Kommentar Abschiebung von Afghanen: Im Kreis der Intransparenz
Deutschte Behörden schieben „Mitwirkungsverweigerer“ an den Hindukusch ab. Nicht nur der Begriff ist strittig, auch die Lage vor Ort.
W enigstens die Zahl der Zwangspassagiere auf dem zwölften Abschiebeflug nach Kabul, der dort gestern eintraf, ist nun bekannt. Auf Nachfrage. Es sind 21. Offenbar hält das Bundesinnenministerium (BMI) die Flüge nicht für relevant genug, um sich von allein zu einer Pressemitteilung durchzuringen.
Überhaupt ist es um die Transparenz bei diesen Abschiebungen seit ihrer Wiederaufnahme Ende 2016 nicht zum Besten bestellt. Immer wieder bürstete das Innenministerium Anfragen mit dem Hinweis ab, die Abschiebungen seien Ländersache. Das stimmt zwar, aber die dem BMI unterstehende Bundespolizei koordiniert die Flüge und kennt also die Zahlen.
Laut Beschluss der Bundesregierung dürfen nur Straftäter, sogenannte terroristische Gefährder und Mitwirkungsverweigerer bei der Identitätsfeststellung nach Afghanistan abgeschoben werden. Zu Einzelheiten halten sich Bundes- und Landesbehörden aber ebenfalls zurück. Das liegt daran, dass Flüchtlingsunterstützern gerade bei der letztgenannten Kategorie eine ganze Reihe von Fallbeispielen vorliegt, wo das sehr weit ausgelegt wurde. Ein Termin versäumt? Ab in den Flieger. Vor allem Bayern tat und tut sich dabei hervor. Und Merkels neuer Bundesinnenminister, Horst Seehofer, hat deutlich gemacht, dass er den restriktiven bayerischen Kurs in der Asylpolitik nun auch auf die Bundesebene heben will – etwa mit den geplanten Ankersammellagern für Asylbewerber.
Intransparenz herrscht auch in Bezug auf die Frage, ob die Bedingungen in Kabul überhaupt Abschiebungen zulassen. Berlin sagt ja, aber die Einschätzung der „asyl- und abschieberelevanten“ Lage in Afghanistan, auf die sich auch ganz aktuell immer wieder Asylrichter beziehen, ist nicht nur geheim, nur für Parlamentarier und Gerichte, sondern auch veraltet. Dies ignoriert systematisch alle abweichenden Fakten. Und selbst wenn die Regierung die überfällige Neufassung der Einschätzung der UN und anderer Quellen endlich ernst nähme – den 218 seit 2016 abgeschobenen Afghanen würde das wohl nicht mehr helfen.
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