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Kolumne Wir retten die WeltÖkos schaffen die Grundrechte ab

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Verkehrsplaner stellen das Menschenrecht auf Parkraum in Frage. Und das ist erst der Anfang. Bald geht es allem, was wir lieben, an den Kragen.

Vom Verkehrsschild bedroht: Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit, Menschenwürde Foto: dpa

D as schönste deutsche Wort ist „Ordnungsamt“. Es sagt alles über uns und unser Land. Trotzdem musste ich vor ein paar Tagen zwei Vertreter dieser Superbehörde verwirren.

Ich hatte mein Rad vor der taz angeschlossen, an einem dieser wackeligen Fahrradbügel. Der Straßenrand war bis auf eine Lücke von drei Metern zugeparkt. „Dürfte ich eigentlich mein Fahrrad da auf der Straße abstellen?“, fragte ich die beiden netten jungen Männer in schicker blauer Ordnungsamt-Uniform, die neben mir standen. Großes Erstaunen. Ein Fahrrad auf der Straße parken? Wie ein Auto? „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht“, sagte der eine freundlich. „Aber ich werde mich erkundigen.“

Er sollte sich bei der „Agora Verkehrswende“ melden. Der Thinktank für nachhaltige Mobilität hatte extra für mich und meine Frage zwei Tage später eine Tagung veranstaltet und ein Rechtsgutachten eingeholt: „Öffentlicher Raum ist mehr wert“, heißt die Abhandlung über den Straßenkampf.

Kurz und gut: Das Fahrrad auf der Straße parken ist keine gute Idee, sagt der Autor Roman Ringwald, Anwalt bei der Kanzlei Becker Büttner Held. Insgesamt könnten Behörden und Gesetzgeber aber mit ein bisschen Mut und Kreativität so ziemlich alles anders machen für die Verkehrswende.

Autos müssten nicht automatisch Vorfahrt haben

Denn bisher, so sein Vorwurf, legten die Behörden die Vorschriften instinktiv immer für die Vierräder und gegen die Zweiräder und Zweifüßler aus. Aber wer sagt eigentlich, dass Autos überall parken dürfen, wo es nicht verboten ist? Warum kostet ein Anwohner-Stellplatz 8 Cent am Tag, ein gleich großer Stand auf dem Wochenmarkt aber 18 Euro? Warum bauen Städte Parkhäuser und erlauben trotzdem Parken auf der Straße? Warum darf ein Auto den Platz von 10 Fahrrädern einnehmen? „Die Stellplätze sind der entscheidende Hebel für die Verkehrswende“, hieß es. Und dann: „Parken als Grundrecht sollte abgeschafft werden.“

Ich war erschüttert. Das also ist der Plan: Die Ökos wollen wirklich unsere Grundrechte abschaffen. Was mit dem Anschlag auf die Religionsfreiheit begann („Veggie Day“), setzt sich fort: Das Privateigentum wird abgeschafft („Kohleausstieg“), die Menschenwürde wird mit Füßen getreten („Tempolimit“), die Versammlungsfreiheit wird unterlaufen („Fahrverbote in der Innenstadt“).

Die Öko-Guerilla macht tatsächlich vor nichts Halt: Die Unverletzlichkeit der Wohnung wird ausgehöhlt („Energetische Sanierung“), ehrwürdige Berufe werden verfemt („Lkw-Maut“), die Freizügigkeit eingeschränkt („Kerosinsteuer“) und Gleichheit vor dem Gesetz? Das war einmal („Vorrang für Erneuerbare“).

Um diese Feinde der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden sich dann wohl die Geheimdienste kümmern müssen. Und falls der Verfassungsschutz gerade anderweitig beschäftigt ist: Ich bin sicher, das übernehmen gern die Kolleginnen und Kollegen vom Ordnungsamt.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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19 Kommentare

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  • Unter anderem einem Arikel von Thomas Harloff in der Süddeutschen folgend bin ich davon ausgegangen, dass man recht frei parken darf:

    www.sueddeutsche.d...wo-nicht-1.2397571

    Davon abweichende Rechtsauffassungen sind natürlich nicht unwahrscheinlich, aber wo ein Mini, SUV oder Transporter Platz finden, findet wohl auch ein Fahrrad Platz.

    • @Thomas Luzat:

      Ja. Das ist richtig.

      Aus eigener Erfahrung kann ich allerdings berichten, dass es dem Rad nicht wirklich gut tut, auf der Straße geparkt zu werden. Mein Rad ist nach nur vier Monaten nicht mehr fahrbar. Es wird regelmäßig im Vorbeifahren durch Radfahrer umgetreten.

  • Herr Pötter, eine schöne Kolumne!

    Das lässt sich 1:1 auch auf die Politik übertragen.



    Und das finde ich noch viel schöner, denn die Damen und Herren Politiker*innen drehen sich auch gerne alles so hin wie's grade in den Kram passt…

    Salman Rushdie spricht von "Obszöner Anstandslosigkeit"

    und davon dass,

    die "Worte der wahren Bedeutung beraubt" werden.

    Mit Sprache fängt alles an – oder es geht unter…

    Worte werden der wahren Bedeutung beraubt.



    Feststellung von Salman Rushdie

    • @Frau Kirschgrün:

      Die letzten zwei Zeilen meines Kommentars sind so was von überflüssig - leider beim Löschen übersehen – sorry ;-)

  • Parkplätze zu Radwegen machen. Das freut auch die Fußgänger.

  • Aha. Jetzt fühlt sich also nicht nur der gemeine AfD-Wähler vom Staat verfolgt, sondern auch der gemeine taz-Autor! Warum kann ich eigentlich nicht lachen über den „Humor“, der sich hier Bahn bricht? Weil ich Leute, die sich nicht einmal von ihrer eigenen Vernunft etwas sagen lassen, nicht sonderlich lustig finde?

    Angesichts der Trägheit, mit der sich ein zum Teil ziemlich gestresstes 80-Millionen-Volk entwickelt, tut es Bernhard Pötter und seiner Fangemeinde offenbar leid, dass sie nicht Zar oder Diktator sind. Aber wer sonst soll es bedauern, wenn sie nicht jeden, dessen Verhalten zu wünschen übrig lässt, erschießen, einsperren oder nach Sibirien verbannen können?

    Gäbe es „die Ökos“ wirklich, wären sie jedenfalls keine unschuldigen Opfer hirnloser Zombies. Wenn ihnen zum Dank für ihre genialen Ideen bisher noch nirgends eine 51%-Mehrheit das Durchregieren erlaubt, liegt das vor allem an ihrer Ignoranz. Sie scheren sich halt einen Dreck um die Gründe, aus denen heraus andere Leute tun, was sie so tun.

    Klar, man kann Leute, die offenbar nicht kapieren und nicht folgen wollen, auslachen und mies machen, wenn man sie denn schon nicht einsperren, aussperren oder erschießen (lassen) kann. Man sollte bloß nicht erwarten, dass sie einen dafür so sehr lieben, dass sie einem nacheifern.

    Für Demokratie-Praktiker ist die Antwort auf Pötters Warum-Fragen jedenfalls einfach: Weil es sehr mühsam, sehr teuer und sehr, sehr riskant ist, Regeln, deren Sinn der Mehrheit nicht einleuchtet, a) zu erlassen und b) dauerhaft durchzusetzen. Klar, versuchen kann man das (Harzt IV, Rauch- bzw. Parkverbot etc.). Aber die letzten, die sich über 40 Jahre hinweg konsequent selbst überschätzt haben, wurden 1989 abgewählt. Danach haben dann "die Neoliberalen" reüssiert – denen derzeit grade "die Neonazis" folgen. Viel Arbeit also für Verfassungsschutz und Ordnungsamt. Bernhard Pötter will ja lieber lustig sein…

  • Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass wir einen Verfassungsschutz haben, aber keine Verfassung? Im Prinzip müssten die Grundgesetzschutz heißen. :)

    • @siri nihil:

      Das stimmt nicht.

      "Das Grundgesetz (GG) ist die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland. " Quelle:



      www.bundestag.de/grundgesetz

  • Bei aller Liebe zur Verkehrswende kann man schon mal zu Kenntnis nehmen, dass nicht alle Leute permanent Rad fahren können: ältere Menschen, kranke Menschen, Menschen mit Verletzungen, Menschen mit viel Gepäck, Menschen die nicht verschwitzt am Ziel ankommen können, Menschen im Winter bei Schnee, etc. , etc.



    Autos abschaffen kann nur der LETZTE Schritt sein, da muss alles andere vorher kommen, u.a. ÖPNV kostenlos, engmaschig und im 10-Minuten-Takt UND DANN, kann man evtl. anfangen Autofahrer zu schikanieren, aber nicht umgedreht!

    • @Arno Birner:

      Nein, versucht man erst alle Probleme zu lösen, dann wird man nie ankommen, zumal der Straßenverkehr den Großteil der finanziellen Mittel bindet.

      Man könnte auch umgekehrt anfangen: Solange Autofahrer andere Verkehrsteilnehmer schikanieren und mehr Raum als ihnen zugestanden wird beanspruchen, muss man auf die Nutzung des KFZ verzichten ...

      • @Thomas Luzat:

        Ihre Antwort überzeugt nicht, da Sie nicht auf die von mir genannten Probleme eingehen.



        Und was die Finanziellen Mittel angeht, ist genug Geld da um ÖPNV deutlich auszubauen, müsste man halt etwas umverteilen und einsammeln (bei denen die es haben...)

    • @Arno Birner:

      Alle Probleme des Individualverkehrs wären gelöst, würden nur diejenigen Auto fahren, die nicht anders können, und zwar mit Autos, die nicht dicker sind, als sie sein müssen.

    • @Arno Birner:

      Ja, nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis, dass "ältere Menschen, kranke Menschen, Menschen mit Verletzungen, Menschen mit viel Gepäck, Menschen die nicht verschwitzt am Ziel ankommen können, Menschen im Winter bei Schnee," nicht mit dem Fahrrad fahren können.

      Weshalb tun es aber all die anderen nicht, sondern fahren ohne Gepäck, Gebrechen und Schnee mit dem Auto?

      Die Hälfte der Haushalte in Berlin hat das Auto übrigens bereits abgeschafft.

      • @peterdermueller:

        Ich will ja nur deutlich machen, dass die Idee, die Anzahl der Autos in den Städten massiv zu reduzieren, das Endergebnis einer Entwicklung sein kann, nicht deren Anfang. Auch wenn ganz viele sommers radeln, brauchen sie doch im Winter ein Auto für den Weg zur Arbeit. Verletzungen treten bei allen Menschen völlig zufällig auf, auch bei passionierten Radlern, Und ohne den von mir umfangreich ausgebauten ÖPNV brauchen die dann eben doch wieder ein Auto etc. Daher: ERST die Alternativen hinstellen, DANN den Leuten die Autos madig machen. Umgekehrt ist (zu recht) mit massivem Widerstand zu rechnen.

  • Seit einem entsprechenden Artikel in der taz stelle ich mein altes Rad regelmäßig auf der Straße ab (ich benutze es nicht, ich stelle es nur hin). An dieser Stelle behindert es Radfahrer, welche normalerweise dort stehende Autos rechts überholen. Seit ca. vier Monaten wird mein Rad fast täglich umgestoßen und in dieser Zeit kam es zu mindestens zwei Stürzen.

  • Eine schöne Glosse. Wir schränken die Meinungsfreiheit ein und niemand kümmert es, es ist doch Neuland. Wenn dagegen überkommene Gewohnheiten verändert werden sollen, wird mit "Grundrechten" argumentiert. In der Liste fehlt noch die Briefkommunikation der Anwält*innen. Da gibt es ebenso Stimmen, die die Pflicht zur Annahme von elektronischen Sendungen über das Anwaltspostfach als Verletzung der Grundrechte sehen. Bei diesem Postfach wurde sicher auch viel falsch gemacht und Kritik daran ist im Detail nicht unberechtigt. Aber müssen wir immer gleich die Grundrechte in Gefahr sehen, nur weil wir uns gegen Innovationen wehren wollen?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Sollte man nur machen, wenn man kräftig ist. Hab das mal vor dem Bäcker gemacht (da ist Halteverbot), ein Porschefahrer, der hinter mir hielt (auch im Halteverbot) wollte mich verprügeln. Jetzt stelle ich es auf die hier ein Meter breiten Gehwege die zur Hälfte von Autos zugeparkt sind. Müssen die Leute halt auf der Straße zu ihren Autos laufen - das wird hier allgemein akzeptiert.

  • Spannend dass schon so viele neue Optionen auf dem Tisch liegen während es selbst in so zentralen Wohnvierteln wie Eppendorf nicht möglich ist die bisher geltenden Regeln durchzusetzen, man denke an die Artikel wo berichtet wird, dass die Feuerwehr zu Protestfahrten durch diese Viertel fährt um zu zeigen, dass sie durch viele Straßen im Ernstfall gar nicht durch käme und wenn dann die eigene Bude brennt oder das eigene Kind auf dem Laufrad nicht mehr weiter kommt ist plötzlich alle Ironie am Ende und man fragt sich tatsächlich was das Ordnungsamt eigentlich so macht. Auflösung: Abgelaufene Parkuhren abzetteln...

  • Gute Idee, das Fahrrad wie ein Auto abzustellen! Aber vermutlich wäre es schnell geklaut, wenn man es nirgends festmachen kann. Ein Auto kannn man ja nicht so leicht auf der Schulter davontragen. Das ist der Wermutstropfen.