Der erste lautet: Gelassenheit. Schäuble wies zu Recht darauf hin, dass Erregung und Krisengefühle nicht neu sind – er nannte den Nato-Doppelbeschluss oder den Mauerfall als Beispiele. Ja, es ist eine Zäsur, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine nationalkonservative, in Teilen rechtsextreme Partei im Bundestag sitzt. Aber deshalb vor Aufregung zu hyperventilieren wäre verrückt. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, bitte.
Die parlamentarische Demokratie ist stark genug, um diese AfD auszuhalten. Eine Herausforderung für die demokratischen Wettbewerber wird sein, nicht über jedes ihrer Stöckchen zu springen. Der AfD-Fraktionsgeschäftsführer ließ sich die Gelegenheit zu einer billigen Provokation nicht entgehen, indem er seine Partei in eine Reihe mit den Opfern des Nationalsozialisten Hermann Göring stellte. Solch unhistorische Geschmacklosigkeiten wird die AfD noch öfter aufbieten, um Diskussionen zu dominieren.
Soll man sich darüber aufregen? Ja, natürlich. Aber in einer Debatte hilft auch kühle Distanz. Eine kurze Richtigstellung, dann zurück zum Thema. Das Parlament muss nicht jeden Blödsinn der Scharfmacher besprechen. Die Arbeit im Bundestag, dafür spricht viel, wird die AfD auch entlarven. Denn hier zählen Inhalte und Sachkenntnisse, wer dumm provoziert, bekommt das Mikro ausgestellt oder wird des Saales verwiesen.
Wie soll die Zukunft des Landes aussehen, bei der Rente, dem Klimaschutz, der Bildung? Wie blank die Rechten oft sind, wird man ab sofort in Ausschüssen und Plenardebatten beobachten können. Ebenso wird sichtbar werden, dass sie oft gar nicht die Interessen der Menschen vertreten, deren Anwälte sie sein wollen. Die sozialpolitische Expertise der AfD ist überschaubar.
Niemand vertritt alleine das Volk, auch diesen Satz schrieb Schäuble den Rechten ins Poesiealbum. So etwas wie ein Volkswille entstehe überhaupt erst in und mit parlamentarischen Entscheidungen. Solche demokratischen Selbstverständlichkeiten bergen für die Rechtspopulisten einiges Frustpotenzial. Alle Fraktionen haben unterschiedliche Positionen und ringen um Kompromisse, am Ende bestimmt die Mehrheit. Im Parlament bekommen die Rechten ab jetzt ständig unter die Nase gerieben, dass sie eben nicht für „das Volk“ sprechen – sondern für eine kleine Minderheit. Sie sitzen alleine ganz rechts außen.
Scharf in der Sache, unerbittlich beim Verweis auf Regeln, aber keine Geschäftsordnungstricks – das wäre ein angemessener Umgang im Parlament. Schäuble hat für Fairness und Regeln beim Streit geworben. Michelle Obama hat für solche Fälle den klugen Satz geprägt: „When they go low, we go high.“
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