Starttermin trotz ausstehendem Urteil: Pkw-Maut soll 2020 kommen
Bundesverkehrsminister Scheuer legt den Starttermin für das umstrittene Projekt fest. Dabei muss der Europäische Gerichtshof noch darüber entscheiden.
„Es ist absurd, dass der Zeitpunkt für den Start festgelegt wird, bevor der EuGH entschieden hat“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, der taz. Lottsiepen geht davon aus, dass der EuGH das Projekt in der geplanten Form stoppen wird. „Die Kosten, die bereits jetzt entstehen, muss der Steuerzahlen tragen“, kritisierte er. Auch die Grünen fordern Zurückhaltung bei den Ausgaben für die Autobahngebühr. „Größere Investitionen zur Errichtung der Maut müssen unterbleiben“, forderte Oliver Krischer, Vize-Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen. „Es ist unverantwortlich, Millionen für ein Projekt auszugeben, dass vor dem europäischen Gerichtshof durchaus scheitern kann.“
Die Pkw-Maut für „gebietsfremde“ Fahrzeuge, also nicht in Deutschland zugelassene Pkw, war das Vorzeigeprojekt der CSU im vorvergangenen Bundestagswahlkampf. Sie ist allerdings auch in der Union umstritten. Der Bundestag hat die Einführung trotzdem 2017 beschlossen. „Die Pkw-Maut kommt zum Oktober 2020“, sagte Scheuer jetzt in seiner Twitterbotschaft zum neuen Jahr.
Für die Maut soll eine elektronische Vignette eingeführt werden. Der Preis ist von der Größe des Fahrzeugs, der Schadstoffklasse und dem Kraftstoffverbrauch abhängig. Bei Wohnmobilen hängt der Preis vom Gewicht ab. Für alle Fahrzeuge sieht das Verkehrsministerium eine Höchstgrenze von 130 Euro im Jahr vor. In Deutschland lebende AutohalterInnen sollen über die Kfz-Steuer entlastet werden. Mit der Maut werde Gerechtigkeit auf den Straßen geschaffen, sagte Scheuer in seiner Neujahrbotschaft, und zwar „ohne Mehrbelastung für Inländer.“ FahrerInnen mit im Ausland zugelassenen Fahrzeugen können zwischen Vignetten mit einer Gültigkeit von zehn Tagen, zwei Monaten oder einem Jahr wählen. Die Vignetten sollen über eine App und an Tankstellen sowie speziellen Terminals gekauft werden können.
Österreich und die Niederlande klagen
Die entsprechenden Verträge mit den Firmen, die für das Eintreiben und die Kontrolle der Maut zuständig sind, wurden Ende 2018 unterzeichnet. Dabei handelt es sich um das auf Ticketverkauf und Live-Veranstaltungen spezialisierte Unternehmen CTS Eventim aus Deutschland und die Firma Kapsch TrafficCom aus Österreich. Das ist pikant. Denn ausgerechnet Österreich hat – wie die Niederlanden – vor dem EuGH Klage gegen das Projekt eingereicht. Nach Ansicht der österreichischen Regierung werden ausländische AutofahrerInnen durch die Maut diskriminiert.
Das Urteil des EuGH wird für Mitte des Jahres erwartet. Dessen ungeachtet wurden 86 Millionen Euro für die Maut in den Bundeshaushalt 2019 eingestellt, davon sind 29 Millionen Euro für Personal vorgesehen. Das Verkehrsministerium rechnet damit, dass der Bund durch nicht in Deutschland zugelassene Fahrzeuge jährlich rund 830 Millionen Euro einnimmt. Die Betriebskosten werden mit 210 Millionen Euro veranschlagt. Falls sich diese Kalkulation bestätigt, soll übrige Geld für den Ausbau der Straßen des Bundes verwendet werden.
Maut ist nicht grundsätzlich falsch
„Mit der Pkw-Maut droht ein Bürokratiemonster, dass mehr kostet als es einbringt“, sagte der grüne Fraktionsvize Krischer. Er bezweifelt, dass der anvisierte Starttermin realisiert werden kann. „Es müssen viele hochqualifizierte Stellen im Verkehrsministerium besetzt werden und das in wenigen Monaten. Der Stellenmarkt ist aber gerade leer gefegt“, sagte Krischer.
Der Verkehrsclub VCD ist nicht grundsätzlich gegen eine Gebühr für Straßennutzung, aber gegen die geplante. „Diese Maut ist unsozial und ausländerfeindlich“, sagte Verkehrsexperte Lottsiepen. Denn sie werde unabhängig von den gefahrenen Kilometer erhoben. „Viel besser wäre eine fahrleistungsabhängige Maut für alle“, sagte er. Die geplante Gebühr dränge Autofahrer auf Landstraßen – auf denen bestehe eine erhöhte Unfallgefahr. Statt einer Maut nach Schadstoffklasse und Verbrauch des Autos fordert Lottsiepen die Einführung einer Besteuerung des CO2-Ausstoßes. „Das ist viel effektiver“, sagte er.
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