Kommentar Abtreibungsparagraf: 219a ist erst der Anfang
Die Union sträubt sich gegen die Abschaffung der strittigen Regelung – und eröffnet unfreiwillig die Debatte um das gesamte Abtreibungsrecht.
K ommt er weg? Wird er nur geändert? Oder bleibt am Ende alles, wie es ist? Die Zukunft des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs, der das „Werben“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, hängt nicht zuletzt an der SPD und der ausstehenden Regierungsbildung. Am Mittwoch trafen sich Vertreter*innen verschiedener Fraktionen, um über die Regelung zu diskutieren.
Unabhängig davon ist die gesellschaftliche Debatte um den Paragrafen längst in vollem Gange. Und die kann für die Union nur nach hinten losgehen. Denn es gibt schlicht keine sinnvollen Argumente dafür, dass Ärzt*innen auf ihrer Webseite nicht schreiben dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Eine Frau gehe womöglich mit einer vorgefertigten Entscheidung für den Eingriff in die gesetzlich vorgeschriebene Beratung, wenn sie zuvor mit einem Arzt oder einer Ärztin rede, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Union.
Als würden Ärzt*innen geradezu darauf warten, Frauen eine Abtreibung aufzuquatschen. Mehr noch: Als ob Frauen nicht in der Lage wären, eigenständig zu entscheiden; je nachdem, wer der ungewollt Schwangeren zuerst etwas sagen darf, bestimmt ihre Entscheidung? Ein wenig plausibles Szenario.
Das ungelenke Verhalten der Union zeigt vor allem eins: Ihr geht es nicht um Paragraf 219a. Vermutlich könnten viele Konservative auch ohne diesen Paragrafen nachts noch schlafen. Die eigentliche Gefahr aus Unionssicht: eine Diskussion um das gesamte Gesetzespaket zum Schwangerschaftsabbruch, also auch um Paragraf 218, der Abtreibungen als eine Straftat gegen das Leben definiert.
Union riskiert den Burgfrieden
„Eine gesetzliche Änderung würde als Parteinahme zugunsten derer verstanden, die hier bloß von ‚Schwangerschaftsgewebe‘ sprechen“, sagt Winkelmeier-Becker. Das mag sein – doch ironischerweise beschwört die Union diese Debatte um so stärker herauf, je länger sie sich sträubt.
Der bestehende gesetzliche Kompromiss ist in harten Auseinandersetzungen errungen worden. Und aus feministischer Sicht ist er nicht gut; denn Abtreibungen sind in Deutschland eine Straftat, die unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Trotzdem haben viele Feminist*innen sich mit der Lösung arrangiert; in der Praxis ließ es sich damit ja irgendwie leben. Genau diesen Burgfrieden riskiert die Union nun.
Nach dem Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel bleibt die Frage, warum das Wort „Schwangerschaftsabbruch“ auf einer Webseite mit einer Geldstrafe von 6.000 Euro geahndet werden sollte. Hätte die Union gleich zu Beginn der Debatte eingelenkt – die Diskussion wäre längst erledigt. Doch sie verteidigt den Paragrafen, indem sie Frauen wie Ärzt*innen vor den Kopf stößt, sie entmündigt und ihnen Unterstellungen macht.
Diese Strategie des Aussitzens aus ideologischen Gründen beweist nur, dass man die Union beim gesamten Thema Abtreibung niemals mit sachlichen Argumenten wird überzeugen können. Warum soll man dann nicht auch gleich Paragraf 218 angehen?
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